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Aktueller Fall aus den USA

Frau für tot erklärt und „wieder auferstanden“ – wie kann das passieren?

Vermeintliche Leiche
Lesen Sie bei FITBOOK, wie es passieren kann, dass Mediziner Menschen fälschlicherweise für tot erklären Foto: Getty Images

16. Februar 2023, 13:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Vor wenigen Tagen sollte eine 82-jährige US-Amerikanerin bereits für ihre Bestattung vorbereitet werden, als sie plötzlich wieder nach Luft schnappte. Sie war natürlich nicht „wieder auferstanden“ – man hatte die Frau fälschlicherweise für tot erklärt. Was sich liest wie ein Horrormärchen, das gerade noch mal gut ausgegangenen ist, passiert so ähnlich immer mal wieder. FITBOOK erklärt das unheimliche Phänomen.

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Die verbreitete Angst davor, lebendig begraben zu werden, ist nicht neu. Im 19. Jahrhundert war es deshalb üblich, Leichen eine Glocke in den Sarg zu legen, sodass sie sich Gehör verschaffen konnten, sollten sie wieder aufwachen. Solche Überlieferungen wirken umso beängstigender, bedenkt man, dass bis heute etwa im Judentum und im Islam Verstorbene nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden beerdigt werden; also sehr zeitnah nach dem „vermeintlichen“ Tod.

Zwar passiert es nicht häufig, dass Menschen fälschlicherweise für tot erklärt werden – doch es passiert.

Jüngere Fälle von falschen Todeserklärungen

Der eingangs erwähnte Fall ereignete sich am 7. Februar 2023 in Long Island, New York. Hier erklärten Rettungssanitäter in einem Altersheim eine 82-jährige Bewohnerin für tot, bevor die Frau – rund drei Stunden später – wieder zu atmen begann1. Zu dem Zeitpunkt befand sie sich bereits in einem Bestattungshaus. 2018 eine ähnliche Schockmeldung aus Spanien: Hier fanden Wächter einen Gefängnisinsassen vermeintlich leblos in seiner Zelle, daraufhin sollen immerhin drei Ärzte seinen Tod festgestellt haben2. Doch dann habe der damals 29-Jährige sich im Leichensack bewegt – er hatte bereits obduziert werden sollen.

Wann Menschen für tot erklärt werden

Die Wissenschaftsredakteure von „Science Alert“ kennen Antworten auf die Frage, wie es passieren kann, dass man Menschen fälschlicherweise für tot erklärt3. Demnach gilt ein Mensch als tot, wenn er über einen längeren Zeitraum

  • keine Herz- und Atemgeräusche aufweist,
  • wenn seine Pupillen starr sind sowie
  • wenn er keine körperlichen Reflexe, also Reaktionen auf provozierte Reize, zeigt.

Laut dem Bericht schult man Ärzte darauf, die genannten Signale des Körpers eingehend zu überprüfen, bevor sie einen Menschen für tot erklären. Doch das heiße nicht automatisch, dass in der Praxis auch jeder von ihnen die Untersuchung mit der nötigen Gründlichkeit durchführt.

Zu oberflächliche Untersuchung kann zu Falsch-Diagnose führen

Eine solche Nachlässigkeit war es wohl 2020 im US-Staat Michigan4. Dort war eine 20-Jährige vermeintlich in ihrem Zimmer gestorben, man brachte sie nach 30-minütigen Wiederbelebungsversuchen zu einem Beerdigungsinstitut. Doch dann habe sie plötzlich wieder die Augen aufgeschlagen. Eine soll das damals nicht überrascht haben: eine Kranken­schwester, die nach eigener Aussage geglaubt hatte, bei der Frau noch einen leichten Puls gespürt zu haben. Dies soll ein Sanitäter jedoch mit Neben­effekten von Medikamenten, die zum Zweck der Wieder­belebung verabreicht worden seien, abgetan und eine erneute Untersuchung abgelehnt haben.

Ohnmacht – ein todesähnlicher Zustand?

Weiterhin sollen laut „Science Alert“ bereits „zertifizierte Ärzte“ Menschen fälschlicherweise für tot erklärt haben, wenn diese eigentlich nur ohnmächtig waren. Denn eine Ohnmacht aktiviert den sogenannten Vagusnerv, welcher zahlreiche Körperfunktionen reguliert, unter anderem die Herzfrequenz. In einer Ohnmacht fährt der Nerv den Puls sehr weit runter – so weit, dass man den Zustand mit Leblosigkeit verwechseln könnte.

Auch kaltes Wasser kann Herzschlag extrem drosseln

Der gleiche Gehirnnerv wirkt auch nach einem Sturz oder Sprung in sehr kaltes Wasser. In diesem Fall führen lebenswichtige Anpassungsmechanismen zwar dazu, dass zunächst der Herzschlag schneller wird. Dies hängt mit einem situationsbedingten Ausstoß von Stresshormon (z. B. Cortisol) zusammen. Doch nach einer Weile beginnt der Vagusnerv, die Herzfunktion drastisch herunterzufahren. Dies kann zu Bewusstlosigkeit und schlimmstenfalls einem Herzstillstand führen, ist aber im Grunde eine sinnvolle Energiesparmaßnahme, um die Überlebenschancen zu erhöhen. Der Zustand, also der gedrosselte Herzschlag, kann noch eine Weile länger anhalten, als die Person aus dem kalten Wasser gespült oder geborgen worden ist. Aus dem Grund sollten Notfallmediziner mit dem Stellen von Diagnosen warten, bis sich die Körpertemperatur des Unterkühlten und so auch sein Herzschlag und Co. wieder normalisieren haben. Tut man das nicht, könnte man einen regungslosen Angespülten mit stark heruntergefahrenem Herzschlag fälschlich für tot erklären.

Substanzen, die Menschen tot erscheinen lassen können

Daneben können verschiedene Arten von Medikamenten und auch Drogen entsprechende Auswirkungen auf den Herzschlag und andere vermeintliche Vitalfunktionen haben. Man weiß, dass sowohl der Wirkstoff Diazepam, bekannt unter dem Markennamen Valium, als auch das Beruhigungsmittel Xanax (Alprazolam) bereits zu falschen Todeserklärungen geführt hat. Gleiches gilt demnach für vergleichbare Wirkstoffe aus der Naturheilkunde, etwa das Nervengift Tetrodotoxin.

Vor Operationen gibt man Patienten Narkosemittel (Anästhetika), um ebendiesen Effekt zu erzielen: den Kreislauf der operierten Person anzuhalten und ihre Reaktionsfähigkeit auszuschalten. Nicht ohne Grund bedeutet das altgriechische Wort Anästhesie Empfindungslosigkeit. Manche solcher Mittel fahren die selbsttätige Atmung des Patienten so weit herunter, dass man ihn künstlich beatmen muss. Ohne zu wissen bzw. zu berücksichtigen, dass eine Person narkotisiert ist, könnte sie also den Eindruck erwecken, tot zu sein.

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Quellen

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