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Ursprünglich für Diabetes-Patienten entwickelt

Experten warnen vor unkontrollierter Einnahme von Semaglutid zum Abnehmen 

Semaglutid abnehmen: Tabletten
Das Antiadiposita Semaglutid weckt auch bei gesunden Menschen Begehrlichkeiten – sie wollen mit dem Medikament schnell abnehmen Foto: Getty Images
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FITBOOK Redaktion

8. November 2022, 13:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Semaglutid wird äußerst erfolgreich zur Behandlung von Diabetes Typ 2 eingesetzt. Doch längst hat eine weitere Zielgruppe den Wirkstoff für sich entdeckt – denn auch übergewichtige Menschen ohne Diabetes können damit drastisch an Gewicht verlieren. Und das hat Begehrlichkeiten geweckt. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie warnt jedoch vor der unkontrollierten Anwendung.

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Semaglutid wurde für Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt und führt erfolgreich zu einer Gewichtsreduktion. Inzwischen richtet sich auch die Aufmerksamkeit der gesunden, aber übergewichtigen Normalbevölkerung auf den Wirkstoff, der in Deutschland seit 2018 unter dem Handelsnamen Ozempic zugelassen ist. Ein Trend, den auch viele Prominente befeuert haben – und vor dem Experten nun eindringlich warnen.

Was ist Semaglutid und wie wirkt es?

Das Inkretinmimetikum Semaglutid gehört zur Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten und hilft erfolgreich bei der Kontrolle des Diabetes mellitus Typ 2. Der Wirkstoff wirkt ähnlich wie das körpereigene, appetithemmende Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptid 1). Einmal pro Woche in einer festgelegten Dosis gespritzt oder täglich als Pille eingenommen, bewegt der Wirkstoff die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse dazu, Insulin freizusetzen, zügelt dadurch den Appetit und die Geschwindigkeit der Magenentleerung.

Studie mit übergewichtigen Nicht-Diabetikern sorgte für Aufsehen

Verschiedene Studien in den vergangenen Jahren haben Semaglutid zum Einsatz als Medikament zum Abnehmen bei übergewichtigen Menschen (ohne Diabetes-Typ-2-Diagnose) untersucht. 2021 sorgte eine große klinische Studie aus England, an der verschiedene europäische Fakultäten beteiligt waren, für Aufsehen.1 Rund 2000 stark übergewichtige erwachsene Frauen und Männer hatten daran teilgenommen – alle mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30. Sie wurden per Zufallsprinzip in Gruppen aufgeteilt.

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Sämtliche Probanden waren angehalten, Lebensstilveränderungen vorzunehmen – also sich gesünder zu ernähren und mehr zu bewegen. Daneben sollten sie sich einmal pro Woche eine vermeintliche Semaglutid-Spritze setzen. Jedoch enthielt nur bei Gruppe eins das ausgehändigte Mittel tatsächlich 2,4 mg des Wirkstoffs. Gruppe zwei der doppelblinden Studie injizierte sich unwissentlich ein Placebo.

Am Ende des 68-wöchigen Untersuchungszeitraums stellten die Forscher in der Semaglutid-Gruppe mitunter beachtliche Gewichtsverluste fest. Ein Drittel von ihnen soll mehr als 20 Prozent dessen abgenommen haben, was sie zu Beginn der Studie gewogen hatten. Im Schnitt brachte es die Gruppe auf einen Gewichtsverlust von 14,9 Prozent, in etwa 15,3 Kilogramm pro Person. Um so viel abzunehmen, wäre normalerweise ein operativer Eingriff (bspw. ein Magenband) nötig. Bei der Placebo-Gruppe hatte sich nicht so viel getan. Im Schnitt hatten die Probanden jeweils etwa 2,6 Kilogramm abgenommen.

Aufgrund der relativ hohen Teilnehmerzahl und der Verblindung der Abläufe gelten die Ergebnisse als aussagekräftig. Es sei unter der Behandlung kaum zu Nebenwirkungen gekommen. Laut dem Studien-Abstract wurden allenfalls leichtere Beschwerden wie Übelkeit und gelegentlicher Durchfall dokumentiert, die jedoch mit der Zeit nachgelassen haben sollen. Das Forschungsteam zeigte sich begeistert, beschwor den „Durchbruch für die Verbesserung der Gesundheit von Menschen mit Adipositas“.

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Immer mehr Übergewichtige wollen mit Semaglutid abnehmen

Die Indikation von Semaglutid (in Deutschland seit 2018 unter dem Namen Ozempic in der Dosis 1,0 Milligramm zugelassen) wurde auf die Therapie der Adipo­sitas erweitert (genannt „Off-Label-Use“, also nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch). Seit Januar 2022 hat ein Medikament aus den USA namens Wegovy auch die Zulassung der EU-Kommission in der Indikation bei Adipositas erhalten (hier ist die Dosis auf bis zu 2,4 Milligramm erhöht).

