6. Juni 2023, 4:49 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Bis ans Lebensende fit im Geist und im Körper – das wünschen sich wohl die meisten Menschen. Zwar spielen dabei auch nicht beeinflussbare Faktoren (z. B. unsere Gene) eine Rolle, dennoch hat man seine Lebensqualität auch ein Stück weit selbst in der Hand. Eine Strategie, die helfen kann, möglichst lange gesund zu leben, bezeichnet eine Expertin im FITBOOK-Interview als Finetuning. Was sich dahinter verbirgt.
Dr. Yael Adler, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Venenheilkunde und Ernährungsmedizin (DGEM), hat bei FITBOOK bereits über sogenannte Altersbeschleuniger aufgeklärt. So bezeichnet sie Verhaltensweisen und Umwelteinflüsse, die uns schneller altern, sich zum großen Teil aber auch vermeiden oder zumindest reduzieren lassen. Doch auf Gewohnheiten wie Rauchen oder Alkoholtrinken zu verzichten, ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite: aktiv im Alltag etwas für seine Gesundheit zu tun. „Finetuning“ nennt Dr. Adler dies und ist sich sicher, dass man damit die Alterung bremsen kann.
Übersicht
„Den Körper kennen und Spaß am Finetuning nicht verlieren“
Diesen Satz findet man im Vorwort von Dr. Adlers Bestseller „Genial vital! Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung“. Gemeint ist, dass man seinem Körper die bestmöglichen Voraussetzungen bieten kann, um möglichst lange gesund und agil zu bleiben. Denn das ist es ja eigentlich, wenn von „sich jung fühlen“ die Rede ist oder wenn es manche Menschen schaffen, jünger auszusehen, als sie es laut Geburtsdatum tatsächlich sind. Doch wie geht man das an? Indem man sein Leben optimiert. Und die dafür erforderlichen Optimierungshebel müssen nicht anstrengend, sondern können Teil eines lebensfreudigen Alltags sein. „Spaß am Finetuning“ eben, der die Gesundheit erhält und im besten Fall auch die Alterung ein Stück weit abbremst. Doch was kann bzw. sollte ein solches Finetuning denn nun beinhalten? Das hat uns die Expertin im Interview verraten.
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Finetuning gegen frühe Alterung
Der Weg, um Finetuning zu etwas Spaßigem zu machen, geht über die Einstellung – sowohl gegenüber dem Thema Alterung als auch seinem eigenen Körper gegenüber. Zunächst plädiert Dr. Adler dafür, das Altern nicht als etwas Feindliches zu sehen, sondern es anzunehmen. Und richtig: Was wäre die Alternative zum Altwerden? Früh sterben? Und das möchte ja wohl hoffentlich niemand. Stattdessen sollte das Ziel sein, gut zu altern, also gesund zu altern. Das kann laut Dr. Adler gelingen, in dem man mit seinem Körper arbeitet statt gegen ihn. Sie rät „dankbar zu sein für das, was wir haben, dass der Körper uns durchs Leben trägt und begleitet. Wir sollten uns Gutes tun. Achtsamkeit ist das Stichwort – ein bisschen kitschig, aber es ist eigentlich sehr zutreffend. Also Freude daran zu haben, einen Menschen zu verwöhnen, den man sehr schätzt, nämlich sich selbst – und das auf vielfältige Art und Weise. Das ist dann eben nicht blöd, nervig und belastend, sondern etwas Schönes.“
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Ernährung
Man ist, was man isst. Kennen Sie diesen Spruch? Nicht umsonst hat er es zur Redewendung geschafft, denn wer gesund leben möchte, kommt nicht darum herum, seine Ernährung unter die Lupe zu nehmen. Das beweisen zahlreiche Studien – und auch unsere Interview-Partnerin sagt nichts anderes.1 Die Ernährung ist also eine Möglichkeit, „sich zu tunen“. Von strengen Diäten oder Ernährungsregeln hält Dr. Adler jedoch nichts. Für sie geht nichts über pflanzliche Ernährung, wobei man nicht komplett vegetarisch leben müsse. „Die Hauptbasis sollte wirklich pflanzliche Kost sein“, betont sie. Wer sich aber hauptsächlich pflanzenbasiert ernähre, der dürfe sich hin und wieder ruhig auch mal Fisch oder Fleisch gönnen. So weit, so gut – und wo steckt der Spaßfaktor am Finetuning mithilfe der Ernährung? Er steckt im Genuss: „Man lernt plötzlich wieder ein Universum an Aromen und Geschmäcker kennen. Die Zunge wird wieder trainiert. Eben nicht nur Geschmacksverstärker und Fett und Salz und Zucker wahrzunehmen, sondern Kräuter und Gewürze und das Gemüse selbst zu riechen und zu schmecken.“ Wer den Spaß am Schmecken dann noch mit dem Spaß am Selbstkochen verbinde, tue bereits einiges, um einer frühzeitigen Alterung vorzubeugen.
