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Forschung

Bakterium aus dem Mund soll für Wachstum von Darmkrebs-Tumoren verantwortlich sein

Bakterium und Darmkrebs
Bei Fusobacterium nucleatum handelt es sich um ein Bakterium aus der Mundhöhle, das schon länger mit Darmkrebs assoziiert wird. Doch wie genau der Keim die häufige Krebsart beeinflusst und was das für die Therapie bedeuten kann, ist die große Frage. Foto: Getty Images/Science Photo Libra
Anna Echtermeyer
Redakteurin

26. März 2024, 15:31 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Billionen von Mikroorganismen, die den menschlichen Darm, die Haut und sämtliche Schleimhäute bewohnen, nehmen massiv Einfluss auf unsere Gesundheit. Je weiter Forscher die Zusammensetzungen und Wirkungen dieser Teilmikrobiome in Darm oder Mund ausleuchten, desto stärker zeigt sich, dass viele von ihnen zum Ausbruch schwerer Erkrankungen beitragen. Besonders von Interesse bei Forschern ist schon seit Jahren ein Bakterium aus der Mundhöhle, das mehrfach in Tumorgewebe von Darmkrebs-Patienten nachgewiesen wurde. Bisher war jedoch unklar, ob dieser Keim, der bei der Entstehung von Parodontitis eine Rolle spielt, das Wachstum der Darmtumoren fördert oder gar verursacht. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse – sie könnte die Prognose von Darmkrebs-Patienten entscheidend verbessern.

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Die Krebsfälle bei Menschen, die jünger als 50 Jahre sind, nehmen weltweit zu. Eine Datenauswertung, für die 2022 insgesamt 14 Krebsarten untersucht worden waren, bildete für mehr als die Hälfte einen massiven Zusammenhang mit dem Verdauungssystem ab. Im Verdacht für diesen Anstieg bei jüngeren Menschen stehen, neben einem insgesamt ungesunden Lebensstil, auch Faktoren, welche das Mikrobiom beeinflussen. Denn was wir essen, ernährt die Mikroorganismen, die sämtliche Schleimhäute des menschenlichen Körpers bewohnen. Am höchsten ist die bakterielle Besiedlungsdichte im Darm, danach kommt der Mund. Jenes orale Mikrobiom – vielleicht bekannter als Mundflora – bedeckt Zähne und Zunge und besteht aus Hunderten von Bakterienarten. Ein spezielles Mundflora-Bakterium erregt schon seit längerem die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern. Es wandert bei Darmkrebspatienten aus dem Mund in den unteren Darm. Dort wurde es bereits 2012 und 2017 in Tumorgewebe nachgewiesen. Seitdem versuchen Forscher zu verstehen, was Fusobacterium nucleatum uns über Darmkrebs sagen kann. Erkenntnisse einer neuen Studie zu diesem Bakterium eröffnen womöglich einen neuen Ansatz bei der Behandlung von Darmkrebs.

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Fusobacterium nucleatum – Bakterium der Mundhöhle schon länger mit Darmkrebs assoziiert

Fusobacterium nucleatum kommt in der menschlichen Mundhöhle vor. Einerseits ist der Keim Bestandteil einer gesunden Mundflora, andererseits ist er Treiber für die Entstehung von Parodontitis: Diese tückische Entzündung des Zahnfleisches und des Kieferknochens ereilt jeden zweiten Erwachsenen.

Das Bakterium spielt offenbar aber auch weiter unten im Körper, nämlich im Darm, eine Rolle: Schon vor Jahren hatten Wissenschaftler des Cancer Institute in Boston sowie der University of British Columbia höhere Konzentrationen von Fusobacterium nucleatum in Darmgewebe entdeckt, welches von Tumoren befallen war, als in gesundem Darmgewebe. Eine hohe Belastung mit diesem Keim war auch mit einer schlechteren Prognose für die Patienten verbunden.1,2

Ruft der Keim Krebs hervor – oder begünstigt er seine Entstehung? Dafür lieferten beide Studien keine Belege, was die Forscher damals auch betonten. Das Interesse der Forschung an Fusobacterium nucleatum war in jedem Fall geweckt – und nun gibt es weitere Erkenntnisse in der Angelegenheit. Bedeutsam könnten diese für die Behandlung von Darmkrebs sein.

