21. März 2024, 15:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bis heute sind beim Geschlechtsverkehr übertragbare Krankheiten ein Tabu-Thema. Doch angesichts der neuen Entwicklungen sollten diese nicht mehr totgeschwiegen werden: In vielen Großstädten, insbesondere in Berlin, München und Hamburg, steigen die Infektionszahlen von Syphilis drastisch an. Was das zu bedeuten hat, erklärt FITBOOK-Redakteurin Janine Riedle.
Syphilis ist eine sexuell übertragbare Krankheit, die durch das Bakterium Treponema pallidum hervorgerufen wird. Auch wenn der häufigste Grund einer Infektion der Geschlechtsverkehr ist, ist das nicht die einzige Ursache: So kann die Erkrankung auch durch Blut oder intrauterin (innerhalb der Gebärmutter bei einem ungeborenen Baby) von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Einmal vom Arzt diagnostiziert, muss die Krankheit dem Robert-Koch-Institut gemeldet werden. Seit 2010 beobachtet das RKI einen Anstieg der Infektionszahlen von Syphilis – mit einer aktuell dramatischen Entwicklung: Besonders in den letzten zwei Jahren steckten sich extrem viele mit der Krankheit an.1
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Übersicht
Die Syphilis-Infektionszahlen erreichen ein neues Hoch
Während der Coronapandemie bemerkte das RKI noch einen starken Rückgang der Inzidenzen – 2022 kletterten die Ansteckungen jedoch weit nach oben: Es wurden 8305 Infektionen gemeldet, was einen Anstieg von 23,1 Prozent bedeutet. Von 100.000 Einwohner erkrankten somit zehn Personen an Syphilis. Für das Jahr 2023 verhalten sich die Zahlen ähnlich. „Damit setzte sich insgesamt die seit 2010 zu beobachtende deutliche Zunahme der Fallzahlen weiter fort und es wurde ein neuer Höchststand von Meldungen seit Einführung des Inkrafttretens des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 erreicht“, schreibt das RKI.
Die höchsten Inzidenzen sind auf die Bundesländer Berlin (41,3 Prozent) und Hamburg (23,1 Prozent) zurückzuführen, in 13 weiteren Bundesländern bemerkte man ebenfalls einen Anstieg. Insgesamt weist das RKI jedoch darauf hin, dass „es sich bei der Syphilis in
Deutschland um eine geografisch eher auf die Ballungsräume konzentrierte Epidemie“ handle. So sind besonders diese Städte von steigenden Syphilis-Infektionszahlen betroffen:
- Köln: 42,9 Prozent
- Berlin: 41,3 Prozent
- München: 38,9 Prozent
- Nürnberg: 29,2 Prozent
- Frankfurt am Main: 27,8 Prozent
- Düsseldorf: 25,5 Prozent
Allerdings sind Frauen und Männer nicht gleichermaßen davon betroffen. Während 1,1 Fälle auf 100.000 Einwohner weiblicher Natur sind, erkranken 18,9 Männer auf 100.000 Einwohner an Syphilis. Der Grund hierfür ist, dass die Krankheit häufiger bei homosexuellen Männern gemeldet wurde.
Infektionsland
Der Großteil aller Syphilis-Infektionen ist mit 90 Prozent auf die Ansteckung in Deutschland zurückzuführen. Als weitere Infektionsländer nannte das RKI Spanien und Thailand am häufigsten.
Diagnosezeitraum
Bei 25,6 Prozent aller gemeldeten Fälle im Jahr 2022 stellte man die Diagnose bereits im Primärstadium. 16,5 Prozent bemerkte man im Sekundärstadium. Somit ist die Mehrheit auf die ersten zwei Phasen zurückzuführen, die beide gut behandelbar sind und durch eine Antibiotika-Therapie demnach vollständig geheilt wurden. Nur 1,5 Prozent der Meldungen sind auf ein Tertiärstadium zurückzuführen.
Symptome und Behandlung von Syphilis
Eine Syphilis-Infektion verläuft häufig erstmal ohne jegliche Symptome und bleibt deshalb oftmals unbemerkt. Falls sich die Krankheit bemerkbar macht, sind der Genital- und Analbereich davon betroffen, in seltenen Fällen die Mundhöhle. Aufgrund der unterschiedlichen Symptome, die sich ändern, je länger man infiziert ist, unterteilt man die Erkrankung in drei Phasen.
