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18. Februar 2025, 12:59 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Viele Menschen haben im persönlichen Umfeld jemanden, der von Darmkrebs betroffen ist oder war. Immer stärker in den Fokus der Forschung tritt unter den beeinflussbaren Faktoren die Ernährung. Eine Langzeitstudie mit über 470.000 Teilnehmern zeigt: Eine hohe Kalziumzufuhr senkt das Darmkrebsrisiko. Aus welcher Quelle es kommt, ist dabei fast egal. Aber eben nur fast.
Haben Sie heute schon Naturjoghurt gegessen oder Nüsse gesnackt? Seit Jahren deutet die Forschung darauf hin, dass das u. a. in diesen Lebensmitteln enthaltene Mineral Kalzium eine schützende Rolle gegen Darmkrebs spielen könnte (FITBOOK berichtete). So zeigen einige Beobachtungsstudien, dass eine höhere Kalziumaufnahme mit einem geringeren Darmkrebsrisiko verbunden ist. Einer der Mechanismen: Der Mineralstoff kann etwa dafür sorgen, dass Substanzen, die die Entstehung von Krebs fördern könnten, ausgeschieden werden, bevor sie Schaden anrichten. Was bisher jedoch unklar war: Ist die Quelle des Kalziums entscheidend? Also etwa, ob es dem Körper durch Milchprodukte, pflanzliche Lebensmittel oder in Form von Supplements zugefüht wird? Eine Studie aus Großbritannien mit einem Beobachtungszeitraum von über 20 Jahren und mehr als 10.600 identifizierten Darmkrebsfällen liefert hierzu neue Erkenntnisse.
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Übersicht
- Die schützenden Wirkmechanismen von Kalzium im Darm
- Kalziumquelle und Darmkrebsrisiko – macht es einen Unterschied?
- Ergebnis der Studie: Höhere Kalziumaufnahme senkte Darmkrebsrisiko um bis zu 29 Prozent – Quelle fast egal
- Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für mich?
- Empfehlung zur Kalziumzufuhr
- Darmkrebsrisiko senken – warum Kalzium nicht die einzige Lösung ist
- Quellen
Die schützenden Wirkmechanismen von Kalzium im Darm
Neuere Studien belegen einen Zusammenhang zwischen höherer Kalziumaufnahme und geringerem Darmkrebsrisiko. Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigen, dass eine gesunde Ernährung mit Joghurt und anderen probiotischen Lebensmitteln besonders bei Menschen mit intakter Darmbarriere sinnvoll sein kann, um das Risiko für bestimmte Formen von Darmkrebs zu senken. Der Schutz – das zeigen die Ergebnisse – scheint besonders für Tumoren im oberen Abschnit des Dickdarms zu gelten (und weniger für Enddarmkrebs).
Der Mineralstoff hat in unserem Darm im Grunde drei Wirkungshebel, von denen eine schützende Wirkung in Bezug auf Dickdarmkrebs ausgeht: Er kann dort schädliche Substanzen wie Gallensäuren und Fettsäuren binden, die sonst unter Umständen die Darmschleimhaut reizen und – möglicherweise – die Entstehung von Krebs begünstigen könnten. Zweitens fördert Kalzium den normalen Wachstum von Darmzellen und hemmt gleichzeitig unkontrollierte Zellteilung – auch das eine Krebsursache. Drittens kann das Mineral entzündliche Prozesse im Darm reduzieren, von denen ebenfalls ein Risiko zur Entstehung der Krankheit ausgeht.
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Kalziumquelle und Darmkrebsrisiko – macht es einen Unterschied?
Unklar war bisher, ob dieser Effekt von der Art der Kalziumquelle abhängt. ist das Risiko für Darmkrebs geringer, wenn man zu Milchprodukten greift – oder ist es günstiger in dieser Hinsicht, zu pflanzlichen Kalziumquellen oder gar Nahrungsergänzungsmitteln zu greifen? Macht die Quelle des Minerals überhaupt einen Unterschied für das Darmkrebsrisiko einer Person? Und gilt das für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen? Die vorliegende Studie gibt Antworten.
Die sogenannte „NIH-AARP Diet and Health Study“ wurde vom britischen National Cancer Institute entwickelt. Sie soll das Verständnis der Beziehung zwischen Ernährung und Gesundheit verbessern und ist eine der größten Studien zu dem Thema, die jemals durchgeführt wurde.1
471.396 gesunde Erwachsene im Alter von 50 bis 71 Jahren wurden 1995/1996 danach gefragt, wie viel Milchprodukte, Pflanzen und (welche) Nahrungsergänzungsmittel sie zu sich nehmen. Daraus ergab sich eine Kalziumaufnahme der Probanden, die die Forscher in fünf Gruppen einteilten – von der geringsten bis zur höchsten Kalziumaufnahme.
