2. Juni 2023, 4:58 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Wer freut sich schon darauf, einmal alt, krank und gebrechlich zu werden? Genau: niemand. Doch wie kann man es wirklich schaffen, die Alterung möglichst lang aufzuhalten? Im ersten Schritt gilt es, sogenannte Alterungsbeschleuniger zu vermeiden. FITBOOK hat sich von Expertin und Autorin Dr. Yael Adler erklären lassen, welche das genau sind.
Ewig jung und gesund, das scheint seit jeher der Traum der Menschheit zu sein. Nicht umsonst gibt es seit der Antike die Vorstellung des Jungbrunnens. Bis heute beschäftigt sich die Wissenschaft – allen voran die Medizin – mit der Frage, wie wir es schaffen können, unsere Jugend und unsere Lebensdauer zu verlängern. Wobei es um mehr als jugendliches Aussehen geht. Es gilt darum, möglichst alt zu werden und dabei möglichst lange fit zu bleiben. Und das hat man ein Stück weit selbst in der Hand. Etwa, indem man Faktoren vermeidet, die das Altern beschleunigen. Was genau zu diesen sogenannten Altersbeschleunigern gehört und wie man sie im Alltag reduzieren kann, hat Dr. Yael Adler im FITBOOK-Interview verraten. Sie ist Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Venenheilkunde und Ernährungsmedizin (DGEM) und hat zu diesem den Bestseller „Genial vital! Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung“ geschrieben.
Übersicht
»Auf der Reise durch sein Leben möglichst viele körperliche Funktionen erhalten und Spaß haben
TV- und Internet-Werbung sowie Content in Magazinen und auf Social Media erwecken den Eindruck, es ginge darum, möglichst lange jugendlich zu bleiben – und das um jeden Preis. Da kaufen Menschen teure Produkte mit zweifelhafter Wirkung oder lassen sich die Haut straffen, Botox spritzen oder Haare transplantieren. Doch das ist nicht das, was Dr. Adler meint, wenn sie über „länger jung bleiben“ spricht. Statt einem Schönheits- und Jugendwahn zu frönen, sei es ihr wichtig, das Älterwerden als Geschenk zu betrachten. „Es geht darum, dass man auf der Reise durch sein Leben möglichst viele körperliche Funktionen erhält und eben wirklich auch Spaß haben kann und nicht vielleicht viele Jahre bettlägerig oder dement ist und am Leben nicht mehr richtig teilhaben kann“, betont die Ärztin im Interview mit FITBOOK.
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»Zellen zu verjüngen, birgt Gefahren
In der Forschung bemüht man sich, den noch nicht enträtselten Geheimnissen des menschlichen Körpers auf die Spur zu kommen. Viele Fortschritte, so Dr. Adler, seien dabei auch schon gemacht worden. Bis man Zeichen der Alterung aber wirklich rückgängig machen und damit de facto Zellen im Körper verjüngen könnte, werde wohl noch einige Zeit vergehen. Eine Entwicklung, die die Expertin auch nicht ganz ohne Sorge betrachtet: „Im Moment funktioniert das noch nicht so gut und es birgt auch Gefahren, indem man dabei z. B. auch Krebszellen am Leben erhält, verjüngt oder sie aggressiver werden lässt.“ Aktuell besser erforscht und sicherer sei es, bei den Lebensstilfaktoren anzupacken. „Wir wissen, dass nur 10 bis 30 Prozent durch die Gene bestimmt wird. Den Rest haben wir selbst in der Hand.“
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Vermeidbare Faktoren, die das Altern beschleunigen
UV-Strahlung
Als Dermatologin kennt sich Dr. Adler aus und warnt deshalb klar vor der UV-Strahlung als ein wesentlicher Faktor, der das Altern beschleunigen kann. Zwar habe die Sonne auch wichtige Funktionen für den Menschen – etwas zur Bildung von Vitamin D im Körper und als eine Art Antidepressivum für die mentale Gesundheit. Dennoch solle man sich ihr nur sparsam und geschützt aussetzen. Die Folge von zu viel Sonne sei eine beschleunigte Alterung der Haut. Es entstünden „Falten und Flecken und erweiterte Äderchen und Hautkrebs und das ist auch schon so in mittleren Jahren, sprich so um die 40 oder 50.“ Die Sonnenstrahlen mithilfe von Sonnencreme, Hut, Brille, dicht gewebter, lockerer Kleidung oder Schatten auszublenden, sei deshalb wichtig, um gesund und jung zu bleiben.
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Rauchen
Rauchen ist ungesund, wie zahlreiche Studien belegen konnten. Auch Dr. Adler betont: „Raucher sammeln viele Schäden im Organismus, die Zähne fallen schneller aus, das Herz-Kreislauf-System wird geschädigt, es kann zu Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz, Krebs, Risiken aller Art kommen.“ Und auch auf das Aussehen hat Rauchen eine ungünstige Wirkung. „Das lässt die Haut fahl wirken. Das macht die Durchblutung schlecht, es sind Gifte“, so Dr. Adler. Das gelte auch für E-Zigaretten, bei denen die möglichen Toxine noch nicht annähernd genügend erforscht seien.