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Studie: 50 Prozent der untersuchten Darmtumoren enthielt Unterart von Fusobacterium nucleatum

Forscher am Fred Hutchinson Cancer Center in Seattle wollten herausfinden, wie Fusobacterium nucleatum aus dem Mund trotz der Magensäure in den unteren Darm wandert, um dann in Darmtumoren wachsen zu können. Zu diesem Zweck untersuchten sie Darmkrebs-Gewebe von 200 Patienten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.3

Etwa die Hälfte der Tumoren enthielt demnach Fusobacterium nucleatum in höherer Konzentration. Auch in vielen Stuhlproben von Krebspatienten sei das Bakterium nachgewiesen worden. Allerdings, und das ist neu, gaben die Forscher an, zwei unterschiedliche Unterarten des Keims gefunden zu haben. Und nur eine davon habe das Wachstum der Tumoren gefördert: Die Unterart Fusobacterium nucleatum animalis führe zur Verschlimmerung von Dickdarmkrebs.

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„Jetzt stellen wir fest, dass ein bestimmter Subtyp dieser Mikrobe für das Tumorwachstum verantwortlich ist“

„Wir haben immer wieder gesehen, dass Patienten mit kolorektalen Tumoren, die Fusobacterium nucleatum enthalten, eine schlechtere Überlebensrate und eine schlechtere Prognose haben als Patienten ohne die Mikrobe“, sagte Susan Bullman, Krebs-Mikrobiomforscherin am Fred Hutchinson Cancer Center und Mitautorin der Studie in einer Pressemitteilung.4 „Jetzt stellen wir fest, dass ein bestimmter Subtyp dieser Mikrobe für das Tumorwachstum verantwortlich ist.“

Chancen für die Therapie: Tumoren mit Fake-Version des Bakteriums impfen

Welchen Nutzen könnten diese Erkenntnisse für die Darmkrebstherapie haben? Es liege nahe, dass Therapeutika und Screenings, die auf diese Untergruppe innerhalb der Mikrobiota abzielen, Menschen helfen würden, bei denen ein höheres Risiko für aggressiveren Darmkrebs bestünde, heißt es weiter. Die Forscher hoffen, irgendwann modifizierte Versionen des Bakteriums herzustellen, welche direkt in das Tumorgewebe abgegeben werden und dort keinen Schaden mehr anrichten können.

Was fördert die Ansiedlung von Darmkrebs-Bakterien im Dickdarm? Darmkrebs

Angesichts der Tatsache dass der menschliche Körper Billionen von Mikroorganismen beheimatet, haben Forscher jedoch gerade erst begonnen, zu lernen, wie diese bei der Behandlung von Krankheiten helfen, wie sie schaden und wie sie Krankheiten verursachen können. Eine zentrale Frage ist: Was fördert die Ansiedlung solcher krankmachender Keime im Dickdarm, in den letzten Jahren vermehrt bei unter 50-Jährigen?

Sehr stark im Visier haben Experten Antibiotika, das in den letzten Jahrzehnten übermäßig eingesetzt wurde. Der weltweite Gebrauch von Antibiotika durch Menschen hat sich zwischen 2000 und 2018 um 46 Prozent von 9,8 auf 14,3 DDD (defined daily doses) pro 1000 Menschen erhöht.5 Eine Studie der schwedischen Universität Umeå legte 2021 dar, dass Personen, die über einen Zeitraum von sechs Monaten und mehr Antibiotika einnehmen, mit einer 17 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf bis zehn Jahren an Darmkrebs erkranken (FITBOOK berichtete).6

Auch die westliche Ernährungsweise, geprägt von Fleisch- und Wurstwaren, Weißmehl- und Zuckerprodukten wie auch industriell hergestellten Fertigprodukten und Fast Food, fördert nachweislich die Produktion von Giftstoffen im Darm. FITBOOK berichtete 2022 über eine Studie, die bei bei 60 Prozent der Darmkrebs-Patienten sogenannte Colibaktin-produzierenden E. coli-Stämme nachwies.7

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Vorsorge: Kann man Fusobacterium nucleatum nicht einfach schon im Mund bekämpfen?

