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Studie zeigt

Dieser Inhaltsstoff in Produkten kann Frühgeburten verursachen 

Der Kontakt mit Phthalaten, einem Industrie-Inhaltsstoff, kann Fehlgeburten verursachen
Der arglose Kontakt mit verschiedensten Produkten kann aufgrund eines bestimmten industriellen Inhaltsstoffs zu Fehlgeburten führen Foto: Getty Images
Laura Pomer

9. Februar 2024, 4:13 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Experten sehen seinen Einsatz im Hinblick auf die menschliche Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit schon länger kritisch. Dabei ist es für Endverbraucher nicht so leicht, den Kontakt mit dem umstrittenen Inhaltsstoff in Alltagsprodukten zu umgehen; zumal sie um die Gefahren wohl meist nicht wissen. Nun liefert eine Studie erschreckende Zahlen dazu, wie häufig die gemeinte chemische Verbindung offenbar für Frühgeburten verantwortlich ist.

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Die Rede ist von Phthalaten. Das sind sogenannte Weichmacher, die vor allem bei der Herstellung von Kunststoffen eingesetzt werden. Menschen kommen mit ihnen über sämtliche PVC-haltige Produkte (z. B. Verpackungen, Spielzeug, Aufbewahrungsbehälter) in Kontakt. FITBOOK berichtete bereits darüber, dass Phthalate die männliche Fortpflanzungsfähigkeit bedrohen. Daneben stellt der Inhaltsstoff auch für Schwangere eine Gefahr dar – schlimmstenfalls löst der Kontakt mit ihm Fehlgeburten aus.

Das Umweltbundesamt bezeichnet Phthalate als „endokrine Disruptoren“. Das bedeutet, dass sie das menschliche Hormonsystem stören, mit zahlreichen möglichen Folgen für die Gesundheit. Einige Arten des Weichmachers (speziell die Phthalate DEHP, DBP und BBP) gälten demnach bekanntermaßen als „fortpflanzungsgefährdend“. Die Behörde nehme regelmäßig Untersuchungen auf Abbauprodukte im Urin von Kindern und Erwachsenen durch – und werde in nahezu sämtlichen Proben fündig. Dennoch ist die Chemikalie weiterhin im Einsatz. Ziel der Umweltprobenbank sei es unter anderem, „die Wirksamkeit getroffener Maßnahmen zu überprüfen und ggf. weitere vorzuschlagen, um den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor schädlichen Phthalaten zu verbessern“.

Neue Studie belegt Gefahr für Schwangerschaften durch Phthalate

Forscher des NYU Langone Health haben sich ein Mal mehr mit den umstrittenen „Überall-Chemikalien“ – so werden sie aufgrund ihres extrem häufigen Vorkommens in industriellen Produkten genannt – auseinandergesetzt. „Seit Jahrzehnten ist erwiesen, dass diese Chemikalien (…) die Funktion bestimmter Hormone beeinträchtigen“, heißt es dazu in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung.1 Doch wie groß ist der Schaden genau, den Phthalate jedes Jahr innerhalb der US-amerikanischen Bevölkerung anrichten? Darauf wollen Studienhauptautor Dr. Leonardo Trasande und sein Team erschreckende Antworten gefunden haben.

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Vorgehen der Studie

Die Studie erschien aktuell im Fachmagazin „The Lancet“.2 Laut Trasande ist es die größte, die zum Zusammenhang zwischen dem Inhaltsstoff und Frühgeburten bzw. weiteren Schwangerschaftsrisiken jemals vorgenommen wurde. Sie sei vor allem deshalb aussagekräftig, weil sie sehr vielfältige Patientinneninformationen aus einer großen Zahl früherer Studien enthalte. Das Team hatte Daten aus der „Environmental Influences on Childhood Health Outcomes“-Initiative der US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health verwendet. Darin sind Untersuchungen zu den möglichen Auswirkungen verschiedener sozialer, ökologischer und ökonomische Einflussfaktoren auf Schwangerschaftsverläufe bzw. die Gesundheit von Kindern gesammelt.

Die Forscher untersuchten zu unterschiedlichen Zeitpunkten entnommene Urinproben der Probandinnen auf das Vorkommen von 20 verschiedenen Abbauprodukten, die bei der Verstoffwechselung bestimmter Chemikalien entstehen. So ermittelten sie die Phthalat-Belastungen im Körper der Frauen im Verlauf der Schwangerschaften. Im nächsten Schritt stellten sie den Inhaltsstoff und die dokumentierten Frühgeburten einander gegenüber. Ebenso betrachteten sie, welche Kosten durch von Phthalaten verursachte Komplikationen entstanden waren. Hier spielte etwa mit hinein, wie lang/intensiv werdende Mütter oder deren Kinder medizinisch behandelt werden mussten. Auch war Teil der Untersuchung, welchen wirtschaftlichen Schaden durch die Chemikalie bedingte Entwicklungsstörungen bei betroffenen Geborenen zu späteren Lebensphasen (durch z. B. Leistungsmängel bei der Arbeit) verursacht hatten.