- Die Gruppe mit der geringsten Kalziumaufnahme kam durchschnittlich auf 401 Milligramm täglich
- Die Gruppe mit der höchsten Kalziumaufnahme kam im Schmitt auf 2056 Milligramm pro Tag
20 Jahre nach der Abfrage der Kalziumaufnahme wurden die Darmkrebsfälle erfasst. Es wurde nicht nur analysiert ob, sondern auch wo im Darm sich bei den Teilnehmern Darmkrebs entwickelt hatte.
Ergebnis der Studie: Höhere Kalziumaufnahme senkte Darmkrebsrisiko um bis zu 29 Prozent – Quelle fast egal
Die Analyse bestätigte den Zusammenhang zwischen einer höheren Kalziumaufnahme und einem geringeren Darmkrebsrisiko. Dieser war sogar signifikant. Die Ergebnisse im Überblick:
- Verglichen mit den Teilnehmern, die besonders wenig Kalzium aufnahmen, hatten solche mit der höchsten Aufnahme ein 29 Prozent geringeres Risiko für Darmkrebs.
- Der vor Darmkrebs schützende Effekt war nahezu unabhängig von der Kalziumquelle. Es war also egal, ob die Probanden das Mineral über Joghurt, Eier und Käse, grünem Gemüse, Nüsse und Samen oder Nahrungsergänzungsmittel aufnahmen.
- Pro zusätzliche 300 Milligramm Kalzium täglich sank das Risiko für Darmkrebs im Durchschnitt um acht Prozent. (Es sank um zehn Prozent für Kalzium aus Nahrung und um fünf Prozent für Kalzium aus Supplements).
- Das Risiko für Darmkrebs war sowohl im Dickdarm als auch im Enddarm reduziert – eine neue Erkenntnis gegenüber anderen Studien.
- Bei nicht-hispanischen Schwarzen Teilnehmern konnte kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Gesamt-Kalziumaufnahme und dem Darmkrebsrisiko festgestellt werden. Weitere Faktoren für diesen Unterschied wurden in der Studie nicht erfasst.
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für mich?
In besonderem Maße relevant sind die Erkenntnisse aus dieser Studie für zwei Bevölkerungsgruppen mit niedriger Kalziumaufnahme: Frauen und nicht-hispanisch schwarze Personen.
Bei den Frauen hat die geringe Kalziumzufuhr u. a. hormonelle Gründe: Nach den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel, was die Kalziumaufnahme im Darm verringert und den Knochenabbau beschleunigt. Auch die Daten zur Kalziumaufnahme aus der Studie spiegeln dieses Gefälle zwischen den Geschlechtern übrigens wieder. Bei vielen nicht-hispanisch Schwarzen Menschen liegt die niedrige Kalziumzufuhr etwa an einer insgesamt höhere Laktoseintoleranzrate. Diese führt dazu, dass sie weniger Milchprodukte konsumieren und damit weniger Kalzium. Auch reduziert dunkle Haut die Synthese von Vitamin D; Vitamin D macht die Kalziumaufnahme effizienter.
Empfehlung zur Kalziumzufuhr
Die Untersuchung legt nahe, dass es für die Prävention von Darmkrebs nicht so wichtig ist, woher das Kalzium kommt. Pflanzliche Kalziumquellen oder Nahrungsergänzungsmittel können eine adäquate Alternative zur Kalziumquelle Milchprodukte darstellen.
Viel wichtiger scheint zu sein, dass genug Kalzium im Körper ankommt. Hierauf sollte jeder Erwachsene achten – insbesondere, wenn in der Familie Kinder oder Jugendliche leben. Denn sie haben einen noch höheren Kalziumbedarf.