- Primäre Phase: In den ersten zehn bis 90 Tagen nach einer Infektion treten die ersten Symptome auf: Es entsteht ein dunkelroter Fleck, der eine farblose Flüssigkeit absondert und hochansteckend ist.2 Im Verlauf kann sich diese Rötung zu einem Geschwür mit verhärteten Rändern entwickeln. Solche Flecken sind am Penis, an den Schamlippen oder in der Vagina zu finden. Aber auch im Mund, Rachen sowie im Enddarm können sich solche Flecken bilden. Zusätzlich schwellen die Lymphknoten an. Auch wenn die Krankheit unentdeckt bleibt, können diese nach vier bis sechs Wochen unbehandelt wieder verschwinden. Aber: Man ist nach wie vor ansteckend!
- Sekundäre Phase: Nach ca. vier bis zehn Wochen setzt die zweite Phase ein, in der sich die Bakterien über die Blut- und Lymphbahnen im Körper ausgebreitet haben. Dadurch kann es zu Fieber, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen kommen. Gegen Ende der sekundären Phase kann ein nicht-juckender Hautausschlag hinzukommen, der sich meist an den Hand- und Fußsohlen bildet. Oft gehen diese Symptome wieder zurück, können jedoch – wenn Syphilis unbehandelt bleibt – immer wieder zurückkehren. Hier gilt ebenfalls: Auch ohne oder abgeklungene Symptome ist man immer noch ansteckend.
- Tertiäre Phase: Wenn die Krankheit weiterhin unentdeckt bleibt, kann die dritte Phase einsetzen. Dieses Stadium kann zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen. So kommt es zu einem kontinuierlichen Abbau von Nervengewebe im Gehirn oder Rückenmark, was Wesensänderungen bis hin zur Demenz hervorrufen kann. Zudem sind häufig weitere Organsysteme betroffen:
- Gehirn
- Nervensystem
- Augen
- Herz
- Blutgefäße
- Leber
- Knochen
- Gelenke
Diagnose und Behandlung
Bei Verdacht führt der Arzt erst eine Anamnese durch, um mehr über die Beschwerden und das Sexualleben des Patienten zu erfahren. Im Anschluss kann der Arzt in einem frühen Stadium die Bakterien in großer Zahl im flüssigen Sekret der Haut-Geschwüre mittels einer Dunkelfeld-Mikroskopie auffinden.
Falls die Syphilis-Erkrankung aber schon weiter fortgeschritten ist oder der Blick unter das Mikroskop nicht ausreicht, werden Antikörper im Blut untersucht. Mithilfe eines Bestätigungstests kann die Krankheit dann eindeutig festgestellt werden.
Nach einer Diagnose verschreibt man dem Patienten ein Antibiotikum, mit dem Syphilis in den ersten beiden Stadien vollständig geheilt werden kann. Zu einem späteren Zeitpunkt ist eine vollständige Genesung – wenn auch nur selten – durch das Medikament nicht immer gewährleistet.
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Eine Infektion von Syphilis vorbeugen
Damit die Infektionszahlen von Syphilis nicht weiter in die Höhe getrieben werden und die Gefahr, sich anzustecken, so gering wie nur möglich bleibt, ist es notwendig sich zu schützen. Zum einen sollte – falls man nicht in einer monogamen Beziehung lebt – der Geschlechtsverkehr nicht ohne zusätzlichen Schutz in Form von Kondomen stattfinden. Um das Ansteckungsrisiko weiter zu senken, sollte man auch beim Oralverkehr nicht auf Kondome verzichten.
Trotz der Verwendung eines Kondoms ist die Übertragung von Syphilis aber nicht vollends ausgeschlossen. Deshalb empfiehlt es sich bei häufigem Wechsel der Sexualpartner sich öfter auf Geschlechtskrankheiten testen zu lassen.
Außerdem gilt: Bei Juckreiz, Brennen oder Ausfluss im Genitalbereich sowie Grippesymptomen sollte man einen Arzt aufsuchen.