20. Dezember 2020, 19:55 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Keine Ordner voller medizinischer Unterlagen mehr, stattdessen vom Befund bis zur Therapie alles in einer App. Das verspricht die neue elektronische Patientenakte. Doch zum Start gibt es Kritik.
Sie soll für Patienten und Mediziner vieles besser machen, geht jedoch in einer abgespeckten Variante an den Start: Ab 1. Januar 2021 steht die elektronische Patientenakte, kurz ePA, zur Verfügung. Was sind ihre Vorteile und wo erhält man sie? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Elektronische Patientenakte – Inhaltsverzeichnis
Was ist das Ziel der E-Akte?
Mehr Transparenz und eine bessere gesundheitliche Versorgung. Der Hintergedanke ist: Liegen Befunde, Arztbriefe, Therapiemaßnahmen und Medikationspläne gebündelt an einer Stelle vor, soll das den Medizinern helfen, zielgerichteter zu handeln – auch in Notfällen. Zudem sollen doppelte Untersuchungen verhindert werden, weil notwendige Informationen, beispielsweise zu Blutwerten, in der Akte stehen.
Das Problem ist, dass es bisher an so einer Vernetzung hapert. „Die elektronischen Systeme in Praxen und Krankenhäusern verstehen sich untereinander – freundlich gesprochen – nicht immer“, sagt Prof. Dirk Müller-Wieland, Vorsitzender der Kommission Digitalisierung bei der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
Wie kommen Patienten an die elektronische Patientenakte?
Die gesetzlichen Krankenkassen müssen die ePA ab dem neuen Jahr anbieten, eine Nutzung durch die Versicherten ist freiwillig. Der Zugriff funktioniert über eine App, die von der eigenen Krankenkasse angeboten wird. Um sich in der App für die E-Akte zu registrieren, braucht man eine elektronische Gesundheitskarte mitsamt PIN. Die Geheimnummer bekommt man von der Kasse.
Wer kein Smartphone oder Tablet hat, kann die ePA auch schriftlich bei der Krankenkasse anfordern. Sie wird dann beim nächsten Arztbesuch aktiviert. Der Zugriff auf die Akte, etwa von zu Hause aus, ist aber nur über die App möglich.
Wer befüllt die ePA mit Daten?
Die Nutzer selbst können Daten einstellen oder löschen. Außerdem können sie Ärzten, Pflegern, Hebammen, Therapeuten und Apothekern den Zugriff erlauben und ihnen diese Berechtigung auch wieder entziehen. Wer keine App hat, soll die elektronische Patientenakte beim Arztbesuch in der Praxis über das Kartenterminal befüllen lassen können.
Zur Einführung der elektronischen Patientenakte soll es aber erstmal eine Testphase mit ausgewählten Praxen und Krankenhäusern geben, ehe die flächendeckende Vernetzung beginnt. Laut Gesetz sind Arztpraxen erst ab 1. Juli 2021 verpflichtet, mit ihren Systemen den Zugriff auf die E-Patientenakte zu ermöglichen. Krankenhäuser müssten ihre Infrastruktur schon zu Beginn des Jahres umgestellt haben, ihnen drohen bei Nichteinhaltung aber erst 2022 Sanktionen. Apotheken werden von Anfang an dazu in der Lage sein, arzneimittelbezogene Informationen in der Akte zu hinterlegen.
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Welche Daten können abgelegt werden?
Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte, Röntgenbilder, elektronische Medikationspläne, elektronische Arztbriefe, Notfalldatensätze. Ab 2022 sollen auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder, das Zahn-Bonusheft oder E-Rezepte digital abrufbar sein. Ab dann können Nutzer all jene Daten zudem strukturiert speichern, vorher geht das nur unsortiert.
Was passiert mit älteren Daten?
Laut dem Patientendaten-Schutz-Gesetz müssen Ärzte nur Patientendaten in die E-Akte eintragen, die im Zusammenhang mit dem aktuellen Behandlungsfall erhoben werden. Sie müssen laut Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen aber nicht alle bereits vorhandenen Daten und medizinischen Befunde einspeisen. Für ältere Daten gebe es noch keine hundertprozentige Einigung, sagt Mediziner Müller-Wieland.
Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Hier gibt es Kritik. Denn für die Startphase ist bei den Zugriffsrechten eine abgespeckte Version vorgesehen. Patienten können nur bestimmen, ob eine Fachkraft auf die Inhalte der Akte zugreifen darf, aber nicht, wer genau welche Befunde sehen darf. Praktisch kann das zum Beispiel bedeuten: Der Hausarzt sieht eventuell einen Befund des Psychologen, ohne dass der Patient dies möchte.
Das soll sich erst 2022 ändern. Datenschützer monieren das vehement, das Bundesgesundheitsministerium teilt die Bedenken nicht.
Die Gematik ist die Gesellschaft, die die Struktur für die E-Akte schafft, das Gesundheitsministerium ist ihr Hauptanteilseigner. Die Gematik verspricht, die Daten seien sicher. Die Server stünden in Deutschland, europäische Datenschutzbestimmungen würden beachtet. Verantwortlich für die Datenverarbeitung seien die Anbieter, in der Regel also die Krankenkassen.
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Was bringt die E-Akte für Patienten?
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sieht vor allem für ältere Menschen mit mehreren Krankheiten Vorteile. Sie können von einer besseren Bündelung der Informationen der verschiedenen Fachärzte und Therapeuten profitieren.
Er spricht aber auch praktische Probleme an. Zum Beispiel, dass vor allem ältere Patienten oft weder Tablet noch Internetzugang haben. Oder, dass die E-Akte mit Blick auf Datenschutz und Funktionen abgespeckt startet und Arztpraxen zunächst nicht verpflichtet sind, an die Infrastruktur angebunden zu sein.
Diabetologe Dirk Müller-Wieland sieht die Entwicklung positiv. „Es ist ein richtiger Ansatz, dass der Patient direkten Zugang bekommt zu seinen Krankheits- und Versorgungsdaten und er auch, wie immer, sagen kann, was damit geschieht.“ Ein Stolperstein muss aber aus dem Weg geräumt werden: „Die Infos sollten dann natürlich auch so formuliert werden, dass Patienten sie verstehen können.“
(dpa)