17. Mai 2024, 4:19 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Paleo, Low-Carb oder Mittelmeer-Diät: Ernährungsformen, die gesundheitliche Vorteile versprechen, gibt es viele. So soll der Blutdruck gesenkt oder das Risiko einer Krebserkrankung reduziert werden. Letzteres untersuchte eine Langzeitstudie anhand von Fleisch- und Fischessern sowie Vegetariern. FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke ordnet die Studienergebnisse ein.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Krebs die zweithäufigste Todesursache weltweit. Jedoch seien auch 30 bis 50 Prozent aller Fälle vermeidbar durch präventive Maßnahmen. Dazu gehört unter anderem eine gesunde Ernährung.1 Eine groß angelegte Studie der University of Oxford aus 2022 beobachtete Fleisch- und Fischesser sowie Vegetarier über einen Zeitraum von elf Jahren. So fanden sie heraus, welche Ernährungsform – ob fleischarm oder -reich – nachweislich das Krebsrisiko senken kann.2
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Übersicht
Studie mit rund 500.000 Teilnehmern
Für ihre Studie griffen die Wissenschaftler auf die Daten von 472.377 Briten aus der UK Biobank zurück, einer biomedizinische Datenbank und Forschungsressource. Die Teilnehmer wurden basierend auf Fragen zu ihrer Ernährung in drei Kategorien eingeteilt:
- Regelmäßige Fleischesser (essen mehr als fünfmal pro Woche Fleisch, 53 Prozent der Teilnehmer)
- Seltene Fleischesser (essen fünfmal oder weniger pro Woche Fleisch, 44 Prozent der Teilnehmer)
- Pescetarier (essen Fisch, knapp über zwei Prozent der Teilnehmer)
- Vegetarier und Veganer (essen weder Fleisch noch Fisch, knapp unter zwei Prozent der Teilnehmer)
Bei der Rekrutierung war niemand der Probanden an Krebs erkrankt. Anschließend wurden die Krankenakten der Teilnehmer elf Jahre lang beobachtet. Berücksichtigt wurden dabei auch andere Faktoren wie Alter, Geschlecht, Rauchen, Alkoholkonsum und soziodemografischer Status.
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Welche Art von Ernährung verringert das Krebsrisiko?
Nach durchschnittlich 11,4 Jahren wurden die Krankenakten der Studienteilnehmer ausgewertet. Dabei wurden 54.961 Krebserkrankungen festgestellt. Bezogen auf die Ernährungsgewohnheiten der Probanden konnte festgestellt werden: Im Vergleich zu regelmäßigen Fleischessern war das Krebsrisiko bei Menschen mit fleischarmer Ernährung um zwei Prozent, bei Pescetariern um zehn Prozent und bei Vegetariern um 14 Prozent geringer.
Was steckt eigentlich in Fleisch, dass es das Krebsrisiko erhöhen kann?
Insbesondere fettes Fleisch oder Wurstwaren liefern gesättigte Fettsäuren, welche Entzündungsprozesse im Körper fördern – die Grundlage vieler chronischer Erkrankungen. Bei verarbeiteten Fleischwaren kommt hinzu, dass diese zum Haltbarmachen Pökelsalze enthalten können. Werden diese zu stark erhitzt, entstehen krebserregende Nitrosamine. Im Falle von rotem Fleisch, also Rind, Schwein und Lamm, kann das enthaltene Häm-Eisen Erbgut schädigend wirken und die Zellteilung fördern – dies kann die Entstehung von Krebs befeuern. Aber bevor Fleischliebhaber jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Die Menge (und hier auch Zubereitungsform) macht natürlich das Gift.
Auch das Risiko für spezifische Krebserkrankungen sinkt
Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen von allen Krebsarten liegt bei 493.250 (Stand 2019/2020).3 In Großbritannien, wo die Studie durchgeführt wurde, sind Darmkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs die häufigsten Arten von Krebs. Auch in Deutschland erkranken Männer am häufigsten an Prostatakrebs, gefolgt von Lungen- und Darmkrebs, Frauen an Brustkrebs, gefolgt von Darm- und Lungenkrebs.
Unter den Probanden gab es 5882 Darmkrebsfälle, 7537 Fälle von postmenopausalem Brustkrebs und 9501-mal Prostatakrebs. Dabei konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen Krebsaufkommen und Ernährungsweise festgestellt werden.
