18. Dezember 2024, 3:22 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sich um seine Gesundheit zu sorgen ist gut – in gesundem Maße. Doch was wäre, wenn aus reiner Achtsamkeit plötzlich Grübelei und ständige Angst wird, krank zu werden? Genau das versteht man unter „Hypochondrie“: die Angst vor dem Kranksein. Dabei achten die Betroffenen extrem auf körperliche Symptome, die dann wiederum als Zeichen ernsthafter und gefährlicher Krankheiten interpretiert werden.
Kopfschmerzen halten sie für einen Hirntumor. Schlägt das Herz schneller, könnte es ein Infarkt sein. Und bei Husten wird gleich COPD oder gar Lungenkrebs vermutet. Doch so schwer krank, wie viele Menschen in ihrer Panik zunächst glauben, sind sie eigentlich nicht. Einige sagen dann, sie seien eben Hypochonder. Und selbst diese Diagnose stimmt häufig nicht. Denn was man umgangssprachlich unter Hypochondrie versteht, ist in vielen Fällen höchstens eine leichte Form dieser Krankheit. Bei der ernsten Variante sprechen Experten von der hypochondrischen Störung – betroffen sind davon aber nur sehr wenige Menschen.
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Übersicht
Welche Merkmale für Hypochondrie gibt es?
Hypochondrie ist eine psychische Störung, die dazu führt, dass Menschen eine übermäßige und anhaltende Angst entwickeln, ernsthaft krank zu sein. Die Betroffenen richten ihre Aufmerksamkeit exzessiv auf körperliche Empfindungen und beschäftigen sich übermäßig mir ihrer Gesundheit. Charakteristisch für Hypochondrie ist, jegliche körperliche Anzeichen als schwere Erkrankungen interpretiert werden. So kann sogar ein leichtes Kribbeln in den Fingern für ein mögliches Anzeichen für Multiple Sklerose gehalten werden. Sogar ärztliche Besuche und Untersuchungen, die zeigen, dass nichts Ernstes vorliegt, können die Betroffenen nicht von der Angst abbringen. Im Gegenteil zweifeln sie die ärztliche Diagnose eher an.1
Herkunft des Begriffs
Hypochondrie ist ein historischer Begriff, der seine Wurzeln im Griechischen hat. So vermuteten die Griechen in der Antike nämlich, dass der Ursprung von Gemütskrankheiten „unter den Rippenknorpeln“ lag. Daher auch die Bezeichnung „hypo“, was „unter“ bedeutet und „chondros“, was sich mit „Knorpel“ übersetzen lässt. Hypochondrie wurde früher auch als Milzsucht bezeichnet, weil die Milz als Verursacher der Beschwerden galt.2
Heutzutage spricht man bei einer Hypochondrie von einer sogenannten „somatoformen Störung“. Sie ist auch als psychosomatische Erkrankung bekannt und umfasst seelische Belastungen, die körperliche Beschwerden hervorrufen – ohne dass eine körperliche Erkrankung vorliegt.
Symptome von Hypochondrie
In der Regel ist eine generelle Angst vor Krankheiten auch bei Menschen verbreitet, die psychisch gesund sind. Diese werden im Normalfall nach einer ärztlichen Untersuchung beruhigt, nachdem bestätigt wird, dass keine schwerwiegende Krankheit vorliegt. Menschen mit Hypochondrie hingegen können nicht akzeptieren, dass nicht für jedes körperliche Symptom eine klare Ursache identifiziert werden kann. Daher kann es sein, dass selbst harmlose Beschwerden die Betroffenen dauerhaft überzeugen können, schwer krank zu sein.
Mögliche Symptome für die Hypochondrie sind:
- Es liegt eine übermäßige Selbstbeobachtung körperlicher Funktionen vor.
- Häufige Arztbesuche, wiederholte Arztwechsel und Zweifel an ärztlichen Befunden.
- Körpersymptome, die eigentlich harmlos erscheinen, werden als Hinweise auf schwere Erkrankungen gedeutet.
- Die Gedanken kreisen ständig um die eigene Gesundheit und mögliche Krankheiten.
Wie häufig tritt Hypochondrie auf?
Männer und Frauen sind etwa gleich häufig von der Angst vor Krankheiten betroffen. Etwa 6 von 100 Menschen in Deutschland leiden an einer milden Form der hypochondrischen Störung. Jedoch können die Ängste bei etwa einer von 100 Personen so stark zunehmen, dass sie behandlungsbedürftig sind und auch den Alltag des Betroffenen erheblich beeinflussen können.3
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Wie viele „Alltagshypochonder“ gibt es?
