2. Februar 2024, 20:24 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Frauen erkranken häufiger an Lungenkrebs als Männer, auch ohne zu rauchen. Man geht deshalb schon länger von einem erhöhten Lungenkrebs-Risiko bei Frauen aus. Doch welche Faktoren genau hierbei eine Rolle spielen, war bislang ungewiss. Nun wollen Forscher dafür eine mögliche Erklärung gefunden haben.
Vor wenigen Wochen machte „Big Bang Theory“-Star Kate Micucci ihre Lungenkrebserkrankung öffentlich. Ein Schock für die Schauspielerin, denn von Zigaretten will sie ihr ganzes Leben lang die Finger gelassen haben, und Rauchen ist bekanntlich der Lungenkrebs-Risikofaktor Nummer eins. Doch wie eine aktuelle Studie nahelegt, spielen auch geschlechtsspezifische, sogenannte „reproduktive“ Faktoren eine Rolle. Sie führen demnach zu einem erhöhten Lungenkrebs-Risiko bei Frauen. FITBOOK geht genauer darauf ein.
Übersicht
Warum haben Frauen ein höheres Lungenkrebs-Risiko?
Kate Micuccis ist kein Einzelfall. Tatsächlich trifft Lungenkrebs immer mehr Nichtraucher – und darunter Frauen fast doppelt so häufig wie Männer. Eine Studie der American Cancer Society (ACS) hat erst kürzlich entsprechende Zahlen für die USA geliefert.1 Und: „Die Daten spiegeln sich so auch in Deutschland wider“. Das erfuhr FITBOOK auf Nachfrage bei Dr. med. Rainer Lipp, Facharzt für u. a. Hämatologie und Geschäftsführer der Stiftung Deutsche Onkologie, welche ein Register über bundesweit behandelte Tumorerkrankungen führt.
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Studie untersuchte den Einfluss reproduktiver Faktoren
Welche biologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern könnten für das ungleich ausgeprägte Lungenkrebs-Risiko verantwortlich sein? Mit dieser Ausgangsfrage haben sich chinesische Forscher dem Thema genähert. Sie beleuchteten deshalb speziell „frauenspezifische reproduktive Faktoren“ – solche also, die mit der weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit in Verbindung stehen. Die Studie erschien aktuell im Fachmagazin „Chest“.2
Die Forscher griffen als Untersuchungsgrundlage auf die umfangreiche Datensammlung der Langzeit-Beobachtungsstudie UK Biobank zu. Darin sind zahlreiche Arbeiten gesammelt, in denen mögliche Einflussfaktoren für die Entstehung von Krankheiten (z. B. genetische Veranlagung, Lebensstil) an britischen Erwachsenen untersucht wurden. Das Team konzentrierte sich dabei auf die Daten von 273.190 Frauen, die zwischen 2006 und 2010 in die UK Biobank aufgenommen wurden. Zusätzlich holte es bei diesen Probandinnen Selbstauskünfte zu deren reproduktiven Gesundheit ein, also etwa dazu, wann die Frauen zum ersten Mal ihre Regelblutung hatten, ob und ggf. wann sie Kinder bekommen bzw. im Laufe ihres Lebens Hormone (z. B. als Verhütungsmittel oder Ersatztherapie nach den Wechseljahren) eingenommen hatten. Weiterhin wurden etwaige Operationen im Unterleib (z. B. Entfernung der Eierstöcke oder Gebärmutter) abgefragt.
Auf Basis der vorliegenden Informationen errechneten die Forscher die Dauer der reproduktiven Lebensspanne der teilnehmenden Frauen. Gemeint ist damit die Zeit, in der sie – rein biologisch betrachtet – fähig waren, Kinder zu bekommen. In einem anschließenden Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 12 Jahren nahmen sie mit in die Analyse auf, bei welchen der Frauen man zwischenzeitlich Lungenkrebs diagnostiziert hatte.
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Ergebnisse
Die Auswertung ergab ein erhöhtes Lungenkrebs-Risiko sowohl bei Frauen, die früh ihre erste Regelblutung hatten, als auch solchen, bei denen die Menopause vergleichsweise früh eingesetzt hatte. Es scheine eine Reproduktionsdauer von weniger als 36 Jahren mit einer erhöhten Erkrankungswahrscheinlichkeit einherzugehen (verglichen mit einer „normalen“ Spanne von rund 36 bis 39 Jahren). Auch ein junges Alter bei der ersten Geburt eines Kindes erhöhte das Risiko für das Auftreten von Lungenkrebs. Gleiches gilt der Studiendokumentation zufolge für operative Entfernungen der Eierstöcke.
Die beschriebenen Zusammenhänge bestanden zwar umso mehr bei Frauen, die zum Erhebungszeitpunkt rauchten oder dies in der Vergangenheit getan haben, doch auch bei Nichtraucherinnen.
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Bedeutung und Einschränkungen der Studie
Die Forscher sehen auf Basis der Studienergebnisse eine große Bedeutung in der Berücksichtigung reproduktiver Faktoren, um Lungenkrebs bei Frauen frühzeitig zu erkennen. Demnach müsste man die Vorsorge bei Patientinnen, auf die eines oder mehrere der oben beschriebenen Merkmale zutreffen, besonders ernst nehmen.
Doch die Studie sei nicht frei von Einschränkungen, räumen die Autoren ein. Einerseits seien Messfehler nicht auszuschließen und diese im Nachhinein nicht überprüfbar. Weiterhin lassen sich die Ergebnisse nicht auf verschiedene Bevölkerungsgruppen übertragen. Das Gros der Probandinnen sei generell gesund und verhältnismäßig wohlhabend gewesen. Weiterhin bleiben demnach bei der Interpretation des Einflusses von Eierstock-Entfernungen noch Fragen offen. Die Eierstöcke produzieren verschiedene Sexualhormone – begünstigt also deren Wegfall das erhöhte Lungenkrebs-Risiko? Unklar, denn die meisten Patientinnen erhalten nach einem entsprechenden Eingriff eine Hormonersatztherapie. Zuletzt sei bei der Untersuchung ein etwaiger Einfluss durch äußere Faktoren (z. B. Luftverschmutzungen) auf das bei Frauen erhöhte Lungenkrebs-Risiko nicht untersucht worden.