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Nachgefragt beim Orthopäden

Was bringen Haltungstrainer für einen geraden Rücken?

Rückenprobleme durch langes Sitzen
Viele Menschen sitzen zu viel und bekommen Rückenbeschwerden. Sogenannte Haltungstrainer sollen Abhilfe schaffen können ... Foto: Getty Images
Nina Ponath
Freie Autorin

1. November 2023, 11:15 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Man sieht sie überall: auf Temu, Wish, TikTok und Instagram schwärmen Influencer und solche, die noch welche werden wollen, von sogenannten „Haltungstrainern“ – Rückengurte, die angeblich die Haltung verbessern und so zu einer gesunden Körperhaltung beitragen sollen. Aber ist das wirklich so einfach? FITBOOK-Autorin Nina Ponath hat bei einem Orthopäden nachgefragt.

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Seit einiger Zeit tauchen in meinem Social Media Feed immer wieder – ich sage mal – merkwürdige „Accessoires“ auf, die mich auf den ersten Blick an das Hinterteil eines kaputten Rucksacks oder die Trägerriemen einer Lederhose erinnerten. Bei näherem Hingucken habe ich irgendwann entdeckt, dass es sich bei dem nicht identifizierbaren Teil offenbar um einen Rückengurt handelt. Dem allwissenden Algorithmus der sozialen Netzwerke ist anscheinend nicht entgangen, dass ich inzwischen nicht mehr ganz so frische 35 Jahre alt bin und so perfekt zur viel sitzenden Zielgruppe der Rückenschmerz-Patienten gehöre. Rückengurte oder auch Haltungstrainer sollen ihren Trägern zu einer besseren Körperhaltung verhelfen und so Rückenprobleme vorbeugen. Inwieweit das wirklich funktioniert, habe ich mir von dem Münchener Orthopäden Dr. Martin Marianowicz erklären lassen.

Was ist ein Haltungstrainer?

Haltungstrainer sind Rückengurte, die über die Schulter gespannt werden und von dort, auf Spannung gebracht, für einen aufrechten Rücken und eine gerade Körperhaltung sorgen sollen. Den Gurt kann man unter oder über der Kleidung tragen, er soll Haltungsfehler wie z. B. einen Rundrücken beheben. Während wir am Schreibtisch sitzen, werden die Schultern nach hinten gezogen und wir sind dazu gezwungen, aufrecht zu sitzen. Die Gurte gibt es von diversen Anbietern und kosten zwischen 20 und 40 Euro. Langfristig sollen die Rückengurte sogar Probleme, wie Rücken-, Schulter- oder Nackenschmerzen, vorbeugen, da Schmerzen meist auf eine schlechte Körperhaltung zurückzuführen sind.

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Warum überhaupt Haltungstrainer?

Viele von uns sitzen viel zu viel. Bei dem typischen Bürojob bewegen wir uns kaum, während wir den ganzen Tag über auf den Bildschirm starren, und irgendwann über Rückenprobleme klagen. Rundrücken, Schulterschmerzen oder ein Bandscheibenvorfall – die Liste an Beschwerden ist lang. Ein Haltungstrainer soll dabei helfen, eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen. Da Rücken und Schultern beim Sitzen so in eine aufrechte Position gezwungen werden, sollen – so die Theorie – Probleme gar nicht erst entstehen können. „Völliger Quatsch!“, sagt jedoch Orthopäde Dr. Martin Marianowicz aus München auf FITBOOK-Nachfrage. Seiner Meinung nach versuche man, mit Haltungsgurten Profit aus der natürlichen Faulheit von uns Menschen zu schlagen. „Wir Menschen wollen ungern etwas für die Gesundheit tun und Aufwand damit haben“, sagt der Orthopäde. Ein Rückengurt wecke hier die falsche Hoffnung, ganz ohne eigenes Zutun etwas für die Gesundheit tun zu können. Ganz so einfach ist das aber (leider) nicht.

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Die Einschätzung des Experten

„Haltungstrainer sind völlig kontraproduktiv“, sagt Orthopäde Dr. Martin Marianowicz, „so etwas nutzt man in der Medizin eigentlich seit dreißig Jahren nicht mehr.“ Früher hätten Ärzte noch häufig Rückengurte und ähnliche stabilisierende Maßnahmen verschrieben. Heute wisse man aber, dass bei Rückenleiden leichte Aktivitäten wie Spazieren, leichtes Joggen oder Schwimmen die weitaus bessere Wahl als Passivität sind. „Bei mir bekommt keiner einen Gurt, sondern derjenige geht ins Training!“, sagt Dr. Martin Marianowicz. Bewegung lockere verspannte Muskeln, gezieltes Krafttraining helfe dabei, eine gesunde Körperhaltung einzunehmen. Gurte, die den Körper dazu zwingen, gerade zu sitzen, würden im schlimmsten Fall sogar schädlich wirken.

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Das hilft wirklich gegen Rundrücken

Wenn ein Haltungstrainer keine Maßnahme für eine aufrechte Körperhaltung ist, was kann man dann dafür tun? Wenn es nach Experten Dr. med. Martin Marianowicz geht, helfen hier nur zwei Dinge: „Gegen einen Rundrücken helfen Physiotherapie mit Mobilisierung und eine muskuläre Stabilisierung an Geräten oder computergestütztes Training.“ Ein gezieltes Training der Muskulatur verhindere Rückenprobleme und eine falsche Haltung.

Sollte man überhaupt einen Haltungstrainer verwenden?

„Es mag sein, dass es ältere Menschen gibt, bei denen Trainingsmaßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können“, sagt der Orthopäde, „ich würde dies nur in absoluten Ausnahmefällen tun.“

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Bewegung statt Hilfsmittel

Sportmediziner und Orthopäde Dr. med Martin Marianowivz rät vom Tragen eines Rückengurts also entschieden ab. Die Gurte verführten dazu, sich auf der faulen Haut auszuruhen und sich in vermeintlicher Sicherheit zu wägen, während man im Büro sitze und der Rücken Schaden nehme. Eine effektive Methode für eine aufrechte Haltung und einen gesunden Rücken sind stabilisierendes Krafttraining und Mobilisierung. Ganz ohne eigenes Zutun geht es dann halt doch nicht.

Themen Rückenschmerzen

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