Hierbei handelt es sich nicht um Menschen, die an der schweren Krankheitsstörung leiden. Alltagshypochonder neigen dazu, ihre körperlichen Empfindungen genau zu beobachten und bereits kleinste Symptome ärztlich abklären zu lassen.4
Ursachen von Hypochondrie
Es gibt unterschiedliche Ursachen und Risikofaktoren, die die Entstehung einer hypochondrischen Störung begünstigen können:
Belastende Ereignisse in der Kindheit
Oft können emotional belastende Ereignisse, die einem im Kindes- oder Jugendalter widerfahren sind, die Entstehung der Störung begünstigen. Dazu zählen etwa schwere Erkrankungen, die innerhalb der Familie oder bei einem selbst festgestellt worden sind und mit negativen Gefühlen verbunden wurden. Vor allem Traurigkeit, Angst und das Gefühl von Bedrohung spielen dabei eine große Rolle.
Ängstlicher Erziehungsstil
Ein weiterer Faktor könnte ein ängstlicher Erziehungsstil sein, bei welchem man körperliche Beschwerden dramatisiert. So lernen Kinder fälschlicherweise bereits früh, dass sogar harmlose Symptome auf eine schlimme Krankheit hinweisen könnten – oder Gesundheit mit völliger Beschwerdefreiheit assoziiert wird.
Belastende Ereignisse im Erwachsenenalter
Häufig sind emotionale Belastungen für Hypochondrie im Erwachsenenalter verantwortlich. Beispielsweise können eigene Erkrankungen, anhaltender Stress oder der Tod eines Angehörigen die allgemeine Angst vor Krankheiten verstärken und somit die Entwicklung der Störung begünstigen.5
Folgen der Erkrankung
Viele Betroffene leiden in Kombination mit den Krankheitsängsten auch an weiteren psychischen Störungen. Diesbezüglich zeigen Studien, dass bis zu 40 Prozent der Betroffenen an Depressionen leiden, die entweder primär oder auch als Folgeerkrankung entstehen können. Ungefähr 20 Prozent entwickeln somatoforme Störungen, bei denen körperliche Beschwerden ohne organische Ursache vorliegen.
Zusätzlich können hypochondrische Ängste oft zu einem bestimmten Krankheitsverhalten führen, das sich durch körperliche Schonung, häufige Arztbesuche und wiederholte Untersuchungen auszeichnet. Auch selbstständige Internetrecherchen können die Ängste fördern. Die Angst kann langfristig durch ständige Selbstuntersuchungen sowie der Rückversicherung bei Familie und Freunde verstärkt werden. Da es grundsätzlich nicht möglich ist, eine hundertprozentige Beschwerdefreiheit zu erreichen, verkürzen sich die angstfreien Phasen und die Hypochondrie wird intensiver wahrgenommen.
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Diagnose und Behandlung
Für eine erfolgreiche Diagnose und Therapie ist die Grundlage wichtig: Diese besteht aus einer vertrauenswürdigen Beziehung zwischen dem Betroffenen und dem Behandelnden. Nur dann können sich die Betroffenen gut aufgehoben und in der Verfassung fühlen, frei über ihre Ängste sprechen zu können. Zunächst muss festgestellt werden, ob der Betroffene körperliche und psychische Erkrankungen vorweist – und etwa mögliche Psychosen auszuschließen.
Nachdem die Diagnose gestellt wurde, sollten Betroffene mit einer psychotherapeutischen Behandlung beginnen. Eine sogenannte Verhaltenstherapie, in der die Betroffenen lernen, aktiv mit ihren Ängsten und Sorgen im Alltag umzugehen, kann hilfreich sein. Dabei hat sie das Ziel, dass die eigene Denkweise hinterfragt und die Aufmerksamkeit vom Körper weggelenkt wird. Zudem sollen sich die Betroffenen nicht länger von der Angst vor schweren Krankheiten beherrschen lassen.
Sollte eine stark ausgeprägte Störung vorliegen, kann die Behandlung schwieriger sein. In diesem Fall kann die Therapie zusätzlich mit bestimmten Medikamenten (wie Antidepressiva) ergänzt werden.6
Mit Material von dpa