26. Juli 2024, 4:21 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Durch das omnipräsente Thema Corona wurden andere Krankheiten in der Wahrnehmung geradezu ins Abseits gerückt. Andererseits könnte die Impfforschung an Corona dazu beitragen, dass andere medizinische Herausforderungen gelöst werden. So wurde ein mRNA-Impfstoff von Moderna gegen HIV an Menschen getestet. Eine weitere Studie fand noch einen weiteren Wirkstoff, der künftig vor der Krankheit schützen soll.
Seit über 40 Jahren plagt das humane Immundefizienz-Virus (HIV) die Menschheit. In den 80er-Jahren war die Infizierung mit HIV gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Denn das HI-Virus führte zu der tödlich verlaufenden Immunschwächekrankheit AIDS. In den 90er-Jahren kamen die ersten Medikamente für Betroffene, die jedoch starke Nebenwirkungen hatten. Erst seit gut 15 Jahren gibt es hochwirksame medikamentöse Therapien, die HIV-Infizierten ein unbeschwertes und langes Leben ermöglichen. Trotz vieler Versuche wurde bislang kein effektiver Impfstoff gegen HIV entwickelt. Doch nun gibt es endlich wieder Hoffnung.
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Übersicht
Warum ist es so schwer, einen Impfstoff gegen HIV zu entwickeln?
Die Pharma-Industrie hat es innerhalb nur eines Jahres geschafft, gleich mehrere wirksame Impfstoffe gegen das Corona-Virus Sars-CoV-2 zu entwickeln. Das ist zwar ein riesiger Erfolg, wirft aber die Frage auf: Warum ist das bei HIV seit 40 Jahren nicht gelungen? Einer der Gründe ist die extrem hohe Wandelbarkeit des HI-Virus. Es verändert sich nicht nur ständig, sondern auch im hohen Tempo. Das führt zu Mutationen vor allem an der Außenhülle des Virus. So war es bislang nicht möglich, einen effektiven Impfstoff zu entwickeln, der vor dem ständig variierenden HIV zuverlässig schützen würde.
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Was macht der mRNA-Impfstoff gegen HIV anders?
Die neuartigen mRNA-Impfstoffe wie BioNTech und Moderna basieren auf der sogenannten Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) und stimulieren so die körpereigene Immunantwort. Diese Vakzine enthalten dank der mRNA Informationen über bestimmte Virusmerkmale – auch Virusantigen genannt. Dank dieser Informationen aus der Impfung kann der Körper anschließend das Antigen selbst produzieren. Dadurch erkennt unser Immunsystem das entsprechende Virus, wenn es in unseren Körper gelangt, und kann so die Infektion schnell und gezielt bekämpfen. Zudem ist es möglich, den Impfstoff genetisch so anzupassen, dass er eben auch die vielen Mutationen erfassen kann.
„Unser experimenteller Impfstoff kombiniert gleich mehrere Merkmale, die die Defizite bisheriger HIV-Vakzinkandidaten ausgleichen“, erklärt der Forscher Anthony Fauci vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID). Fauci gilt als der bekannteste Virologe der USA und gehört zu den Beratern des US-Präsidenten. Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte er mit seinem Forschungsteam die ersten Ergebnisse zu einer Impfung gegen HIV im Fachmagazin Nature.1
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Das sagen erste Forschungsergebnisse
Im ersten Schritt der Studie erhielten zunächst Mäuse den neuartigen mRNA-Impfstoff mit der Bauanleitung für das virale Hüllprotein (EnV) des HIV als erste Dosis. Später bekamen sie Booster-Impfungen, die Informationen für gleich mehrere HI-Virusvarianten enthielten. Außerdem enthielt der Impfstoff den Gencode für ein zweites Virenprotein (Gag). So kann der Körper aus beiden Proteinen (EnV und Gag) virenähnliche Partikel bilden, deren Oberfläche der von natürlichen HI-Viren ähnelt. Die Strategie ging auf: Laut der Studie entwickelten alle geimpften Mäuse die neutralisierenden HIV-Antikörper.
Im zweiten Schritt wurden 14 Makaken gegen HIV geimpft. Sieben von Ihnen bekamen nicht nur die erste Dosis, sondern später auch zwei weitere Booster-Impfungen. Die restlichen sieben Affen blieben als Kontrollgruppe ungeimpft. Obwohl schon der erste Booster für einen deutlichen Anstieg der Antikörper sorgte, ging er schnell wieder zurück. Erst der zweite Booster sorgte für ein stabiles Antikörper-Niveau, berichten die Forscher. Und nach einem halben Jahr wurden bei den Makaken T-Killerzellen und T-Helferzellen gegen HIV nachgewiesen.
