28. Oktober 2024, 20:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Gewichtsdecken, auch als Gravity-Decken bekannt, sollen Schlaflosigkeit entgegenwirken können. Doch ist das eine Marketing-Falle oder können diese wirklich die Schlafqualität erhöhen? Das untersuchten schwedische Forscher und kamen zu dem Schluss, dass die bis zu zwölf Kilogramm schweren Decken die Nachtruhe deutlich verbessern.
Sogenannte Gewichtsdecken oder Gravity-Decken findet man im Netz auch als „Therapiedecken“ zur Behandlung von Schlafproblemen. Aber wie funktioniert diese? Anbieter erklären den schlaffördernden Effekt mit dem Tiefendruck, den das Auflegen der schweren Zudecken erzeugt. Das Gehirn des Anwenders empfange dabei ein Signal, welches vergleichbar sei mit dem einer liebevollen Umarmung. Er komme dadurch zur Ruhe und schlafe besser durch. Aber funktioniert das wirklich? Dieser Frage sind Forscher des Karolinska-Instituts in Solna bei Stockholm nachgegangen.
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Übersicht
Studie mit Schlafstörungs-Patienten
Das Team um Studienleiter und Psychiater Dr. Mats Adler arbeitete mit 120 Menschen zusammen, die an einer psychischen Erkrankung (schwere Depression, Angststörungen oder eine bipolare Störung) litten.1 Sie alle beklagten als eines ihrer Symptome Schlaflosigkeit über einen Zeitraum von mehr als 2 Monaten; und als Folge davon u.a. Abgeschlagenheit sowie Konzentrationsschwierigkeiten am Tag. Als Ausschlusskriterien galten aktiver Drogenmissbrauch, übermäßiger Gebrauch von Schlafmitteln und Krankheiten, die die kognitiven Funktionen beeinträchtigen, wie z. B. Demenz oder Schizophrenie.
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So lief die Untersuchung ab
Für ein valides Ergebnis wurden die Probanden randomisiert in Gruppen aufgeteilt. Gruppe eins schlief für einen Zeitraum von insgesamt vier Wochen jede Nacht mit einer Gewichtsdecke. Die andere (Kontroll-)Gruppe bekam eine normal gewichtige Decke aus Kunststoff. Teilnehmer der Gruppe eins erhielten eine 8-Kilogramm-Gewichtsdecke – falls sie diese jedoch als zu schwer empfanden, gab man ihnen eine 6-Kilogramm-Gewichtsdecke. Mithilfe von aktigraphischen Aufzeichnungen, die mit einem Sensor am Handgelenk erfasst wurden, untersuchte man die Aktivitäts- und Ruhezyklen tagsüber und im Schlaf.
In bestimmten Abständen bewerteten die Teilnehmer während des Erhebungszeitraums mithilfe des sogenannten ISI-Selbstberichts (Insomnia Severity Index) ihren Schlaf. Dieses 7-Punkte-System fragt Informationen zu Einschlafschwierigkeiten, Durchschlafproblemen, mit dem Schlafproblem verbundene Symptome am Tag und die Sorge, zu wenig zu schlafen, ab. Des Weiteren ermittelte man die Auswirkungen von Schlafproblemen auf die Lebensqualität und die Funktionsfähigkeit während des Tages mit dem Fatigue Symptom Inventory. Zusätzlich führten die Probanden Tag- und Nachttagebücher.
Nach 4 Wochen: Besserer Schlaf dank Gewichtsdecke
Zwischenstand nach vier Wochen: Die Probanden, die mit einer Gewichtsdecke geschlafen hatten, konnten damit besser durchschlafen und fühlten sich im Tagesverlauf besser und erholter als vor Beginn der Studie. Verschiedene ihrer Krankheitssymptome (= depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit, Abgeschlagenheit) sollen sich verbessert haben. In Zahlen ausgedrückt sei bei den Probanden der Gewichtsdecken-Gruppe die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Schlaflosigkeit um die Hälfte reduzierte, 26 Mal höher als bei der Kontrollgruppe, so die Forscher. Die Chance, dass die Schlafstörungen vollständig verschwanden, sei immer noch 20 Mal höher gewesen.
Follow-up-Studie bestätigt das Ergebnis
Im Anschluss an den ersten Untersuchungsteil begann die 12-monatige Nachverfolgungsphase. In dieser Zeit hatten die Probanden die Wahl, mit welcher Art von Decke sie schlafen wollten. Die meisten von ihnen entschieden sich für eine Gewichtsdecke. Von den Studienteilnehmern, die im zweiten Untersuchungsteil auf eine Gewichtsdecke umgestiegen waren, sollen nach spätestens einem Jahr rund 92 Prozent von einer deutlichen Verbesserung ihrer Schlafqualität berichtet haben. Bei 78 Prozent sollen die Schlafstörungen gänzlich verschwunden sein.
Studienleiter Alder vermutet die oben angesprochene Druckausübung als Erklärung für den schlaffördernden Effekt. Er sei vergleichbar damit, was durch eine gezielte Akupressur und Massagegriffe auf verschiedene Stellen des Körpers passiert.
„Meine Gewichtsdecke ist zum Schlafen eher ungeeignet“
„Vor einigen Jahren habe ich von Freunden eine Gewichtsdecke geschenkt bekommen. Sie wiegt ungefähr 13 Kilogramm und ist damit ziemlich schwer. Ich schätze ihre angenehme, beruhigende Wirkung und benutze sie meistens auf dem Sofa beim Fernsehen. Zum Schlafen finde ich sie eher ungeeignet, da sie dafür einfach zu schwer und gleichzeitig nicht warm genug ist. Da sie bei mir sehr präsent auf der Couch liegt, wollen alle, die zu Besuch kommen, diese Decke immer kurz ausprobieren. Dabei höre ich oft, dass sie den meisten zu schwer ist und sie schnell wieder loswerden wollen. Apropos schwer: Manchmal benutze ich die Decke auch zum Heimtraining. Das ist wahrscheinlich nicht im Sinne des Erfinders, aber trotzdem ganz praktisch.“
Schweres Gewicht der Decke nicht für jeden angenehm
Allerdings hatte ein Teilnehmer die Untersuchung aufgrund intensiver Angstgefühle vorzeitig abgebrochen. Möglich also, dass das für eine Zudecke ungewohnt schwere Gewicht nicht jedem angenehm ist und vielleicht sogar Unwohlsein hervorrufen kann. In dem Fall wäre eine Verbesserung von Schlaflosigkeit oder -störungen eher unwahrscheinlich. Ob Gewichtsdecken bzw. Gravity-Decken wirklich den gewünschten Zweck erzielen, das muss jeder Anwender individuell für sich herausfinden.
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Einordnung der Studie
Die Studie zeigt, dass Gewichtsdecken durchaus die Schlafqualität verbessern können. Allerdings fiel die Wahl der Probanden durch das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung sehr speziell aus. Demnach ist nicht klar, ob Personen, die ohne eine derartige Krankheit an Schlafproblemen leiden, ebenfalls einen positiven Effekt wahrnehmen. Außerdem ist die Studiengröße mit 120 bzw. 119 Personen sehr klein, wodurch die Ergebnisse möglicherweise nicht auf die breite Masse zutreffen.