23. November 2022, 11:18 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Unter den Blutfetten gibt es das gefürchtete „schlechte“ Cholesterin, das bei erhöhten Werten verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen kann. Daneben soll das „gute“ Cholesterin dem Gesundheitsrisiko zu einem gewissen Maß entgegenwirken können. So zumindest der bisherige Stand der Wissenschaft – und genau den prangern US-amerikanische Forscher nun auf Basis einer Untersuchung an. Lesen Sie mehr dazu bei FITBOOK.
HDL, LDL und Triglyceride – alles Parameter, die auch Laien im Zusammenhang mit Cholesterinwerten schon gehört haben dürften. Viele von ihnen hat womöglich bereits ein Arzt beruhigt, wenn einer der genannten Werte – das vermeintlich unbedenkliche HDL – auf ihrem Blutbild erhöht war. Ein US-amerikanisches Forscherteam will den Zeiten der Beschwichtigung nun ein Ende machen. Denn in ihrer Studie habe sich gezeigt, dass es das „gute“ Cholesterin womöglich gar nicht gibt.
Übersicht
Forscher hinterfragen Existenz von „gutem“ Cholesterin
Forscher verschiedener Fakultäten sind demnach in einer gemeinsamen Untersuchung der Frage auf den Grund gegangen, auf welche konkrete Weise das HDL sich (positiv) auf die kardiovaskuläre Gesundheit auswirken soll. Die vom National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) mitfinanzierte Studie erschien kürzlich in der Fachpresse.1
Erklärung zur Studiengrundlage
Man erklärt es für gewöhnlich so. Das „schlechte“ Lipoprotein LDL transportiert den fettartigen Naturstoff Cholesterin aus der Leber in verschiedene Gewebe, wodurch es zu Fettablagerungen in den Blutgefäßen (und zu entsprechenden Folgeerkrankungen) kommen kann. Das vermeintlich „gute“ HDL transportiere eben jenes Cholesterin wieder zurück. Es bewirke so, dass es über die Galle aus dem Körper ausgeschieden werden kann. Zu niedrige HDL-Werte werden daher in der Medizin ähnlich kritisch bewertet wie zu hohe an LDL, ein Plus an HDL gilt dagegen als günstig. „Unsere Untersuchung hat diese Annahme überprüft“, erklärt dazu Studienautorin Nathalie Pamir in einer Pressemitteilung.2
Dabei habe das Team seinen Fokus auch auf etwaige Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben gelegt. In früheren Untersuchungen, etwa aus den 1970 Jahren, habe man mit einer Mehrheit an weißen Probanden gearbeitet. Pamir sei es nun darum gegangen, die damaligen Erkenntnisse auf ihre Allgemeingültigkeit zu überprüfen.
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Ablauf der Studie
Die Forscher analysierten rund 24.000 Daten aus der Reasons for Geographic and Racial Differences in Stroke Study (REGARDS) analysiert. Es handelt sich hierbei um eine Langzeitstudie mit Gesundheitsinformationen eines Querschnitts der US-amerikanischen Bevölkerung mit dem Augenmerk auf das allgemeine Schlaganfallrisiko sowie begünstigende Faktoren.
Für ihre Studie wählten Pamir und ihr Team Probanden im jungen Erwachsenenalter mit ähnlichen gesundheitlichen Vorgeschichten aus, die sich alle zwischen 2003 und 2007 bei REGARDS eingeschrieben hatten. Dabei fokussierten sie, wie sich die dokumentierten Cholesterinwerte auf die kardiovaskuläre Gesundheit der Probanden ausgewirkt hatten. Zu Beginn der Datensammlung hatte keiner von ihnen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gelitten.
Beobachtungen
In Verlauf von elf Jahren erlitten 664 der Schwarzen und 951 der Weißen Probanden einen Herzinfarkt, manche von ihnen mit Todesfolge. Was sie alle gemeinsam hatten: erhöhte LDL- sowie Triglycerid-Werte, wie sie für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko sprechen.
Überraschender dagegen war die uneinheitliche Darstellung der HDL-Werte. So konnte lediglich bei den Weißen Probanden der Studie ein niedriger HDL-Wert festgestellt und daraus entsprechend ein erhöhtes Erkrankungsrisiko abgeleitet werden. Die Forscher folgerten daraus, dass zumindest bei Schwarzen Erwachsenen ein höherer HDL-Wert keine Entwarnung hinsichtlich der Gefahr für kardiovaskuläre Ereignisse bedeuten.
Geänderter „Risikovorhersage-Algorithmus“ gefordert
Die Forschungsleiterin sieht in den Ergebnissen eine enorme Bedeutung für die medizinische Praxis. Sie hoffe auf einen veränderten „Risikovorhersage-Algorithmus“ – Ärzte sollten Patienten mit hohen HDL-Werten nicht automatisch günstige Prognosen aussprechen. Zumal bereits frühere Untersuchungen darauf hingewiesen haben sollen, dass auch bei Weißen höhere HDL-Cholesterinwerte nicht automatisch für ein reduziertes Erkrankungsrisiko sprechen.
Deshalb steht für Pamir fest: Es müssen entsprechend andere, allgemeiner gültige Parameter her, an denen das Erkrankungsrisiko objektiv ermittelt werden könnte.
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Noch viele Fragen offen
Es sei auch noch vieles unbeantwortet. So sind die Forscher in einem weiteren Untersuchungsteil per Mikroskop eingehender auf die Eigenschaften des HDL-Cholesterins eingegangen. Auch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Proteinen, die beim Weitertransport von Cholesterin eine Rolle spielen sollen, wurden beleuchte – ohne aussagestarke Erkenntnisse. „Die Ergebnisse legen nahe, dass ein tieferes Eintauchen in die Epidemiologie des Fettstoffwechsels nötig ist“, so Sean Coad, Leiter der Abteilung Epidemiologie beim NHLBI.
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Quellen
- 1. N. Zakai, J. Minnier, M. Safford, et. al. (2022), Race-Dependent Association of High-Density Lipoprotein Cholesterol Levels With Incident Coronary Artery Disease, Journal of the American College of Cardiology.
- 2. NIH/National Heart, Lung and Blood Institute. (2022), Study challenges “good” cholesterol’s role in universally predicting heart disease risk, EurekAlert! (aufgerufen am 23.11.2022)