13. Januar 2025, 13:42 Uhr | Read time: 5 minutes
Prostatakrebs zählt in Deutschland zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Männern. Auch in anderen Ländern kommt die Krankheit oft vor – insbesondere Männer afrikanischer Herkunft sind überproportional betroffen. Eine Studie fand nun einen möglichen Grund dafür.
Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Männer afrikanischer Abstammung nicht nur häufiger, sondern auch in jüngeren Jahren und oft mit aggressiveren Formen von Prostatakrebs diagnostiziert werden als Männer europäischer Abstammung.1,2 Dennoch waren genetische Untersuchungen dieser Bevölkerungsgruppe bisher selten. Erstmals hat ein internationales Forschungsteam mit Unterstützung des US-amerikanischen National Institute of Health (NIH) eine umfangreiche genetische Analyse mit afrikanischen Männern durchgeführt. Die Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass das Risiko für Prostatakrebs auf dem Vorkommen von spezifischen Genen beruhen könnte.
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Übersicht
Hintergrund der Studie
Ziel der Studie war, die genetische Architektur von Prostatakrebs bei Männern aus Ost-, Süd- und Westafrika zu untersuchen.3 Wissenschaftler wollten verstehen, welche genetischen Besonderheiten sie anfälliger für diese Krankheit machen. Prostatakrebs ist in Afrika für fast ein Viertel aller Krebsfälle verantwortlich. Trotz dieser hohen Krankheitslast gibt es bisher nur wenige Studien zu Prostatakrebs und Genen innerhalb dieser Bevölkerung. „Wir haben Prostatakrebs bisher nur bei europäischen Bevölkerungen wirklich untersucht. Indem wir genetische Risikofaktoren bei afrikanischen Männern im großen Umfang erforschen, können wir eines Tages das Screening und die Behandlung verbessern“, betont Dr.
Carl Chen, Forscher am Sydney Brenner Institute for Molecular Biosciences der Wits University und Zweitautor der Studie.4
Bislang vermutete man, dass zwei mögliche genetische Risikogruppen an der Entstehung von Prostatakrebs beteiligt sein könnten:
- Erbliche Risikofaktoren oder Keimbahnmutationen: Die seltenen genetischen Mutationen in Genen wie BRCA1 und BRCA2 brachte man bislang mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung. Besonders letztgenannte Mutation soll in einem Zusammenhang mit Prostatakrebs stehen.
- Einzelnukleotidpolymorphismen oder -varianten: Diese genetischen Varianten können das Krebsrisiko ebenfalls erhöhen. Mehrere Varianten zusammen können dies sogar verstärken.
Aus diesem Grund lag auch der Fokus der vorliegenden Studie auf diesen beiden genetischen Risikogruppen.
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Untersuchung von fast 7500 Genproben
Die Forschung wurde von der Men of African Descent Carcinoma of the Prostate durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein Konsortium, das sich aus Krankenhäusern und Universitäten aus fünf afrikanischen Ländern – Nigeria, Ghana, Senegal, Uganda und Südafrika – zusammensetzt und vom US-amerikanischen National Institute of Health unterstützt wird.
Die Forscher rekrutierten 3963 Männer mit neu diagnostiziertem Prostatakrebs und 3509 Männer als Kontrollgruppe ohne Krebs. Dabei sammelten sie umfassende Daten zu Demografie, sozioökonomischem Status, klinischen Befunden und genetischem Material.
Um die genetischen Variationen zu untersuchen, wurde ein spezielles Genotypisierungs-Array verwendet, das gezielt auf afrikanische genetische Varianten optimiert wurde. Diese Technologie kann Hunderttausende genetische Marker bzw. DNA-Varianten gleichzeitig analysieren.
Was ist das Ergebnis der Studie?
Die Forscher identifizierten drei genetische Regionen (Loci), die stark mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko assoziiert sind: 8q24.21, 6q22.1 und 11q13.3. Besonders bemerkenswert ist, dass die in diesen Regionen gefundenen genetischen Signale spezifisch für afrikanische Populationen sind und in nicht-afrikanischen Populationen fast vollständig fehlen. „Die wichtigsten ‚Signale‘ innerhalb dieser drei Loci sind einzigartig für afrikanische Bevölkerungen und wären nicht gefunden worden, wenn wir nicht afrikanische Bevölkerungen untersucht hätten“, so Chen.
Die genetischen Variationen in diesen Regionen, sogenannte „private Allele“, sind auf neuere Mutationen zurückzuführen. Diese wurden stark durch die evolutionäre Geschichte afrikanischer Bevölkerungen geprägt.
Die Studie zeigte zudem, dass es aber dennoch genetische Unterschiede innerhalb der afrikanischen Regionen gibt. Das Risiko für Prostatakrebs wird nicht nur durch die Häufigkeit der Varianten an Genen, sondern auch durch ihre „Effektstärke“ (wie stark die Variante das Risiko erhöht) beeinflusst.
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Bedeutung und Einordnung der Studie
Die Studie ist die bisher größte Untersuchung zu Prostatakrebs und Genen bei afrikanischen Männern und liefert wichtige neue Erkenntnisse. Sie stellen einen Meilenstein in der Krebsforschung dar, insbesondere für afrikanische Männer, die weltweit das höchste Risiko für Prostatakrebs haben. Indem man genetische Risikofaktoren identifizierte, die spezifisch für afrikanische Populationen sind, kann man neue Wege für die Früherkennung und Prävention entwickeln. „Die Erkenntnisse aus dieser Studie werden die Grundlage für die Entwicklung von Modellen zur Risikovorhersage anhand genetischer Daten bilden, um die Behandlung von Prostatakrebs zu verbessern. In Afrika gibt es praktisch keine Vorsorgeuntersuchungen für Prostatakrebs, sodass die natürliche Entwicklung und die genetischen Zusammenhänge von Prostatakrebs untersucht werden können, wenn es keine Früherkennung gibt“, weist Professor Michèle Ramsay auf die Bedeutung hin.
Dennoch gibt es auch einige Einschränkungen. So ist die genetische Forschung in Afrika nach wie vor begrenzt, da die notwendige Infrastruktur und Finanzierung fehlt. Obwohl diese Studie einen großen Fortschritt darstellt, ist weitere Forschung notwendig, um die genetischen Ursachen von Prostatakrebs und die dahinterliegenden Mechanismen vollständig zu verstehen. Außerdem sind genetische Faktoren nur ein Teil des Krebsrisikos. Umwelt- und Lebensstilfaktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, und diese wurden in dieser Studie nicht umfassend untersucht. Auch die unterschiedliche medizinische Versorgung in den untersuchten Regionen könnte die Ergebnisse beeinflussen.