21. Januar 2025, 15:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Zu viel viszerales Fett – also das Fett, das im Bauchraum die Organe umhüllt – kann gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. So fördert es unter anderem chronische Entzündungen und beeinflusst das Immunsystem. Und ähnlich soll es sich laut einer Studie auch beim Muskelfett verhalten, das man in der Fachsprache Myosteatose nennt. Dieses Fett, das die Muskeln umgibt, kann offenbar sogar das Herz schädigen.
Bislang nutzte man den Body-Mass-Index (BMI), um Übergewicht und die damit verbundenen Risikofaktoren für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu diagnostizieren. Mittlerweile weiß man jedoch, dass der BMI allein oft nicht ausreicht. Der Grund ist, dass er lediglich das Verhältnis von Körpergewicht und Körpergröße berechnet. Somit bleiben andere Faktoren, die schwerwiegende Krankheiten begünstigen, außen vor – wie z. B. das Muskelfett. Laut einer Studie soll ein hoher Anteil an Fett, das die Muskeln umgibt, das Herz negativ beeinflussen können – und das unabhängig davon, wie hoch oder niedrig der BMI ausfällt. Bedeutet: Auch schlanke Menschen können davon betroffen sein.
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Übersicht
Bisher kaum erforschtes Feld
Bisherige Studien haben zeigen können, dass intermuskuläres Fett Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes begünstigt.1,2 Doch die Rolle derartiger Fettdepots bei kardiovaskulären Erkrankungen ist noch wenig erforscht. Grundsätzlich steigt der BMI mit zunehmendem Fett zwischen den Muskeln. Allerdings ist das keine feste Regel, denn dieser Zusammenhang kann individuell variieren. Und aus diesem Grund machten es sich Wissenschaftler zur Aufgabe, herauszufinden, inwiefern intermuskuläres Fett Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben könnte.
„Intermuskuläres Fett findet sich in den meisten Muskeln des Körpers, aber die Fettmenge kann sich von Mensch zu Mensch stark unterscheiden.In unserer Forschung analysieren wir Muskeln und verschiedene Fettarten, um zu verstehen, wie die Körperzusammensetzung die kleinen Blutgefäße oder die ‚Mikrozirkulation‘ des Herzens sowie das zukünftige Risiko von Herzversagen, Herzinfarkt und Tod beeinflussen kann“, erklärt die Studienleiterin Professorin Viviany Taqueti in einer Pressemitteilung.3
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Bewertung von intermuskulären Fett und Herzerkrankungen
Die Wissenschaftler verwendeten für ihre Studie Daten von insgesamt 669 Patienten. Diese hatten sich zwischen 2007 und 2014 am Brigham and Women’s Hospital in Boston einem Herz-Stresstest unterzogen.4 Mögliche Beweggründe für die Untersuchung waren z. B. Brustschmerzen oder Atemnot (Dyspnoe). Für die aktuelle Studie schloss man alle Menschen aus, auf die ein oder mehrere der folgenden Punkte zutrafen:
- Bestehende koronare Herzkrankheit
- Vorgeschichte mit Herzinfarkt oder Revaskularisierung
- Schwere Klappenerkrankung
- Bestehende Leber-, Lungen- oder Nierenerkrankung
- Diagnose über bösartigen Tumor
Von jedem Patienten berechneten die Wissenschaftler den individuellen BMI. Mittels einer sogenannten Positronen-Emissions-Tomografie (PET) ermittelte man die Coronary Flow Reserve. Diese beschreibt die maximale Zunahme des Blutflusses durch die
Koronararterien über das normale Ruhevolumen hinaus.
Mithilfe von Computertomografie wurden verschiedene Körperzusammensetzungsparameter analysiert, darunter das intermuskuläre Fett, das subkutane Fett, die Muskelmasse und epikardiales Fett. Die Probanden wurden über einen medianen Zeitraum von 5,8 Jahren beobachtet, um kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und Tod zu dokumentieren. Statistische Modelle wurden verwendet, um die unabhängigen Zusammenhänge zwischen Körperzusammensetzung, mikrovaskulärer koronarer Dysfunktion (schlechte Durchblutung der kleinen Herzgefäße) und klinischen Ergebnissen zu bewerten.