Wie erwähnt, spielt das Bakterium bei Parodontitis eine zentrale Rolle, also der Infektion des Zahnfleisches sowie des zahntragenden Kieferknochens. Da liegt der Gedanke nahe, das Bakterium schon in der Mundhöhle „loszuwerden“ – so kann es schließlich auch weiter unten im Darm keinen Schaden mehr anrichten. Doch wie lässt sich das erreichen? Krankmachende Keime, zu denen neben dem Fusobacterium auch andere zählen, etwa Helicobacter pylori (verantwortlich für chronische Entzündungen der Magenschleimhaut) vermehren sich in Zahnbelag, der ungestört über Monate in Zahntaschen, ungereinigten Zahnzwischenräumen und Füllungsspalten wachsen durfte. Den Gehalt an solchen Keimen hält man gering, indem man auf eine gute Mundhygiene achtet.

Neben Fusobacterium nucleatum sind übrigens auch andere Keine mit einer Parodontitis assoziiert: Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis, Treponema denticola und Aggregatibacter actinomycetem- comitans.

Prof. Dr. Dr. Thomas Beikler, Facharzt für Parodontologie und Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, gibt folgende Tipps für eine verbesserte Mundflora:

  • Zweimal täglich Zähneputzen
  • Zunge putzen nicht vergessen
  • die Zahnbürste alle drei Monate wechseln
  • Grünen und Schwarzen Tee trinken
  • Entzündungshemmendes Gemüse essen
  • Lange kauen
  • Professionelle Zahnreinigung machen lassen

Vorsicht ist laut dem Parodontitis-Experten geboten bei Zahnspülungen und Zitrusfrüchten.

  • Zahnspülungen, töten, sofern sie Chlorhexidin enthalten, nicht nur krankmachende, sondern auch gute Bakterien ab. Besser: Kräuterbasierte Spülungen, bspw. mit Kamillenextrakt aus der Apotheke selbst leicht herzustellen.
  • Zitrusfrüchte: Die enthaltene Säure greift per se den Zahnschmelz an. Entscheidend ist der richtige Umgang damit: Auf keinen Fall sollte man die Zähne kurz nach dem Verzehr von Zitrusfrüchten putzen. Das schädigt den Zahnschmelz und die Mundflora zusätzlich.

Quellen

Themen Darmkrebs Krebs Zahn-Verfärbungen

Quellen

  1. Kostic, A.D., Gevers, D., Pedamallu, C.S. et al. (2012). Genomic analysis identifies association of Fusobacterium with colorectal carcinoma. Genome Research. ↩︎
  2. Holt, R., Cochrane, K. (2017). Tumor Potentiating Mechanisms of Fusobacterium nucleatum, A Multifaceted Microbe. Gastroenterology. ↩︎
  3. Zepeda-Rivera, M., Minot, S.S., Bouzek, H. et al. (2024): A distinct Fusobacterium nucleatum clade dominates the colorectal cancer niche. Nature. ↩︎
  4. Fred Hutch Cancer Center (2024). Bacteria subtype linked to growth in up to 50% of human colorectal cancers, Fred Hutch researchers report. ↩︎
  5. Statista. Bakterielle Infektionen und Antibiotika (aufgerufen am 26.03.2024) ↩︎
  6. Harlind, S., Moon, Lu S.S., Mohammed, Z., et al. (2021)Antibiotics Use and Subsequent Risk of Colorectal Cancer: A Swedish Nationwide Population-Based Study. Journal of the National Cancer Insitute. ↩︎
  7. Pleguezuelos-Manzano, C., Puschhof, J., Rosendahl Huber, A. et al. (2020). Mutational signature in colorectal cancer caused by genotoxic pks+ E. coli. Nature. ↩︎
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