Darmkrebs
So hatten Personen mit einer fleischarmen Ernährung ein neun Prozent geringeres Krebsrisiko für Darmkrebs, als Personen, die regelmäßig Fleisch konsumierten. Dieses Ergebnis deckt sich mit einer 2015 veröffentlichten Studie, die ergab, dass vor allem eine höhere Aufnahme von verarbeitetem Fleisch mit einem gesteigerten Darmkrebsrisiko verbunden ist.4 Auch rotes Fleisch erhöht laut World Cancer Research Fund (WCRF) das Risiko. Vollkorn- und Milchprodukte haben hingegen einen Risiko-senkenden Effekt.5
Brustkrebs
Frauen, die sich vegetarisch ernährten, hatten ein um 18 Prozent geringeres Risiko für postmenopausalen Brustkrebs, als regelmäßige Fleischesserinnen. Wie die Studienautoren erklären, könnte der Grund dafür auch das generell niedrigere durchschnittliche Körpergewicht von Vegetarierinnen sein. So warnt der WCRF davor, dass Übergewicht oder Fettleibigkeit im Erwachsenenalter das Risiko für postmenopausalen Brustkrebs erhöhen kann. Weiterhin gibt es laut WCRF Hinweise darauf, dass der Verzehr von Milchprodukten und nicht stärkehaltigem Gemüse das Risiko für Brustkrebs senken könnten.6
Prostatakrebs
Im Vergleich zu regelmäßigen Fleischessern hatten Pescetarier und Vegetarier ein 20 bzw. 31 Prozent geringeres Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken. Die Studienleiter legen jedoch nahe, dass neben der Ernährungsweise auch andere Faktoren eine signifikante Rolle spielen könnten, z. B. ob eine Person zur Krebsvorsorge geht oder nicht. Dies treffe auch auf die anderen Krebsarten zu. Der WCRF beschreibt, dass es Hinweise darauf gibt, dass ein hoher Verzehr von Milchprodukten sowie eine calciumreiche Ernährung das Risiko für Prostatakrebs womöglich erhöhen.7
Einschränkungen der Studie
Ob die beobachteten Zusammenhänge allein von der Ernährungsweise abhängen, könne nicht eindeutig sichergestellt werden, so die Wissenschaftler. Auch andere Faktoren wie der persönliche Lebensstil etc. könnten die Ergebnisse beeinflusst haben.
Noch dazu waren rund 94 Prozent der Probanden weißer Hautfarbe – es kann somit nicht sicher davon ausgegangen werden, dass in anderen ethnischen Gruppen dieselben Zusammenhänge festgestellt werden können. Wichtig sei auch, zu betonen, dass der Verzicht auf Fleisch bzw. eine fleischarme Ernährung nicht automatisch bedeute, dass sich ein Mensch gesünder ernährt.
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Wie viel Fleisch darf auf den Teller?
Die Studie bestätigt wieder einmal: Eine ausgewogene und fleischarme Ernährung, in der vorwiegend Gemüse, Obst und Vollkornprodukte verzehrt werden, kann Gesundheitsrisiken wie das Krebsrisiko senken. Zwar haben eine rein pescetarische oder vegetarische Ernährungsweise einen stärkeren Effekt, wer nicht gänzlich auf Fleisch verzichten möchte, tut seine Gesundheit trotzdem mit einer Einschränkung der Menge etwas Gutes.
Ein groß angelegtes Umbrella Review aus 2024 analysierte Studiendaten aus dem Zeitraum von 2000 bis 2023, welche sich mit vegetarischen und veganen Ernährungsformen befassten. Auch hier bestätigt sich: Eine Ernährung frei von Fleisch senkte das Risiko, an Krebs zu erkranken.8
Wissenschaftlich erprobte Ernährungsprinzipien, wie z. B. der Ernährungskreis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, können hierbei als Richtwerte für eine fleischarme Ernährung herangezogen werden. Diese lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen wurden erst 2024 aktualisiert. Pro Woche können je ein bis zwei Portionen Fisch und Fleisch à 120 Gramm genossen werden. Auch zwei wöchentliche Portionen Wurst à 30 Gramm sind erlaubt.9