Denn wer sein Essen selbst zubereitet, statt auf Fertiggerichte zu setzen, hat eine viel größere Kontrolle darüber, was die Mahlzeiten eigentlich genau enthalten. Kritisch sieht Dr. Adler bei fertiger Kost aus dem Supermarkt vor allem den zu hohen Salzgehalt. „Man darf einen Teelöffel Salz am Tag, also fünf bis sechs Gramm, zu sich nehmen. Aber das ist schnell erreicht, gerade wenn man ebendiese Fertignahrung zu sich nimmt“, erklärt die Medizinerin. „Stattdessen könnte man mit Aromen, mit Gewürzen und Kräutern arbeiten, die gleichzeitig das Immunsystem stärken und kognitive Funktionen unterstützen, also der Demenz entgegenwirken. Salz schwächt unsere Darmflora, steigert den Blutdruck mit all den Folgen und fördert auch die Osteoporose. Fertigprodukte sind außerdem oft zu fett, enthalten zu viel Zucker und zu wenig Ballaststoffe und Mikronährstoffe, wie Vitamine.“
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Nahrungsergänzungsmittel
Krankheiten führen dazu, dass die Lebensqualität leidet und das Leben verkürzt wird. Zwei Entwicklungen, die man laut Dr. Adler zu einem hohen Prozentsatz vermeiden oder zumindest hinauszögern könne – zum einen mithilfe der beschriebenen gesunden Ernährung. Teil einer solchen Ernährung ist die ausreichende Versorgung mit Vitaminen. Hier empfiehlt die Expertin v. a. älteren Menschen durchaus zu supplementieren. Ob Vitamin D, Kalzium, Magnesium, Vitamin B12 (vorher im Blut den Spiegel messen lassen!) oder Vitamin K2 – eine ausreichende Vitamin- und Nährstoffversorgung sei wesentlich, um Osteoporose und anderen Alterserkrankungen vorzubeugen.
Bewegung
Dass Bewegung für möglichst lange Fitness und Gesundheit wichtig ist, hat die Forschung ebenfalls schon ausgiebig belegen können.2 Doch wie lautet diesbezüglich Dr. Adlers Empfehlung? „Regelmäßige Bewegung ist wichtig. Dabei geht es nicht nur um Kraftsport, sondern auch um Ausdauer und um ganze Bewegungsabläufe, damit wir auch im Alter, wenn die Balance uns verlässt, das Gleichgewicht trainieren und so z. B. Stürze vermeiden.“ Während häufig das Idealbild von 70-jährigen Frauen und Männern gezeichnet wird, die in ihrem hohen Alter noch Muskeln haben, lange Läufe oder andere sportliche Herausforderungen schaffen, geht es Dr. Adler nicht darum, dass Senioren mit deutlich jüngeren Menschen mithalten sollen. „Es geht darum, dass wir für uns selbst sorgen können.“ Eine Sportart, die sie dafür empfiehlt: Tanzen. „Es fördert durch die Musik auch kognitive Funktionen und wenn man mit anderen tanzt, bietet der Sport auch soziale Kontakte.“
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Sozialleben
Neben Ernährung und Bewegung gehört zum Finetuning gegen die Alterung à la Dr. Yael Adler noch ein weiterer Faktor: das Sozialleben. Klingt erst einmal banal. Denn jeder weiß doch, dass Einsamkeit nicht schön ist, aber tatsächlich macht sie auch krank. Und das gilt im Alter erst recht, da die Gefahr, dass die sozialen Kontakte weniger werden, größer wird. „Wenn man alleine ist und keine Sozialkontakte hat, dann verkürzt sich das Leben. Freunde sind wichtig, es muss nicht eine feste Partnerin oder ein fester Partner sein. Freunde verlängern das Leben. Man passt aufeinander auf und macht Dinge zusammen. Wir Menschen sind Gruppentierchen“, betont die Expertin im Gespräch mit FITBOOK.
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Quellen
- 1. Reman, L.M., Smith, S.R., Burton, J.H. et al. (2018) Metabolic Slowing and Reduced Oxidative Damage with Sustained Caloric Restriction Support the Rate of Living and Oxidative Damage Theories of Aging. Clinical and Translational Report.
- 2. Soendenbroe, C., Dahl, C.L., Meulengracht, C. et al. (2022). Preserved stem cell content and innervation profile of elderly human skeletal muscle with lifelong recreational exercise. The Journal of Physiology.