Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für Fitness, Gesundheit und Ernährung
Laut Studie

Mit bestimmten Gerüchen das Hirn im Schlaf trainieren – geht das?

Kann man im Schlaf das Gehirn trainieren mit Gerüchen?
Duftstoffe können sehr einfach helfen, neu Gelerntes im Schlaf besser zu speichern. Aber können sie auch das Gehirn vor altersbedingtem Leistungsabfall schützen? Foto: Getty Images
Anna Echtermeyer
Redakteurin

3. August 2023, 15:13 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Den Faden verlieren, leicht ablenkbar sein, sich nicht gut auf eine Aufgabe konzentrieren können und die Orientierung schnell verlieren: Bei den meisten Menschen schleichen sich diese Dinge im Alter ein. Ein Heilmittel gegen solche leichten kognitiven Störungen gibt es derzeit nicht – oder haben wir einen vielversprechenden Ansatz bisher übersehen?

Artikel teilen

Was riechen Sie, wenn Sie ins Bett gehen oder einschlummern? Nehmen Sie Gerüche wahr, wenn Sie nachts aufwachen? Oder haben Sie gar eine angenehme Duftquelle auf Ihrem Nachttisch stehen? Dann tun Sie womöglich etwas Gutes für die Lern- und Gedächtnisfähigkeit Ihres Gehirns. Denn der Kontakt mit bestimmten Düften während des Schlafs steigert die kognitiven Funktionen – so das Ergebnis einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Frontiers in Neuroscience“ erschienen ist. Kann man im Schlaf mit Gerüchen das Gehirn trainieren?

Kontakt mit Düften im Schlaf steigerte kognitive Funktionen deutlich

Eine um 226 Prozent verbesserte Lern- und Merkfähigkeit sowie eine verbesserte Funktionsfähigkeit im linken Fasciculus uncinatus – einem Teil des Großhirns, der für das Langzeitgedächtnis und die auditive Sprachverarbeitung relevant ist – so lautet das erstaunliche Ergebnis einer Studie, die Forschende der University of California mit 43 Männern und Frauen zwischen 60 und 85 Jahren durchgeführt haben.1

Duft-Diffusor mit ätherischen Ölen

Basierend auf Studien, die eine positive Wirkung von Duftstoffen auf Menschen mit Demenz gezeigt haben (der Geruchssinn ist unmittelbar mit den Gedächtnisschaltkreisen des Gehirns verbunden), wollte man hier herausfinden, ob auch ältere Erwachsene ohne eine solche Diagnose bzw. mit einer normalen kognitiven Leistungsfähigkeit diese verbessern können.

Dafür wurden sie über einen Zeitraum von sechs Monaten verschiedenen Gerüchen ausgesetzt, während sie schliefen. Alle Teilnehmer erhielten einen Aroma-Diffusor, den man für eine Laufzeit von zwei Stunden mit ätherischen Ölen verwenden kann. Sie sollten ihre Diffusoren im Schlafzimmer jede Nacht abwechselnd mit einem von insgesamt sieben Düften laufen lassen: Rose, Orange, Eukalyptus, Zitrone, Minze, Rosmarin und Lavendel. Ein Teil der Gruppe Fläschchen erhielt, die nur mit Spuren von Duftstoffen befüllt, aber gleich beschriftet waren. Natürlich wussten die Teilnehmer nicht, in welcher Gruppe sie sich befanden.

Auch interessant: 5 Schlaf-Hacks aus aller Welt 

Wer die Luft im Schlaf mit Düften anreicherte, schnitt im Merkfähigkeitstest deutlich besser ab

Vor Studienbeginn und nach dem halben Jahr wurde bei allen Teilnehmer ein MRT gemacht und sie absolvierten einen VLMT-Test. Dabei handelt es sich um den verbalen Lern- und Merkfähigkeitstest „Auditory Verbal Learning Test“, bei dem man zwei Wortlisten mit je 15 Wörtern erhält, welche man sich merken und nach einer halben Stunde auf einer weiteren Liste mit insgesamt 50 Wörtern wiedererkennen muss.

Im Ergebnis schnitten die Teilnehmer, die nachts echten Düften ausgesetzt waren, signifikant besser ab (Unterschied von 226 Prozent gegenüber der Kontrollgruppe, also viermal so gut). Im MRT zeigten sich nach der Studiendauer bei den schlafenden Duft-Exponierten verdichtete Faserverläufe des Fasciculus uncinatus – ein Nervenfaserbündel, welches Teile des Temporallappens mit Teilen des präfrontalen Cortex verbindet und u.a. besonders aktiv ist, wenn wir auf unser Langzeitgedächtnis zurückgreifen.

Im Schlaf mit Gerüchen das Gehirn trainieren – das sagt ein Schlafmediziner dazu

Schlafen wir, schläft unser Gehirn nicht. Es finden Lern- und Gedächtnisprozesse statt, das Langzeitgedächtnis wird gebildet. Und unsere Sinnessysteme sind mit der Umwelt weiterhin verbunden, wenn auch reduziert. Das ist sinnvoll, weil Schlaf in der Vorzeit in hochgefährlicher Zustand war. Aber kann man durch Anreicherung der Luft mit Duftstoffen im Schlaf das Gehirn trainieren? Ist es tatsächlich so einfach, wie es uns die Ergebnisse dieser Studie sagen? Sollten wir im Alter dazu übergehen, im Schlaf unseren Geruchssinn zu provozieren, um unsere Lern- und Merkfähigkeit zu verbessern? Schlafmediziner Dr. Hans-Günter Weeß hat keinerlei Bedenken, dass das funktioniert.