Inzwischen hat das Medikament den Weg in den Lifestyle-Markt gefunden, immer mehr Menschen möchten Gewicht verlieren mit dem „Game Changer“ aus der Spritze. Dem Medikament Wegovy sprach u.a. Milliardär Elon Musk seinen dramatischen Gewichtsverlust zu.2 In den USA kam es zu Lieferengpässen für die eigentliche Zielgruppe, Diabetiker.3 Und auch bei uns ist der Wirkstoff Semaglutid mancherorts knapp geworden, teilt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) mit.

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Mögliche gesundheitliche Folgen einer Anwendung ohne Indikation

Aber nicht nur deshalb warnt die DGE vor Semaglutid: Die unkontrollierte Anwendung ohne Indikation sei mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden, genannt werden etwa Übelkeit und Erbrechen. „Aber auch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase können die Folge sein. In Tierversuchen fand man zudem ein potenziell erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsenkrebsarten“, sagt Professor Dr. med. Harald J. Schneider, Sprecher der Sektion Angewandte Endokrinologie der DGE aus München und Landshut.4 Über die Langzeitwirkungen wisse man nichts. „Diese Medikamente sollten nur spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschreiben – und auch nur, wenn die medizinische Notwendigkeit besteht und die Anwendung in der Folge sorgfältig überwacht wird“, so Schneider.

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Für wen ist die Behandlung geeignet? Nachgefragt bei unabhängigen Ärzten

FITBOOK hat bei Univ-Prof. Norbert Stefan nachgefragt, für wen die Behandlung mit Semaglutid geeignet ist. Er ist Internist, Endokrinologe, Diabetologe und Inhaber der Heisenberg Professur für klinisch-experimentelle Diabetologie am Universitätsklinikum Tübingen.

Für Menschen, die sich am einen oder anderen Speckröllchen stören, eigne sich die Behandlung mit Semaglutid als Medikament zum Abnehmen nicht. „Stark adipöse Menschen hingegen, die es bislang nicht geschafft haben, genügend Gewicht abzunehmen, könnten davon profitieren“, so Prof. Stefan. Ebenso sieht er ein mögliches Anwendungsgebiet, wenn eine bariatrische OP (also eine Operation für adipöse Menschen, die auf konservativem Weg keinen Gewichtsverlust erzielen konnten) nicht vorgenommen werden kann bzw. wenn der Patient dies ablehnt.

Für leicht Adipöse sollte das Mittel nur dann zum Einsatz kommen, wenn für sie schwere gesundheitliche Risiken bspw. für das Herz-Kreislauf-System bestehen. Diese seien laut dem Facharzt auch bei Menschen ohne Stoffwechselstörungen nicht automatisch ausgeschlossen.

Eine Therapie mit GLP-1-Agonisten zur Gewichtsreduktion sollte nicht ohne eine entsprechende Verordnung erfolgen. Dieser sollte eine genaue Abklärung der Ursachen und Komplikationen der Adipositas vorangestellt werden, „unter Einbeziehung eines erfahrenen Teams von Endokrinologen und Ernährungsmedizinern“, befindet der Experte. In bestimmten Fällen sollten auch Psychologen zurate gezogen werden.

Der Experte weist darauf hin, dass eine abschließende Beurteilung erst dann möglich sein wird, wenn auch etwaige Langzeiteffekte erforscht sind. Ebenso müsse zur vollständigen Bewertung das Kosten-Effektivitäts-Verhältnis berücksichtigt werden.

Dr. med. Matthias Riedl, Facharzt für Diabetologie und Ernährungsmedizin aus Hamburg, arbeitet nach eigenen Angaben in seiner Praxis selbst seit einigen Jahren mit einer ähnlichen Substanz namens Liraglutid. Er sehe darin eine „Innovation“ und echte Chance für Betroffene, „aus der Insulin-Gewichts-Spirale heraus zu kommen, ihren Blutdruck sowie erhöhte Leberfett- und Entzündungswerte zu senken“. Dadurch verringere sich auch das Risiko für Infarkte. In Kombination mit einer vernünftigen Ernährungstherapie könnten dank Semaglutid viele Übergewichtige Abnehmerfolge erzielen, so Riedl. Vorausgesetzt: eine saubere, ärztliche Indikation.

Bitte keinesfalls ohne ärztliche Verordnung vorgehen

Wenn Sie also die Möglichkeit haben sollten, an das vermeintliche Medikament zum Abnehmen heranzukommen, bitte bloß keine Selbsttherapie vornehmen! Die Behandlung sollte – wenn überhaupt – unbedingt in enger Absprache mit einem Experten, etwa von Endokrinologen oder Diabetologen, erfolgen.

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Quellen

Themen Gesund abnehmen
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