25. November 2020, 14:42 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
US-amerikanische Forscher haben ein Hormon ausgemacht, das bei Menschen (und Mäusen) das Hungergefühl ausschalten können soll. Dieses Wissen könnte künftig für die Behandlung von Adipositas, also Fettleibigkeit, von Nutzen sein. FITBOOK fasst Hintergründe und Erkenntnisse der Untersuchung zusammen.
Es handelt sich um das Hormon Lipocalin-2 (Abk.: LCN2). Dieses ist von Natur aus im menschlichen Körper vorhanden, genauer gesagt wird es in den Knochenzellen gebildet, und konnte auch bei Mäusen festgestellt werden. Zudem kann man das Hormon von außen zuführen – und darin sehen Forscher der New Yorker Columbia University großes Potenzial für die Behandlung von Adipositas.
Studien bestätigen Einfluss von LCN2 auf Hungergefühl
Das Team hat Ergebnisse aus vier früheren Studien zum Thema LCN2 analysiert. Damit lagen ihnen Daten von normalgewichtigen, übergewichtigen und fettleibigen US-Amerikanern und Europäern vor, ebenso vergleichbare Versuche und Untersuchungen mit Mäusen.
Alle der Studien hatten einen ähnlichen Ablauf: Die (menschlichen und tierischen) Probanden erhielten am Morgen eine erste Mahlzeit, danach ermittelten die Forscher den LCN2-Gehalt in deren Blut. Es zeigte sich, dass bei den Normalgewichtigen der LCN2-Spiegel nach dem Essen anstieg – und insbesondere dann, wenn sie mit der Mahlzeit zufrieden gewesen waren.
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LCN2-Spiegel steigt bei Sättigung
Auffällig: Bei Menschen mit Übergewicht und Adipositas war der LCN2-Spiegel nach einer Mahlzeit niedriger. Diese Probanden definierten die Forscher als „Non-Responder“ (steht in der Medizin für jmd., der auf einen Stoff bzw. eine Behandlung nicht anspricht). Oben genannte Probanden, die auf LCN2 reagiert hatten, gelten als Responder.
Ihre Rückschlüsse haben die Forscher im Wissenschaftsmagazin „Science Daily“ veröffentlicht. „LCN2 stellt ein Signal für das Sättigungsgefühl nach einer Mahlzeit dar“, erklärt darin zusammenfassend Hauptautorin Peristera-Ioanna Petropoulou. LCN2 wirke sich auf den Hypothalamus aus, eine bestimmte Region im Gehirn, und folglich auf die Menge der Nahrungszufuhr.
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Körperumfang macht zum (Non-)Responder – und umgekehrt
Verschiedene Parameter hatten den Zusammenhang zwischen Körperfülle und LCN2-Sensibilität sehr deutlich gemacht. Wie es im Abstract weiter heißt, hatten die Non-Responder neben einem größeren Taillenumfang auch einen höheren Body-Mass-Index (BMI) und Körperfettanteil. Sie wiesen zudem weitere Risikofaktoren für Stoffwechselerkrankungen auf, z. B. erhöhten Blutdruck und Blutzucker. Die Responder waren größtenteils normalgewichtig.
Interessant: Auch umgekehrt konnten Neu-Normalgewichtige zum Responder werden. Dies belegten zuvor übergewichtige Probanden, die (teilweise nach einer Magenverkleinerung) abgenommen hatten und fortan wieder stärker auf das Hormon reagierten.
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Echte Chance für die Adipositas-Behandlung?
Die Überlegung ist also, die Nahrungsaufnahme von Übergewichtigen oder Adipösen durch eine gezielte Verabreichung von LCN2 zu regulieren. Diesen Versuch unternahmen die Forscher eine Woche lang mit Affen. Die Tiere hatten das, was sie zu sich nahmen, im Vergleich zu vorher um 28 Prozent reduziert und aßen immer noch 21 Prozent weniger als Affen, die statt LCN2 eine Kochsalzlösung bekommen hatten. Konsequenterweise hätten sich auch das Körpergewicht, der Körperfettanteil und und Blutfettwerte nach nur einer Woche Behandlung verringert.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Hormon den Appetit (…) zügeln kann“, fasst Stavroula Kousteni, ebenfalls von der Columbia University und an der Analyse beteiligt, zusammen. Man wolle zeitnah die nächste Stufe erreichen und den klinischen Einsatz von LCN2 überprüfen.