22. Mai 2024, 14:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Fisch liefert wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Doch regelmäßig Fisch essen ist Geschmackssache – deshalb werden die Öle auch erfolgreich als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, beworben mit schützenden Effekten für das Herz. Doch Vorsicht ist geboten: In manchen Fällen kann eine regelmäßige Fischöl-Supplementierung die Herzgesundheit sogar gefährden, wie eine Studie zeigt.
Blutdruck und Herz, Gehirn sowie Sehvermögen – alle profitieren vom positiven Einfluss der Omega-3-Fettsäuren. Wer seiner Gesundheit etwas Gutes tun möchte, kann also ein paar Extra-Fette über Nahrungsergänzungsmittel aufnehmen, oder? Nicht unbedingt, wie eine Kohortenstudie mit über 400.000 Teilnehmenden kürzlich herausfand. In welchem Fall eine Fischöl-Supplementierung das Herz schützt – und wann gefährdet – lesen Sie hier.
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Übersicht
Die Wissenschaftler beobachteten die Probanden über ein Jahrzehnt
Ein Forschungsteam mit Wissenschaftlern aus China, den USA, Großbritannien und Dänemark veröffentlichte kürzlich ein Paper in der Fachzeitschrift BMJ Medicine, in welchem sie die Auswirkungen einer Fischöl-Supplementierung auf das Herz untersuchten.1 Dabei betrachteten sie sowohl neu auftretende Fälle von Vorhofflimmern, Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzversagen und Tod bei zuvor gesunden Probanden als auch den Einfluss des Fischöls auf das Fortschreiten von Herzerkrankungen.
Hierfür nutzten sie die Daten von 415.737 Teilnehmern aus einer britischen Biobank, welche für knapp zwölf Jahre beobachtet wurden. Aufzeichnungen aus Krankenhäusern sowie Sterberegister lieferten Informationen über eintretende kardiologische Ereignisse und Todesfälle. Zu Beginn der Studie waren die Probanden zwischen 40 und 69 Jahre alt und mittels eines Fragebogens konnten sie angeben, ob sie regelmäßig Fischölpräparate einnahmen oder nicht. Außerdem litt niemand an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Auch interessant: Die Unterschiede zwischen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren
Eine Fischöl-Supplementierung kann Risiken für Gesunde bergen
Während der Nachbeobachtung trat bei 18.367 Patienten Vorhofflimmern auf, 22.636 erlitten schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzversagen) und weiterhin wurden 22.140 Todesfälle identifiziert. Knapp ein Drittel der Probanden gab an, regelmäßig Fischöl einzunehmen. Die Auswertung der gesammelten Daten zeigte, dass die Vorteile und Risiken einer Omega-3-Supplementierung abhängig vom Gesundheitszustand der Probanden waren. Genauer spielte sie eine Rolle bei den Übergängen vom Gesundsein zu Vorhofflimmern, zu schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen und dann zum Tod.
Die Einnahme der Supplemente erhöhte das Risiko für die Entwicklung von Vorhofflimmern bei zuvor Gesunden um 13 Prozent. Ebenso war dies mit einem um fünf Prozent erhöhten Risiko verbunden, einen Schlaganfall zu erleiden. Bei gesunden Frauen und Nichtrauchern war das Risiko ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden jeweils um sechs Prozent erhöht, wenn sie regelmäßig Fischöl-Supplemente einnahmen.
Bereits Erkrankte können von den Präparaten profitieren
Bei Teilnehmern mit einer bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankung war die regelmäßige Einnahme von Fischölpräparaten vorteilhaft für den Übergang bzw. die Weiterentwicklung von Vorhofflimmern zu schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen: Die Öle senkten das Risiko um acht Prozent. Weiterhin war das Risiko für die Entwicklung eines Herzinfarktes als Folge des Vorhofflimmerns durch die Nahrungsergänzungsmittel um 15 Prozent reduziert. Der Übergang von Herzversagen bis zum Tod war mit einem neun Prozent geringeren Risiko bei Einnahme von Fischöl verbunden.
Für ältere Menschen und Männer mit bestehenden Herzerkrankungen war der schützende Effekt der Fischölpräparate größer: Bei ihnen war das Risiko für den Übergang von Gesundsein in den Tod um elf Prozent (Ältere) bzw. sieben Prozent (Männer) gesenkt.
Stärken und Schwächen der Studie
Positiv zu bemerken ist die hohe Teilnehmeranzahl sowie die lange Nachbeobachtungszeit der Studie. Außerdem ermöglichte die gewählte Art der Datenanalyse (Multi-state-Modell) eine differenzierte Auswertung des Einflusses der Fischöl-Supplementierung in jedem Zustand innerhalb des Verlaufs der Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Da es sich hierbei um eine Beobachtungsstudie handelt, können zwar Zusammenhänge aufgezeigt, aber keine Kausalität sichergestellt werden. Weiterhin wurde nur erhoben, ob die Probanden Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel einnahmen oder nicht, die Dosierung und Formulierung der verwendeten Supplemente ist den Studienautoren nicht bekannt und könnten sich von Produkt zu Produkt unterscheiden. Letztlich sind weitere Studien erforderlich, um die genauen Mechanismen für die Entstehung und Prognose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei regelmäßiger Einnahme von Fischölergänzungen zu bestimmen.
Auf die Dosis kommt es an
Interessanterweise kommt eine ältere Studie – anders als die hier vorgestellte – zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Omega-3-Präparaten bei Menschen mit bestehenden oder drohenden Herzerkrankungen das Risiko für Vorhofflimmern steigt (FITBOOK berichtete), wenngleich der Verzehr von Fisch als präventive Maßnahme empfohlen wird: Es scheint, als wenn es im in puncto Omega-3-Fettsäuren stark auf die Dosierung ankommt. Diese wurde in der vorliegenden Studie wie erwähnt leider nicht erhoben. Allerdings gilt eine Zufuhr von bis zu drei Gramm täglich als sicher.2
Auch Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl warnte im Kontext der genannten älteren Studie vor einer zu hohen Supplementierung: „Eine Überdosierung kann zu einer vermehrten Blutungsneigung und schlimmer noch – bei Herzvorerkrankten – zu Herzrhythmusstörungen führen. Letztere Warnung ist sehr ernst zu nehmen“, sagte er FITBOOK. Eine genaue Dosierungsempfehlung sei nur schwer zu definieren, da frei verkäufliche Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel häufig eine unterschiedliche Zusammensetzung der Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) aufwiesen. Dementsprechend sei vor der Einnahme ein Gespräch mit dem Hausarzt wichtig.
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Doch lieber Fisch essen?
Laut der Deutsche Gesellschaft für Ernährung reichen 250 Milligramm EPA und DHA pro Tag aus, um Todesfälle, welche durch koronare Herzkrankheit bedingt sind, vorzubeugen. Diese Menge lässt sich je nach gewählten Fischsorten über ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche abdecken.3 Besonders leicht lässt sich die Zufuhr im Rahmen einer mediterranen Ernährung decken.
Wer aus geschmacklichen, ethischen oder ökologischen Gründen auf Fisch(öl) verzichten möchte, kann in Absprache mit dem Hausarzt auf Mikroalgenöle zurückgreifen. Außerdem empfiehlt es sich, regelmäßig Lein-, Raps- und Walnussöl sowie Chiasamen zu verzehren.