4. Juli 2024, 20:02 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Humane Papillomaviren (HPV) sind vor allem als mögliche Verursacher von Gebärmutterhalskrebs bekannt. Doch auch Männer können sich nicht nur mit den Viren infizieren, sondern aufgrund dessen ernsthafte Erkrankungen entwickeln. Entsprechend profitieren auch sie im Kinder- oder Jugendalter von einer Impfung. Das betonte auf FITBOOK-Nachfrage der Gesundheitsexperte Dr. Nobila Ouédraogo.
70 bis 80 Prozent der sexuell aktiven Frauen und Männer infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV. Dabei handelt es sich um ein Virus, das mit Krebs, v. a. Gebärmutterhalskrebs, in Verbindung steht.1 Die Einführung der HPV-Impfung im Jahr 2007 gilt daher als wichtiger Durchbruch in der Krebsprävention. Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt die Impfung bei Mädchen im Alter von neun bis 14 Jahren. Was viele aber womöglich nicht wissen: Seit 2018 gilt eine solche Empfehlung zur HPV-Impfung auch für Jungen in diesem Alter.2 Tatsächlich ist der Schutz vor HPV nicht nur für Mädchen bzw. Frauen, sondern auch für Jungen bzw. Männer wichtig. Genaueres hat uns Dr. Nobila Ouédraogo, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum, erklärt.
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Übersicht
Die Gefahren durch HPV
„Humane Papillomviren (HPV) sind eine Gruppe von Viren, die durch sexuellen Kontakt übertragen werden und sowohl gutartige als auch bösartige Erkrankungen verursachen können“, erläutert Dr. Ouédraogo. „Neben Gebärmutterhalskrebs bei Frauen werden bestimmte Hochrisiko-HPV-Typen mit der Entwicklung verschiedener Krebsarten im Genital-, Anal- und Mund-Rachen-Bereich bei Männern und Frauen in Verbindung gebracht. Niedrigrisiko-HPV-Typen verursachen hauptsächlich Genitalwarzen.“
Darum sollten auch Jungen die HPV-Impfung bekommen
„Jungen sollen gegen Infektion mit HP-Viren geimpft werden“, betont der Experte gegenüber FITBOOK. „Die HPV-Impfung ist für Jungen ebenso wichtig wie für Mädchen.“ Sie schütze vor einer Vielzahl von HPV-bedingten Krebserkrankungen wie Peniskrebs, Analkrebs oder Kopf- und Halskrebs. „Weiterhin trägt sie zum Gemeinschaftsschutz bei, fördert die Geschlechtergleichstellung und bietet langfristige Gesundheitsvorteile, wie die Reduktion der Krankheitslast und die Vorbeugung chronischer Erkrankungen.“
Lesen Sie bei STYLEBOOK, was der Krebsspezialist der Charité über die HPV-Impfung sagt.
Seit 2018 auch die HPV-Impfempfehlung für Jungen
Von 2007 bis 2018 galt die HPV-Impfempfehlung vor allem für Mädchen. Auf Basis neuer wissenschaftlicher Entwicklungen Erkenntnisse habe die STIKO sich 2018 dazu entschlossen, die Impfung auch für Jungen zu empfehlen.
HPV kann auch bei Männern Krebs verursachen
„Studien haben gezeigt, dass HPV nicht nur Gebärmutterhalskrebs bei Frauen verursacht, sondern auch eine Anzahl von Krebserkrankungen bei Männern, einschließlich Analkrebs, Peniskrebs und bestimmte Kopf-Hals-Tumoren“, erklärt Dr. Ouédraogo.
Häufigkeit und Schutzwirkung
Laut des Experten hätten Forschungsdaten gezeigt: „Männer sind ebenso häufig wie Frauen von HPV-Infektionen betroffen. Die Impfung kann helfen, diese Infektionen zu verhindern.“
Gleichwertige Behandlung der Geschlechter
„Die Empfehlung zur Impfung von Jungen trägt zur Geschlechtergleichstellung bei und stellt sicher, dass beide Geschlechter gleichermaßen vor HPV-Infektionen und ihren Folgen geschützt sind“, betont der Wissenschaftler. „Durch die Impfung beider Geschlechter wird die Übertragung von HPV in der Bevölkerung verringert, was zu einem besseren Gemeinschaftsschutz führt.“ Es gehe also darum, die Verbreitung von HPV in der Gesamtbevölkerung zu verringern. Eine Strategie, die viele wohl noch von der Coronapandemie kennen, als das Schlagwort „Herdenimmunität“ in aller Munde war.
Internationale Empfehlungen und Erfahrungen
Andere Länder haben es Deutschland vorgemacht. Dr. Ouédraogo weist darauf hin, dass etwa in Australien, Kanada und den USA die HPV-Impfung bereits früher für Jungen empfohlen wurde. Damit folgten sie der offiziellen Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die zur HPV-Impfung für beide Geschlechter zwecks effektiver Kontrolle von HPV-assoziierten Erkrankungen rate.
