25. September 2023, 18:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In vielen Haushalten kommt Ingwer bei Erkältungen und Magen-Darm-Beschwerden zur Anwendung. Einer kürzlich veröffentlichten Studie zur Folge kann die Knolle aus Fernost auch bei Autoimmunerkrankungen zum Einsatz kommen. FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke erklärt die Studie.
Lupus, Arthritis, Rheuma – bei solchen und weiteren Autoimmunerkrankungen richtet sich das körpereigene Immunsystem gegen gesunde Zellen und löst so Entzündungsprozesse im Körper aus, welche potenziell zu Organschäden führen können. Forschende im US-Bundesstaat Colorado untersuchten, ob Ingwer in Form von Nahrungsergänzungsmitteln wirksam bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen sein könnte.
Übersicht
So lief die Studie ab
Die Studie konzentrierte sich auf eine bestimmte Immunreaktion; die Bildung von „neutrophilen extrazellulären Fallen“ (Neutrophil Extracellular Traps, kurz NETs) und deren Auswirkungen auf Entzündungsprozesse.1 Dabei ging es um die Wirkung von Ingwer-Supplementen auf sogenannte Neutrophile.
Was sind Neutrophile?
Neutrophile sind die am häufigsten vorkommenden weißen Blutkörperchen und Teil des Immunsystems. Dringt ein Krankheitserreger in den menschlichen Organismus ein, sind sie die ersten Zellen, die versuchen, den Erreger unschädlich zu machen.
Der Mechanismus dahinter ist die Ausbildung von NETs. Diese netzartige Strukturen werfen Neutrophile bei Kontakt mit Krankheitserregern aus. Die Neutrophilen selbst sterben bei diesem Angriff. Dieser spezielle Zelltod wird NETosis genannt.
Sind Neutrophile überaktiv, fördern sie Entzündungen und Blutgerinnsel.
Auch interessant: Was können Ingwershots wirklich?
Forscher untersuchten Mausmodell und gesunde erwachsene Probanden
Bei Autoimmunerkrankungen können Neutrophile überaktiv sein und so vermehrt zu NETose führen. In der Studie wurden sowohl Mäuse mit Autoimmunerkrankung und gesunde Erwachsene untersucht.
Teilgenommen haben neun Probanden, die eine Woche lang ein Ingwer-Präparat einnahmen, welches 20 Milligramm Gingerol enthielt. Gingerol ist für den charakteristisch scharfen Geschmack von Ingwer verantwortlich. Den Teilnehmern wurde dreimal Blut abgenommen: vor Beginn der Supplementation, am letzten Tag der Einnahme und schließlich eine Woche nach dem Ende der Einnahme.
Auch interessant: Entzündungen im Körper mit der richtigen Nahrung bekämpfen
Hinweise auf entzündungshemmende Wirkung von Ingwer
Gesunde Probanden wiesen eine modifizierte NETose auf
Die Studie zeigte, dass der Verzehr von Ingwer bei gesunden Personen die Neutrophile resistenter gegen NETose machte, sodass Entzündungsprozesse, welche zu Autoimmunerkrankungen führen, gemildert wurden.
Die Untersuchungen der Blutproben ergaben, dass bei den Freiwilligen durch die Supplementation eine signifikante Steigerung der Chemikalie cAMP in den Neutrophilen zu erkennen war. Die erhöhten cAMP-Spiegel hemmten das Ausmaß der NETose als Reaktion auf krankheitserregende Reize. Die Blutproben, die eine Woche nach Ende der Intervention abgenommen wurden, zeigten wieder abgesenkte cAMP-Spiegel wie zu Beginn der Studie.
Zur Validierung der Ergebnisse wurde das Studienmodell mit acht neuen Probanden wiederholt. Auch in diesem Durchgang kam es zu erhöhten cAMP-Spiegeln.
Auch interessant: Clever kochen mit Ingwer für Immunsystem und Verdauung
Erfolg bei erkrankten Mäusen
Bei Mäusen reduzierte die Einnahme eines Ingwerextrakts die NETose ebenfalls. Getestet wurden Mäuse mit den Autoimmunerkrankungen Lupus und APS (Antiphospholipid-Syndrom). Damit einher ging ein Rückgang der für APS typischen Thrombose und eine verminderte Autoantikörperbildung bei Lupus.
Auch interessant: Autoimmunerkrankungen können offenbar Spätfolge von Corona sein
Wird Ingwer in Zukunft medizinisch angewandt?
Die leitende Co-Autorin Kristen Demoruelle verkündete in einer Pressemitteilung: „Es gibt viele Krankheiten, bei denen Neutrophile ungewöhnlich überaktiv sind. Wir haben herausgefunden, dass Ingwer dabei helfen kann, die NETose einzudämmen, und das ist wichtig, weil es sich um eine natürliche Ergänzung handelt, die bei der Behandlung von Entzündungen und Symptomen bei Menschen mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen hilfreich sein kann.“2
Häufig nehmen Personen mit entzündlichen Erkrankungen bereits eigenständig und wenig zielgerichtet Nahrungsergänzungsmittel wie Ingwer ein, ohne die genauen Auswirkungen zu kennen. Die Autoren der Studie sind überzeugt, dass eine Aufklärung über die Vorteile von Ingwer und die Wirkmechanismen dahinter Gesundheitsdienstleister dazu anregen kann, Ingwerpräparate individuell in Behandlungspläne einzubauen und zu fördern.
Gibt es weitere Anwendungsmöglichkeiten?
Professor Knight, ebenfalls Studienautor, betont: „Es gibt nicht viele natürliche Nahrungsergänzungsmittel oder verschreibungspflichtige Medikamente, von denen bekannt ist, dass sie überaktive Neutrophile bekämpfen. Wir gehen daher davon aus, dass Ingwer tatsächlich in der Lage sein könnte, bereits laufende Behandlungsprogramme zu ergänzen.“
Für die Zukunft wird deshalb geplant, den Nutzen von Ingwer bei menschlichen Probanden auf weitere Erkrankungen wie Covid, APS, Lupus und Arthritis zu untersuchen.
Daten-Analyse Autoimmunerkrankungen können offenbar Spätfolge von Corona sein
Multiple Sklerose Studie identifiziert Getreide, das eine starke Wirkung auf MS hat
Auf optimale Versorgung achten! Vitamin D und Fischöl senken Risiko für Autoimmunerkrankungen
Quellen
- 1. Ali, R. A., Minarchick, V. C., Zahavi, M. et al. (2023). Ginger intake suppresses neutrophil extracellular trap formation in autoimmune mice and healthy humans. Journal of Clinical Investigation.
- 2. University of Colorado Anschutz Medical Campus. New Research Adds Evidence to the Benefits of Ginger Supplements for Treating Autoimmune Diseases. (aufgerufen am 25.09.2023).