Fett zwischen Muskeln gefährdet das Herz
Die Ergebnisse zeigen, dass Fett zwischen den Muskeln stark mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse zusammenhängen und das Herz schädigen können – und dies unabhängig von anderen Risikofaktoren wie dem BMI oder subkutanem Fett. Ein hoher Anteil an Fett zwischen den Muskelfasern provoziert eine schlechtere Durchblutung der kleinen Herzgefäße, wodurch man einem höheren Risiko für schwere Herzprobleme ausgesetzt ist. Mit jedem Prozent Fettanteil mehr zwischen den Muskeln stieg die Wahrscheinlichkeit einer schlechten Funktion der kleinen Gefäße um zwei Prozent, das Risiko für Probleme mit dem Herz um ganze sieben Prozent.
Patienten, bei denen man sowohl einen hohen Anteil an intermuskulärem Fett als auch eine schlechte Funktion der kleinen Herzgefäße feststellte, wiesen das höchste Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einer jährlichen Ereignisrate von 5,1 Prozent auf. Diese Beziehung war unabhängig von traditionellen Adipositas-Indikatoren wie BMI und anderen Fettdepots wie epikardialem Fett oder Leberfett. Tatsächlich zeigte der BMI bei diesen Patienten nur begrenzte Aussagekraft bezüglich des Herz-Kreislauf-Risikos.
„Im Vergleich zu Unterhautfettgewebe kann in Muskeln gespeichertes Fett zu Entzündungen und einem veränderten Glukosestoffwechsel beitragen, was zu Insulinresistenz und dem metabolischen Syndrom führt. Diese chronischen Schädigungen können wiederum Schäden an den Blutgefäßen verursachen, darunter auch an denen, die das Herz versorgen, und am Herzmuskel selbst“, so Professorin Taqueti.
Bedeutung für die Erkennung von Herzerkrankungen
Diese Ergebnisse könnten die Art und Weise, wie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beurteilt wird, erheblich verändern. „Das Wissen, dass intermuskuläres Fett das Risiko einer Herzerkrankung erhöht, gibt uns eine weitere Möglichkeit, Menschen mit hohem Risiko zu identifizieren, unabhängig von ihrem Body-Mass-Index“, so Taqueti. Bedeutet: Der BMI, das derzeit am häufigsten verwendete Maß zur Diagnose von Adipositas, reicht oft nicht aus, um das tatsächliche Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen genau abzubilden. Vor allem bei Frauen und jüngeren Menschen mit keinen typischen Risikofaktoren könnte die Bewertung von intermuskulärem Fett entscheidende zusätzliche Informationen liefern.
Dies hat auch praktische Implikationen für Therapien. Medikamente oder Diäten, die die Muskelqualität verbessern, könnten kardiovaskuläre Risiken reduzieren, indem sie das Fett zwischen den Fasern verringern. Die Studie unterstreicht zudem die Bedeutung von präzisen Bildgebungstechniken wie Positronen-Emissions-Tomografie und Computertomographie, um individuellere und effektivere Behandlungsansätze zu ermöglichen.
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Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
Obwohl die Studie neue Einsichten bietet, hat sie einige Einschränkungen. Sie basiert auf einer einzigen Kohorte aus einem Zentrum, die überwiegend aus Frauen bestand, wodurch die Generalisierbarkeit begrenzt ist. Zudem handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, die keine Kausalitäten beweisen kann. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Konzentration auf den Brustbereich bei der Analyse der Körperzusammensetzung – andere Fettdepots wie viszerales Fett konnten nicht untersucht werden. Zukünftige Studien sollten erforschen, ob die Reduktion von IMAT durch gezielte Therapien tatsächlich zu einer Verringerung des kardiovaskulären Risikos führt.
„Was wir noch nicht wissen, ist, wie wir das Risiko für Menschen mit Muskelverfettung senken können. Wir wissen zum Beispiel nicht, wie sich Behandlungen wie neue Gewichtsabnahmetherapien auf Muskelfett im Vergleich zum Fett an anderen Stellen des Körpers, magerem Gewebe und letztlich dem Herzen auswirken“, erklärt Professerin Taqueti.