9. April 2024, 12:51 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Eine Fäkaltherapie – also die Übertragung von Fäkalbakterien gesunder Personen in den Darm Kranker – kann bei Parkison-Patienten offenbar zu einer deutlichen Linderung der Symptome beitragen. Zu dieser womöglich bahnbrechenden Erkenntnis gelangten belgische Forscher kürzlich in einer Untersuchung. FITBOOK-Autorin Laura Pomer erklärt die Zusammenhänge genauer und geht ausführlicher auf das Prinzip der Fäkaltherapie am aktuellen Beispiel ein.
Wie genau eine Erkrankung an Parkinson und die Darmflora Betroffener in Verbindung stehen, beschäftigt die Wissenschaft schon länger. Dass es einen Zusammenhang gibt, gilt inzwischen als sicher. Was wäre also, wenn man bei Behandlung von Parkinson – diese zielt bekanntlich auf eine Linderung der Symptome ab – mit gesunden Darmbakterien arbeitete? Dieser Frage sind Wissenschaftler der Universität Genf und Mitarbeiter des VIB Center for Inflammation Research gemeinsam auf den Grund gegangen – mit offenbar „ermutigenden“ Ergebnissen.
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Übersicht
Forscher testen Fäkaltherapie an Parkinson-Patienten
Die Forscher sprechen in der Studiendokumentation von „fäkalen Mikrobiota-Transplantationen (FMT)“.1 In Deutschland nennt man die Methode auch Fäkaltherapie. Sie wird in der Regel dann durchgeführt, wenn bei Erkrankungen, die mit einer Disbalance der Darmflora in Verbindung stehen, antibiotische Therapien nicht anschlagen. Statt der Verabreichung entsprechender Medikamente wird bei der Fäkaltherpaie Stuhl gesunder Spender in den kranken Darm der Patienten eingebracht.
In ihrer aktuellen Arbeit testete das verantwortliche Forscherteam die zunehmend an Bedeutung gewinnende Behandlungsmethode an Parkinson-Erkrankten – solchen im Frühstadium. Denn man nehme an, dass das Verklumpen eines bestimmten Proteins, welches im frühen Krankheitsstadium in der Darmwand der Betroffenen gebildet wird, bei der Entwicklung der typischen Parkinson-Symptome eine Rolle spielt. So ist es in einer Pressemitteilung der Uni Genf nachzulesen.2 Jene Eiweißklumpen gelangen über den Vagusnerv vom Darm ins Gehirn der Betroffenen und erzeugen so den fortschreitenden Ausfall motorischer Funktionen. Mit der derzeitigen medikamentösen Behandlung versuche man bereits, diesen Vorgang einzudämmen. Die Mittel haben laut der Veröffentlichung jedoch häufig starke Nebenwirkungen, weshalb die Forschung nach Alternativen sucht.
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Verbesserte Parkinson-Symptome nach Fäkaltherapie
Es haben 46 Patienten mit leichten bis mittelschweren Parkinson-Symptomen an der placebokontrollierten Doppelblindstudie teilgenommen. Sie wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen geteilt. Die erste, aus 22 Probanden bestehende, Gruppe unterzogen die Forscher einer Fäkaltherapie. Dabei wurden die aufbereiteten Stuhlmischungen mithilfe eines Schlauchs durch die Nase bis in deren Dünndarm der Behandelten vorgeschoben. Gruppe zwei erhielt auf dieselbe Weise Placebos, ohne natürlich zu wissen, dass es sich bei dem Mittel nur um ein Placebo gehandelt hatte.
Nach der Behandlung begann die einjährige Nachuntersuchungsphase. Und die Beobachtungen hieraus weisen auf einen potenziellen Langzeiteffekt der Fäkaltherapie hin. Denn rund sechs Monate nach dem Eingriff sollen sich in der betreffenden Probandengruppe Verbesserungen der Erkrankungsanzeichen gezeigt haben – nach einem weiteren halben Jahr seien diese gar „signifikant“ gewesen. Dabei sollen nicht nur die motorischen Symptome (z. B. Zittern, Gleichgewichtsstörungen) zurückgegangen sein: Auch die für das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit typische Verstopfungsneigung hat die Fäkaltherapie offenbar gelindert.
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Bedeutung der Erkenntnisse
„Unsere Studie liefert vielversprechende Hinweise darauf, dass die FMT eine wertvolle neue Behandlung für die Parkinson-Krankheit sein kann.“ Das erklärt in der Pressemitteilung Roosmarijn Vandenbroucke von Genfer Entzündungsforschungszentrum. Eine mögliche Erklärung für die positiven Studienergebnisse könnten durch die Fäkaltherapie erzielte Veränderungen der Darmbewegungen bei den Parkinson-Patienten sein.
Im nächsten Schritt wollen die Forscher eine Finanzierung für notwendige weiterführende Untersuchungen erhalten. Dabei gelte es, zu ermitteln, welche Darmbakterien genau den offenbar positiven Einfluss auf die Parkinson-Symptome hatten, und daneben, ob sich mithilfe der Fäkaltherapie auch das Fortschreiten der Krankheit im Zaum halten lässt. Sollten die „ermutigenden“ Ergebnisse Bestand haben, sei perspektivisch anstelle einer mechanischen Fäkaltherapie zur Behandlung von Parkinson z. B. die Entwicklung einer Art Bakterienpille denkbar.