HPV-Impfung ist sicher
Laut dem Experten gibt es wissenschaftliche und medizinische Evidenz (Studien) dafür, dass die HPV-Impfung auch bei Jungen wirke und sicher sei. Erkenntnisse, die die Entscheidung der STIKO unterstützten.
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Die HPV-Impfrate bei Mädchen und Jungen in Deutschland
Obwohl die HPV-Impfung sowohl die Gesundheit von Mädchen als auch von Jungen unterstütze, seien laut Dr. Ouédraogo „die HPV-Impfraten in Deutschland sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen nach wie vor niedrig und verbesserungswürdig“. Bundesweit war im Jahr 2021 etwa jedes zweite Mädchen (54 Prozent) und jeder fünfte Junge (27 Prozent) im Alter von 15 Jahren in Deutschland vollständig geimpft“.
Die Daten zeigten zudem „große Unterschiede bei der Inanspruchnahme der HPV-Impfung“, führt der Experte aus. „Sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen sind die HPV-Impfquoten in den östlichen Bundesländern am höchsten.“ Mit etwa 41 Prozent sei sie in Baden-Württemberg am niedrigsten, am höchsten mit etwa 71 Prozent in Sachsen-Anhalt. Bezüglich der HPV-Impfraten hätten andere Nationen Deutschland einiges voraus: „In anderen Ländern wie Großbritannien, Australien und Schweden liegen die Impfquoten sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen bei über 80 Prozent.“
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Mehr Aufklärung!
Bedeutung der Hausärzte
Um die Impfrate zu erhöhen, sei noch viel Aufklärung nötig, betont der Mitarbeiter der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum: „Um die Impfbereitschaft zu erhöhen, ist ein umfassender Ansatz erforderlich, der Aufklärung, Einladung und Erinnerung sowie niedrigschwellige Impfangebote, z. B. in Schulen, umfasst.“
Bei der Aufklärung spielen für Dr. Ouédraogo Hausärzte eine „entscheidende Rolle“. Sie müssten ihre Patientinnen und Patienten aktiv über die Impfung informieren. Dafür sei es natürlich wichtig, dass sie selbst ausreichend über die Wirkung und den Nutzen der HPV-Impfung bei Mädchen und Jungen Bescheid wüssten.
Ärzte müssten Eltern und ihre Kinder darüber aufklären, zu welchen gesundheitlichen Problemen HPV bei Frauen und Männern führen könnten. Mit der Betonung darauf, dass beide Geschlechter betroffen seien, weshalb auch die Impfung für beide von Nutzen sei.
Wann impfen?
Der ideale Zeitpunkt für die Impfung sei vor dem ersten Sex. „Da HPV hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr übertragen wird, wird so ein optimaler Schutz gewährleistet.“ Deshalb lautet die STIKO-Empfehlung, die HPV-Impfung bei Jungen und Mädchen im Alter von neun bis 14 Jahren vorzunehmen. Von gesetzlichen und in der Regel auch den privaten Krankenkassen werden die Impfkosten für diese Altersspanne übernommen. Manche Kassen übernehmen sie auch noch bei 18-jährigen Frauen und Männern.
Wer sich später im Leben noch impfen lassen möchte, ist ebenfalls gut beraten, bei seiner Krankenkasse nachzufragen. Denn nicht selten ist auch bei über 18-Jährigen eine Kostenübernahme durch die Kasse möglich. Interessierte bezahlen dann die Impfung zunächst selbst und können sich anschließend die Kosten erstatten lassen.3
Wie es um Nebenwirkungen steht
Eine laut dem Experten wichtige Information, die Ärzte kennen und weitervermitteln sollten: Die HPV-Impfung habe keine schwerwiegenden langfristigen Nebenwirkungen.
Die Impfstoffe seien gut erforscht und gälten als sicher. „Die häufigsten Nebenwirkungen sind Schmerzen an der Einstichstelle, leichtes Fieber oder Kopfschmerzen, die in der Regel schnell wieder abklingen“, erläutert Dr. Ouédraogo. Zudem gebe es keine Hinweise darauf, dass die HPV-Impfung langfristige Gesundheitsprobleme verursache. Die Überwachung nach Einführung der Impfstoffe habe keine ernsthaften Sicherheitsbedenken ergeben.
Zu guter Letzt war es dem Experten wichtig, zu erklären, dass die HPV-Impfung einen langfristigen Schutz vor HPV-bedingten Erkrankungen biete und das Risiko reduziere, im späteren Leben an Krebs zu erkranken. Dies gelte sowohl für Mädchen als auch für Jungen.