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Eindeutiger Zusammenhang zwischen Schwangerschaftsrisiken und Phthalat-Exposition

Auf Basis der Datenauswertung schätzen die Studienautoren, dass im Jahr 2018 innerhalb der US-amerikanischen Bevölkerung 56.595 Frühgeburten auf die Exposition gegenüber dem umstrittenen Inhaltsstoff zurückzuführen waren. Die damit verbundenen Kosten hatten demnach bei rund 3,84 Milliarden US-Dollar (ca. 3,56 Milliarden Euro) gelegen.

Der Zusammenhang zwischen einer Phthalat-Belastung und gleich mehreren Schwangerschaftsrisiken sei eindeutig. Der Kontakt mit dem Inhaltsstoff zwischen Empfängnis und Geburt könne demnach die Gefahr von Fehlgeburten, eines Kindstods und von Entwicklungsstörungen des Heranwachsenden in nennenswertem Maße erhöhen. Weiterhin seien Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft viel mit Phthalaten in Kontakt gekommen waren, öfter in ihrer schulischen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und stärker gefährdet für schwere chronische Erkrankungen (z. B. des Herzens und an Diabetes).

Bedeutung der Ergebnisse

Phthalate sind eine ganze Gruppe chemischer Verbindungen. Zusammenfassend gehen die Forscher davon aus, dass die jeweiligen Arten hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Risiken gleich negativ zu bewerten sind. Zwar schienen Zwischenergebnissen zufolge zunächst die sogenannten Inhaltsstoffe DEHP-Metabolite die Wahrscheinlichkeit von Frühgeburten besonders maßgeblich zu erhöhen. Doch im Vergleich mit drei gängigen DEHP-Alternativen setzte sich diese Auffälligkeit nicht durch.

Für Trasande zeigen die Ergebnisse eindrücklich, dass es notwendig ist, den Einsatz von Phthalaten im Allgemeinen streng zu regulieren. „Andernfalls werden Forscher wahrscheinlich in ein paar Jahren dieselben Erkenntnisse über die nächste Gruppe von Chemikalien finden, die als Ersatzstoffe verwendet werden.“ Es gebe eine recht einfache Möglichkeit, die Risiken zu verringern, „indem man entweder sicherere Plastikmaterialien verwendet oder die Verwendung von Plastik, wann immer es möglich ist, ganz reduziert“, so der Wissenschaftler.

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Konkrete Empfehlungen für Schwangere

Der Berufsverband der Frauenärzte empfiehlt werdenden Müttern, „vorgefertigtes, in Plastik verpacktes Essen zu meiden“.3 Besser seien frisch zubereitete Lebensmittel. Verwenden Sie ausschließlich unbedenkliche Trinkflaschen und Frischhaltebehälter. Solche seien in Deutschland gekennzeichnet, wenn bei ihrer Herstellung auf Phtalate verzichtet wurde. Gleiches gilt demnach für verschiedene Kosmetikprodukte. Erkennen Sie auf der Produktverpackung den Begriff DBP (Dibutylphtalat) – bitte die Finger davon lassen. Dagegen erkennen Sie Phtalate-freie z. B. Nagellacke an den Bezeichnungen „3-free“ und „12-free“, heißt es in der Veröffentlichung weiter. Zuletzt sei es wichtig, PVC-haltige Einrichtungsgegenstände (z. B. Teppiche und Bodenbeläge) regelmäßig zu reinigen, damit sich die Phtalate-Belastung nicht so leicht über den Hausstaub verteilen kann.

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Quellen

Themen Schwangerschaft

Quellen

  1. NYU Langone Health: „Preterm Births Linked to ‘Hormone Disrupter’ Chemicals May Cost United States Billions“ (aufgerufen am 8.2.2024) ↩︎
  2. L. Trasande, M. Nelson, A. Alshawabkeh (et. al.) 2024, Prenatal phthalate exposure and adverse birth outcomes in the USA: a prospective analysis of births and estimates of attributable burden and costs, The Lancet ↩︎
  3. Frauenärzte im Netz: Weichmacher können Frühgeburt-Risiko erhöhen (aufgerufen am 8.2.2024) ↩︎
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