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Alkohol
Ein weiterer Faktor, der das Altern beschleunigt, ist aus Dr. Adlers Sicht ein weiteres Genussmittel: Alkohol. In geringen Maßen sei er okay. „Beim Alkohol sagt man auch ganz klar, der wird zu krebserregenden Substanzen abgebaut.“ Keine noch so kleine Dosis sei diesbezüglich sicher. Auf der anderen Seite gebe es Hinweise, dass Rotwein in kleinen Mengen immerhin ein wenig schützend auf das Herz einwirke. „Im Rotwein ist die Antiaging-Substanz Resveratrol enthalten. Aber man müsste ihn in hohen Mengen trinken und das ist wiederum schlecht für die Leber.“
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Falsche Ernährung
„Ein Altersbeschleuniger ist die zivilisierte, industrialisierte, veränderte Kost. Das ist der Zucker, das Weißmehl, das Fast Food, das sind die gehärteten Fette. All das lässt uns schneller altern. Zucker lässt auch unsere Eiweiße im Körper verkleben.“ Als vorteilhafte Ernährungsform nennt die Expertin die mediterrane Kost (pflanzenbasiert, umfasst den Konsum von Olivenöl und Fisch), bei der auch mit dem Altersbeschleuniger Alkohol sehr maßvoll umgegangen werde.
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Zu wenig Bewegung
Was man ebenfalls in der Hand hat, ist, sich genügend zu bewegen. Stubenhocker haben in Sachen lange jung und gesund bleiben eher schlechte Karten. „Wir sind gemacht, uns jeden Tag zu bewegen.“ Auch wenn Sport in gewisser Weise Stress für den Körper bedeute, sei dies laut Dr. Adler ein positiver Stress und die Vorteile würden klar überwiegen. „Durch Sport werden die Kompensationsmechanismen massiv hochgefahren.“ Mit anderen Worten: Bewegung hilft, Schäden im Körper zu neutralisieren. Auch „Stress mit der Steuer oder mit dem blöden Kollegen oder Nachbarn oder dass man mal nicht gut geschlafen hat“, könne man mit einem Workout ausgleichen. „Das wird dann kompensiert, sodass man mit Sport tatsächlich länger jung bleibt.“
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Zu wenig Schlaf
Wenn von Schönheitsschlaf die Rede ist, bezieht sich dies darauf, dass sich unser Körper im Schlaf regeneriert. Ein Prozess, der im Körper sogar auf zellulärer Ebene messbar ist. Und nur wer erholt ist, sieht auch frisch und „schön“ aus. Dies gilt aber nicht nur kurzfristig für den nächsten Tag, der Schlaf hat auch langfristig Auswirkung auf unsere Gesundheit – und den Alterungsprozess. Schlafen wir dauerhaft zu wenig oder schlecht, ist auch dies ein Faktor, der das Altern beschleunigt, erklärt Dr. Adler im Gespräch mit FITBOOK. „Wir brauchen unbedingt Schlafroutinen und einen Schlaf von ungefähr sieben Stunden, der auch eine gute Qualität hat“, so die Expertin.
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Besonders fatal sei die Schlafapnoe, also eine Schlafstörung, bei man nachts schnarche und dabei auch noch Atemaussetzer mit Erstickungsanfällen erleide, die einem gar nicht bewusst seien. „Das treibt das Stresshormon Cortisol nach oben, sowie das Adrenalin.“ In der Folge erhöhe sich als Spätfolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Die direkte Folge sei, dass man tagsüber ständig müde sei, zunehme und nicht abnehmen könne. Außerdem: „Die Libido geht verloren.“
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Feinstaub
Neben den genannten Lebensstilfaktoren gibt es auch noch Umweltfaktoren, die den Alterungsprozess beschleunigen. Anders als die Menge an UV-Strahlung, der man sich aussetzt, was man isst und trinkt und wie viel sich bewegt und schläft, lassen sich diese eher schlecht individuell beeinflussen. Sich ihrer Gefahren bewusst zu sein und wo es geht, gegenzusteuern, kann aber dennoch hilfreich sein, wenn man sich seine Gesundheit und Jugend bewahren möchte.
Dr. Adler nennt hier in erster Linie den Feinstaub. Dieser wird u. a. durch den Straßenverkehr verursacht und ist belastet vor allem Menschen, die in Städten leben. Was der Feinstaub mit der Alterung zu tun hat? „Er verändert die Darmflora, verschlechtert die Atemwege, lässt die Haut direkt altern und fördert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ Aus diesem Grund appelliert die Medizinerin, den eigentlich gesundheitsfördernden Sport dort zu machen, wo die Belastung durch Feinstaub nicht so schlimm sei. Joggen in der Nähe von großen Straßen hält sie daher für keine gute Idee. Weitere Umweltfaktoren, die wie Altersbeschleuniger wirken: Weichmacher, Schwermetalle, Mikroplastik. „Das hat alles ganz viele Einflüsse auf unseren Gesamtorganismus, nicht zuletzt auch für die Darmflora.“
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Finetuning gegen frühe Alterung
Altersbeschleuniger, so gut es geht, zu vermeiden, ist für Dr. Adler ein Baustein auf dem Weg zu einer Lebensführung, die gesund und jung hält. Doch die Expertin hat noch weitere praktische Tipps für ein langfristig fittes und aktives Leben parat. Wir verraten nur so viel: Es geht um Finetuning. Was es damit genau auf sich hat, erfahren Sie im nächsten Teil unseres Interviews mit der Longevity-Expertin und Buchautorin.