Entspannungsverfahren unter Lavendelduft verringern die Albtraumneigung

„Wir wissen aus Experimenten, dass wir durch Duft den Schlaf nicht negativ beeinflussen“, erklärt die Koryphäe aus dem Bereich der Schlafforschung und Autor von „Schlaf wirkt Wunder – Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens“ (Droemer Verlag) im Gespräch mit FITBOOK. Im Gegenteil: Experimente hätten gezeigt, dass Entspannungsverfahren (im Wachzustand) unter Lavendelduft den Schlaf verbessern im Sinne von besserer Entspannung, wenn man sich im Schlaf dem Duft erneut aussetze. Außerdem verringere diese Maßnahme die Albtraumneigung, so Weeß.

Wichtig sei für die Wirkung aber, wie sympathisch uns ein Duft ist. Weeß: „Wenn mir ein Geruch unsympathisch ist, habe ich keine positiven Assoziationen, auch nicht im Schlaf.“ Lavendel- oder Minzduft, die auch im Schlaf-Experiment zum Einsatz kamen, würden bspw. von sehr vielen Menschen als angenehm empfunden, so Weeß. Es gibt sie rezeptfrei in der Apotheke zu kaufen.

Auch interessant: Die unterschätzte heilende Wirkung von Lavendel auf die Psyche

Die Frage ist: Was passiert im Schlaf auf neuronaler Ebene?

Zurück zur Studie: Dass die olfaktorische Stimulation während des Schlafes Lernprozesse begünstigen kann, wäre aus Sicht des Experten etwas Neues. „Es scheint so zu sein, dass sich durch den Duft im Schlaf auf neuronaler Ebene die Zellaktivität erhöht“, erklärt Weeß FITBOOK. Für den Mediziner ein interessanter Befund – dem er allerdings wenig lebenspraktische Relevanz beimisst. „Eine Studie ist keine Studie, der Befund hat sich damit noch nicht erhärtet. Und hilft dieser dem Einzelnen überhaupt? Was bringt es denn ganz konkret, wenn man sich durch eine Provokation des Geruchssinns im Schlaf drei Vokabeln mehr merken kann?“, stellt Weeß in den Raum.

Wichtiger, als im Schlaf das Gehirn zu trainieren, ist…

Die Optimierung des Schlafes – ein schwieriges Thema, mit dem auch viel Geld gemacht wird (Stichwort: Stirnbänder, die die Schlafphasen tracken und uns dann ein Prozent mehr Tiefschlaf bringen etc.). Weeß hält all das für ziemlich unwichtig. Entscheidend sei etwas anderes: „Wenn wir uns tiefenentspannt in unsere Betten kuscheln, kann der Schlaf seine Aufgaben erfüllen, etwa das Langzeitgedächtnis bilden.“ Wobei wir wieder bei der kognitiven Leistungsfähigkeit sind.

Entscheidender für deren Erhalt als irgendwelche Duftquellen im Schlafzimmer sind laut Weeß die Lebensgewohnheiten: abends keinen Alkohol trinken, sich gedanklich stets mit Neuem beschäftigen (wem es an Ideen mangelt, der sollte wenigstens regelmäßig Rätsel lösen und Zeitung lesen), Spazierengehen und ausreichend schlafen: Laut dem Schlafexperten befinden sich viele – zu viele – Menschen unter der Woche in einem chronischen Schlafdefizit. „80 Prozent beenden den Schlaf mit einem Wecker und kommen damit nicht auf die Schlafmenge, die sie genetisch benötigen.“ Er selbst versucht, so gut es geht, auf den Wecker zu verzichten. Welche Schlafdauer vor geistigem Verfall schützt, lesen Sie hier.

Geruchssinn hat niedrigste Weckschwelle von allen Sinnen

Während wir schlafen, hat unser olfaktorisches System den geringsten Kontakt zur Umwelt. Von allen Sinnen ist der Geruchssinn der mit der niedrigsten Weckschwelle. Von Gerüchen ging für unsere Vorfahren die geringste Gefahr aus. Wichtiger war es für uns, einen nahenden Feind oder ein aufkommendes Unwetter zu hören. Entsprechend schlechter als andere Sinne ist unser Geruchssinn auch ausgebildet. „Deshalb haben wir auch Rauchmelder“, weiß Schlafmediziner Weeß.

Mehr zum Thema

Quellen

Themen Schlaf
afgis-Qualitätslogo mit Ablauf Jahr/Monat: Mit einem Klick auf das Logo öffnet sich ein neues Bildschirmfenster mit Informationen über FITBOOK und sein/ihr Internet-Angebot: www.fitbook.de

FITBOOK erfüllt die afgis-Transparenzkriterien.
Das afgis-Logo steht für hochwertige Gesundheitsinformationen im Internet.

Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale- Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für diesen .
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.