Der dritte Schritt erfolgte etwa ein Jahr nach der Immunisierung. Nun wurden den 14 Makaken wöchentlich HI-Viren gespritzt. Die ungeimpften Affen erkrankten im Durchschnitt nach dem dritten Virenkontakt. Während zwei der sieben immunisierten Makaken selbst nach 13 Wochen der HIV-Kontakte keine Infektion zeigten. Die restlichen fünf Affen infizierten sich im Schnitt erst nach dem achten Virenkontakt. Somit hatten die geimpften Tiere ein um 79 Prozent geringeres Risiko, sich mit dem HI-Virus anzustecken.
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Moderna testet Impfstoff gegen HIV an Menschen
Dank der mRNA-Technologie geht es nun Schlag auf Schlag bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen HIV. So verkündete jetzt der Hersteller Moderna zusammen mit der Non-Profit-Organisation IAVI (Internationale AIDS-Impfstoffinitiative) einen angepassten mRNA-Impfstoff gegen HIV an Menschen in der klinischen Phase 1 zu testen.
„Wir freuen uns sehr, diese neue Richtung im Design von HIV-Impfstoffen mit der mRNA-Plattform von Moderna voranzutreiben. Die Suche nach einem HIV-Impfstoff war lang und herausfordernd, und neue Werkzeuge in Bezug auf Immunogene und Plattformen könnten der Schlüssel zu schnellen Fortschritten beim dringend benötigten HIV-Impfstoff sein“, sagte Mark Feinberg, der Vorsitzende von IAVI.2 Besonders dankbar sei er auch der Bill & Melinda Gates Foundation für die Finanzierung dieser Studie.
Bereits im letzten Jahr konnte an Menschen in einer sogenannten „Proof-of-Concept“-Studie gezeigt werden, dass die HIV-Antigene bei 97 Prozent der Teilnehmer die gewünschte Immunantwort hervorriefen. Die aktuelle Studie baut auf der vorherigen auf, indem die Primärversion des Impfstoffs und auch eine Booster-Version getestet und die mRNA-Technologie von Moderna eingesetzt wird. Nun wird an 56 HIV-negativen Erwachsenen die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs untersucht. 48 der Freiwilligen erhalten mindestens eine Dosis des Primärimpfstoffs. 32 von ihnen erhalten auch die Auffrischimpfung (Booster), während die restlichen acht nur den Booster bekommen.
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Lenacapavir gegen HIV
Forscher in Südafrika führten eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie in Phase drei durch – und bieten damit schon eine Lösung gegen das .3 Insgesamt 5338 Frauen aus Südafrika und Uganda nahmen an der Studie teil und erhielten entweder:
- 2134 bekamen alle 26 Wochen durch eine Spritze Lenacapavir verabreicht.
- 2136 Probanden nahmen täglich oral Emtricitabin-Tenofovir-Alafenamid (F/TAF) ein.
- 1068 nahmen täglich oral Emtricitabin-Tenofovir-Disoproxil-Fumarat (F/TDF) ein.
- Subkutaner oder oraler Placebo
Keine Infektionen bei Lenacapavir
Die Forscher kamen zu überraschenden Ergebnissen: In der Lenacapavir-Gruppe erkrankten 0 Personen an HIV, vier Teilnehmer mussten aufgrund von Reaktionen die Studie vorzeitig abbrechen. In den anderen Gruppen gab es durchaus dagegen Personen, die sich mit dem Virus infizierten:
- F/TAF: 39 Teilnehmer erkrankten an HIV.
- F/TDF: 16 Teilnehmer erkrankten an HIV.
Bedeutung der Studienergebnisse
Die Studie zeigt, dass das Verabreichen von Lenacapavir zweimal jährlich vor einer HIV-Infektion schützen kann. Diese Erkenntnis gibt Hoffnung, das Virus eindämmen zu können. Dennoch sollte man beachten, dass sich die Studie lediglich mit weiblichen Personen beschäftigte, die allesamt in Südafrika und Uganda leben. Dadurch könnte es sein, dass die Ergebnisse nicht auf andere Bevölkerungsgruppen zutreffen.
Zudem wurde die Forschung von dem Biotechnologie- und Pharmazieunternehmen Gilead Sciences finanziert, weshalb wirtschaftliche Gründe hinter der HIV-Impfung stecken könnten. Außerdem gab das Unternehmen, dass es auf die Ergebnisse von Tests bei Männern wartet, bevor es die Zulassung zur Verwendung des Impfstoffs beantragen könne.