27. Juli 2023, 11:01 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Es klingt so einfach: Man zieht eine Hautfalte am Handrücken hoch und weiß, nach einem kurzen Moment der Beobachtung, ob der Körper ausreichend mit Wasser versorgt ist – oder man dringend ein Glas trinken sollte. Aber funktioniert das wirklich?
Den Körper mit ausreichend Wasser zu versorgen, ist wichtig. Erst recht im Hochsommer. Doch „überhören“ viele Menschen ihren Durst häufig vor lauter Geschäftigkeit oder Stress. Zum Glück sendet der Körper viele andere Zeichen aus, dass er dringend Flüssigkeit braucht. Eine schnelle und zudem zuverlässige Methode herauszufinden, ob man ein Glas Wasser trinken sollte, kommt da wie gerufen! Immer wieder ist vom sogenannten Hautturgor-Test (engl. „Skin Turgor Test“) in diesem Zusammenhang die Rede. Tatsächlich zeigt dieser Hauttest an, dass man dehydriert ist – das Problem ist, dass dem Körper zu diesem Zeitpunkt bereits gefährlich viel Wasser fehlt. Ein Mediziner über bessere Methoden, um den Hydrationsstatus des Körpers zu überprüfen.
Überblick
- Hautturgor – was ist das?
- Dehydriert oder nicht? So funktioniert der Hauttest
- Dehydriert? Das sagt ein Mediziner zum Hautklemmtest
- Es gibt bessere Anzeichen für den Hydrationsstatus des Körpers
- Einfache Formel, mit der jeder seinen individuellen Flüssigkeitsbedarf ausrechnen kann
- Fazit – Hautturgor-Test nicht sinnlos, aber es gibt eine bessere Methode
- Quellen
Hautturgor – was ist das?
Als Hautturgor wird die Elastizität der Haut bezeichnet, die sich durch den Widerstand der Haut beim Kneifen zeigt. Je weniger Flüssigkeit die Haut enthält, desto weniger elastisch ist das Gewebe.
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Dehydriert oder nicht? So funktioniert der Hauttest
Der Hautturgor-Test offenbar sehr einfach, so zumindest legt es ein TikTok-Video nahe. Man nimmt seine Hand, legt sie vor sich hin und zupft mit zwei Fingerspitzen die Haut über dem mittleren Fingerknöchel vorsichtig nach oben. Dann hält man für drei Sekunden fest – und lässt los. Zieht sich die Haut daraufhin unmittelbar wieder in ihren vorigen Zustand zurück, ist die Haut mit ausreichend Wasser versorgt. Bleibt die Hautfalte allerdings nach dem Loslassen in der hochgezogenen bzw. aufgespannten Position regelrecht stehen, ist sie dehydriert – und es ist allerhöchste Zeit für ein großes Glas Wasser.
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Dehydriert? Das sagt ein Mediziner zum Hautklemmtest
„Es stimmt, die Haut reagiert auf Flüssigkeitsmangel vergleichsweise schnell mit Trockenheit“, bestätigt Sportmediziner Dr. Michael Despeghel gegenüber FITBOOK. Der Hauttest könne also tatsächlich recht zuverlässig anzeigen, ob man dehydriert ist. Dennoch bräuchte es ungefähr 24 bis 48 Stunden, bis sich der Effekt bemerkbar macht – und genau darin sieht der Experte ein Problem: „Büßt die Haut derart an Elastizität ein, fehlen dem Körper drei bis vier Liter Wasser.“ Das heißt also: Fällt der Haut-Zupf-Test am Handrücken positiv aus (die Hautfalte bleibt also „stehen“ nach dem Loslassen), ist der Organismus bereits im Alarm-Zustand, was im Zweifel gefährlich werden könnte. Laut der National Library of Medicine der USA kann ein Mangel an Hautturgor ein Zeichen für einen „mäßigen bis schweren Flüssigkeitsverlust“ sein1. Dort wird „mäßig“ mit 10 Prozent des Körpergewichts definiert. Der Hauttest zeigt also eine Dehydration an – aber diese könnte bereits zu einem medizinischen Notfall führen. Heißt: So weit darf es gar nicht erst kommen!
Es gibt bessere Anzeichen für den Hydrationsstatus des Körpers
Auch wenn sich kein wirklicher Durst regen sollte, macht der Körper bei Dehydration lange vorher auf sich aufmerksam, so der Experte. Zum Beispiel durch dunklen Urin, trockene Lippen, Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwierigkeiten. „Wann immer eines dieser Symptome auftritt, ist Trinken immer die erste Maßnahme“, warnt der Mediziner im Gespräch mit FITBOOK. Wer erst abwartet, bis die Haut „stehen“ bleibt, tut sich und seiner Gesundheit keinen Gefallen. Und noch etwas: Ab dem zwanzigsten Lebensjahr verliert die Haut ohnehin nach und nach an Elastizität. Das heißt: Besagter Hautfalten-Test hat bei älteren Personen kaum Aussagekraft.
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Einfache Formel, mit der jeder seinen individuellen Flüssigkeitsbedarf ausrechnen kann
Statt sich mit allzu simplen Tests auf Dehydration zu überprüfen, fährt man laut Despeghel mit Vorsorge besser: „Es geistern ja viele Angaben herum, wie viel Wasser ein Mensch pro Tag trinken sollte. Mal sind es 1,5 oder 2,5 Liter. Vergessen Sie das!“ Der Meidziner nennt eine Mini-Formel, mit der jeder Mensch seinen individuellen Flüssigkeitsbedarf berechnen kann (und das ist wirklich ganz einfach!). „40 Milliliter pro Kilo Körpergewicht pro Tag“. So braucht beispielsweise eine 70-Kilo-Person täglich 2,8 Liter Flüssigkeit. Wer 80 Kilogramm auf die Waage bringt, benötigt demnach 3,2 Liter Wasser.
Fazit – Hautturgor-Test nicht sinnlos, aber es gibt eine bessere Methode
Völlig nutzlos ist der Dehydrations-Test mit dem Hautklemmen nicht. „Clips wie diese rücken wieder in den Fokus, wie wichtig es ist, ausreichend zu trinken. Sie bewirken, dass Menschen sich Gedanken darüber machen. Das ist eigentlich eine gute Sache“, meint Despeghel gegenüber FITBOOK. Knackpunkt: Der Hautturgor-Test zeigte eine Dehydrierung an, die bereits (zu) weit fortgeschritten ist und zu einem medizinischen Notfall führen könnte. Ratsam ist es daher, eine bereits leichte Dehydrierung zu erkennen – und zwar indem man die Farbe des Urins überprüft. Ist er dunkelgelb, hat man einen eindeutigen Grund dafür, ein großes Glas Wasser zu trinken. Bei blassgelbem Urin ist alles in Ordnung.
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Quellen
- 1. National Library of Medicine: „Skin turgor“ (aufgerufen am 26.07.2023)