Die DGE empfiehlt an täglicher Kalziumzufuhr:
- Erwachsene: 1000 Milligramm
- Jugendlich von 13 bis 18: 1200 Milligramm
- Kinder von 10 bis 12 Jahren: 1100 Milligramm2
1000 Milligramm pro Tag ist bereits eine Menge, die viele Menschen nicht erreichen. Laut der Nationalen Verzehrsstudie II des Bundesernährungsministeriums und Max Rubner-Instituts liegt die mittlere Kalziumzufuhr im Durchschnitt bei Männern bei 807 Millogramm täglich. Bei Frauen sind es 738 Milligramm pro Tag. Befragt worden war zwischen 2005 und 2007.3
Keine Empfehlung ohne ein Aber: Eine Überdosierung ist auch nicht gut. Eine solche kann mit Supplements versehentlich recht schnell der Fall sein. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie weist darauf hin, dass eine Kalziumzufuhr mittels Tabletten von mehr als 500 Milligramm pro Tag Nierensteine und Gefäßverkalkungen nach sich ziehen kann. Deshalb rät die Fachgesellschaft, den Mineralstoff (im Normalfall) bevorzugt über die Nahrung einzunehmen.4 Nachfolgend einige Tipps für Ihre tägliche Ernährung:
Kalziumquellen und wie man den Bedarf mit Lebensmitteln deckt
- Milchprodukte (z. B. Käse, Joghurt, Milch)
- Grünes Gemüse (z. B. in Brokkoli, Grünkohl, Fenchel oder Lauch)
- Nüsse und Samen (z. B. Mandeln, Sesam)
- Mineralwasser mit hohem Kalziumgehalt
- Leitungswasser (wenn keine Kalkfilter in den Leitungen eingebaut sind)
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Kalziumbedarf einfach gedeckt!
„Stolze 1000 Milligramm abzudecken, kann eine Herausforderung darstellen. Aber es gibt Lebensmittelkombinationen, mit denen das ganz einfach klappt. Mit nur zwei verschiedenen Milchprodukten kann man gut versorgt sein: ein Glas Milch (150 Milliliter) und zwei Scheiben Emmentaler (60 Gramm) decken bereits den Bedarf ohne das getrunkene Wasser zu berücksichtigen. Wer sich pflanzlich ernährt, muss auch nur wissen wie: Gute Quellen sind Sojajoghurt (118 Milligramm pro 100 Gramm), Kichererbsen (120 Milligramm pro 100 Gramm) oder Grünkohl (210 Milligramm pro 100 Gramm). Allerdings würde ich Ihnen zusätzlich raten, im Supermarkt nach einem Kalzium-reichen Mineralwasser Ausschau zu halten. Wasser darf als solches ausgelobt werden, wenn es mehr als 150 Milligramm Kalzium pro Liter enthält. Es gibt jedoch gängige Marken, die sogar 300 bis 600 Milligramm pro Liter liefern – das spült die Sorgen runter.
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Laut Studie Welche Lebensmittel eine Schlüsselrolle bei Dickdarmkrebs spielen
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Für die Herzgesundheit Zu dieser Tageszeit sollte man laut Studie lieber wenig Kalzium zu sich nehmen
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Das sagt die Wissenschaft 6 ½ Lebensmittel für starke und gesunde Knochen
Darmkrebsrisiko senken – warum Kalzium nicht die einzige Lösung ist
Die lange Nachbeobachtungszeit von über 20 Jahren erhöht die Aussagekraft der Ergebnisse dieser Studie. Allerdings muss man kritisch anmerken, dass die Kalziumaufnahme nur zu Beginn abgefragt wurde; in 20 Jahren kann sich daran beim Einzelnen viel geändert haben. Auch könnten natürlich andere Faktoren als eine zu geringe Kalziumzufuhr den Darmkrebs verursacht haben. Solche anderen Faktoren wurden aber nicht erfasst. Auch der Einfluss anderer Lebensstilfaktoren wurde in der Untersuchung nicht ermittelt. Sie kann generell keine kausalen Zusammenhänge belegen.
Merken kann man sich dennoch: Eine ausreichende Zufuhr von Kalzium ist empfehlenswert – nicht zu viel, nicht zu wenig. Nicht nur, aber womöglich auch, um das Darmkrebsrisiko zu senken. Und: Kalzium ist natürlich nicht die einzige Lösung, um eine Erkrankung an diesem Krebs zu verhindern. Ganz wichtig ist die Vorsorge, bei der etwa Vorstufen von Darmkrebs entfernt werden können, sodass er gar nicht erst entsteht. Zu den weiteren beeinflussbaren Risikofaktoren gehören (neben den unbeeinflussbaren wie Alter, Geschlecht und Gene): Übergewicht, Rauchen, Alkohol und Bewegungsmangel. Ausführlich haben wir dazu hier Informationen zusammengetragen.