24. November 2020, 14:42 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Menschen, die das 45. Lebensjahr bereits überschritten haben, sind besonders gefährdet für Geschlechtskrankheiten – und zwar unwissentlich. Das hat eine gemeinsame Studie von Forschern aus Großbritannien, Belgien und den Niederlanden ergeben. FITBOOK fasst die Untersuchungserkenntnisse und deren Erklärungsansätze zusammen.
Sexuelle Aktivität hört mit 45 nicht auf. Ab diesem Alter ist sie aber – zumindest in den Medien – ein unbeliebtes Thema. Darauf weisen Forscher der University of Chichester (England) und weiterer Fakultäten in Belgien und den Niederlanden hin. Sie haben gemeinsam eine Studie zum Thema Geschlechtskrankheiten vorgenommen. Dabei kam heraus, dass Personen zwischen 45 und 65 offenbar besonders gefährdet sind.
Risiko für Geschlechtskrankheiten über 45 besonders hoch
„Services und Informationsmaterial rund um das Thema sexuelle Gesundheit sind heutzutage auf junge Menschen zugeschnitten“. So zitiert das Gesundheitsportal des Nachrichtensenders CNN Tess Hartland, Wissenschaftlerin an der britischen Uni.
Als Menschen, die heute über 45 sind, noch selbst zur Schule gegangen sind, sei die sexuelle Aufklärung weniger ausführlich gewesen. So jedenfalls die Theorie der Studienautoren. Sich aber heute noch Informationen zu besorgen, das wäre der entsprechenden Altersgruppe peinlich. Schuld daran sei die verbreitete Annahme, „Sex im Alter“ existiere nicht.
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Befragung von 800 Frauen und Männern
Folglich unterstellten Hartland und ihre Kollegen, dass die heute 45- bis 65-Jährigen schlichtweg weniger über Geschlechtskrankheiten wüssten. Und in einer Studie konnten sie ihre Vermutung offenbar bestätigen.
Es wurden mehr als 800 Probanden aus Großbritannien, Belgien und den Niederlanden (alle von ihnen zwischen 45 und 65) befragt. Ein Großteil von ihnen habe nicht gewusst, welche sexuell übertragbaren Krankheiten es gebe bzw. welche Gefahren diese mit sich brächten. Zudem konnten sie nicht beantworten, wo sich das zu ihrem Zuhause nächstgelegenes Gesundheitszentrum befindet. Nur die Hälfte der Probanden habe sich im Laufe ihres Lebens überhaupt auf eine Geschlechtskrankheit testen lassen.
„Viele der Probanden haben angegeben, lieber zu ihrem Hausarzt zu gehen als zu einem speziellen Facharzt“, fügt Hartland an. Einem Allgemeinmediziner fehle es jedoch in der Regel an spezifischer Kenntnis über Geschlechtskrankheiten bzw. Frauen- und Männerheilkunde.
Verhütungsmittel haben ausgedient
Hinzukomme, dass etwa ab dem 45. Lebensjahr viele Menschen monogam würden. In einer festen Beziehung sähen sie nicht mehr die Notwendigkeit, sich vor einer Ansteckung zu schützen, erklären die Studienautoren. Zudem entfällt die Notwendigkeit einer Empfängnisverhütung. Frauen kommen durchschnittlich im Alter von 47,5 in die Wechseljahre (= Angabe der „Frauenärzte im Netz“) und können danach auf natürlichem Wege nicht mehr schwanger werden.
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Wichtig: Mehr Aufklärung über Sex im Alter
Die Untersuchung habe zudem die Rolle des gesellschaftlich-wirtschaftlichen Status unterstrichen. Demnach seien Menschen mit Migrationshintergrund und Sprachbarrieren unwissentlich einem größeren Risiko ausgesetzt. Kritisch seien besonders die Voraussetzungen für Obdachlose und Sexarbeiter, die im Falle einer Erkrankung keinen Zugang zu angemessenen Behandlungsmöglichkeiten hätten.
Um die Situation nachhaltig zu verändern, müsse viel Aufklärungsarbeit geleistet und v. a. das Stigma aufgelöst werden, welches den vermeintlich „asexuellen“ Ü-45-Jährigen Hemmungen auferlege. Das Forscherteam arbeitet bereits hieran. Ihre aktuelle Untersuchung ist Teil des Programms SHIFT, welches das Thema sexuelle Gesundheit aus verschiedenen wissenschaftlichen und kulturellen Blickwinkeln beleuchtet.