29. August 2024, 20:07 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Bewusstseinsstörungen, sprachliche Ausfälle, Lähmungen und sogar Wesensveränderungen: Eine Enzephalitis kann sich durch verschiedene Warnsignale zeigen – und viele Ursachen haben. FITBOOK klärt auf.
Die Begrifflichkeiten werden oft verwechselt, wenn von Gehirnentzündungen und Hirnhautentzündungen die Rede ist. Dabei tragen die Namen bereits den Unterschied in sich: Bei der Hirnhautentzündung, der Meningitis, ist die äußere Schicht, die das Hirn umhüllt, betroffen. Bei einer Gehirnentzündung – Enzephalitis – ist das gesamte Gehirn betroffen. Die Symptome können teils zwar ähnlich sein – doch weil unterschiedliche Gehirnbereiche betroffen sind, gibt es auch sehr unterschiedliche Anzeichen. FITBOOK klärt auf über den Verlauf der Erkrankung, Ursachen sowie Therapie.
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Übersicht
Bei einer Enzephalitis sind Viren, Bakterien, Parasiten oder Einzeller in das Gehirn eingedrungen und haben dort eine Entzündung ausgelöst. Bspw. können Herpes-Viren oder das von Zecken übertragene FSME-Virus können eine Enzephalitis auslösen. Tatsächlich kann – selten – aber auch das Immunsystem für die Entzündung verantwortlich sein. Unbehandelt kann eine Hirnentzündung zu langanhaltenden oder dauerhaften Gehirnschäden führen. Es kommt leider nach wie vor zu Todesfällen:
Was sind Ursachen einer Enzephalitis?
Es gibt viele mögliche Ursachen für eine Enzephalitis. Die Eindringlinge, die eine Entzündung des Gehirns auslösen, können von außen kommen: zum Beispiel in Form von Viren, Bakterien, Parasiten, Pilzen oder Einzellern. Herpes-Viren oder das von Zecken übertragene FSME-Virus (Abkürzung für Frühsommer-Meningoenzephalitis) können eine Gehirnentzündung auslösen. Die registrierten Fälle von durch Zecken übertragener Enzephalitis in der EU lagen 2022 bei 3432.
Bei FSME verlaufen die Infektionen mit den Viren ohne Symptome. Das Risiko einer schweren Erkrankung ist bei Menschen über 60 Jahren deutlich erhöht. In welchen Gebieten man besonders auf der Hut sein sollte vor Zecken, lesen Sie hier.
Japanische Enzephalitis
Die häufigste vitale Enzephalitis im asiatisch-pazifischen Raum ist die Japanische Enzephalitis, ausgelöst durch das Japanische-Enzephalitis-Virus (JEV). Übertragen wird das Virus durch Culex-Mücken. Die Zeit vom Stich bis zum Erkrankungsbeginn beträgt fünf bis 15 Tage.1 Nur bei etwa einem von 250 Infizierten kommt es zu einer schweren Verlaufsform, die bis zum Tod führen kann.2
JEV ist laut der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin bisher nur in Asien und im Westpazifik endemisch. Eine Impfung wird für Reisen in aktuelle Ausbruchsgebiete empfohlen, Informationen dazu bietet das Robert Koch-Institut.3 Bei Reisenden lässt sich die Infektionshäufigkeit laut Auswärtigem Amt kaum einschätzen – in der lokalen Bevölkerung wird diese Infektion jedoch als häufigste Todesursache bei Kindern mit Meningitis (Hirnhautentzündung) vermutet.
Autoimmunenzephalitits
In seltenen Fällen ist der Auslöser der Gehirnentzündung keine Infektion, sondern eine fehlgeleitete Immunantwort. Man spricht dann von einer Autoimmunenzephalitits. „Bei dieser Form der entzündlichen Gehirnerkrankung wird die körpereigene Abwehr aktiviert, ohne dass ein Eindringling vor der Tür steht“, erklärt der Neurologe Prof. Dr. Frank Erbguth FITBOOK. Der Körper reagiert also auf einen äußeren Feind, der gar nicht da ist. In der Folge kommt es zur Bildung von Autoantikörpern gegen das eigene Nervensystem. Diese Form der Enzephalitis wurde 2007 zum ersten Mal beschrieben. Die genaue Ursache dieser Antikörper-Entstehung ist in den meisten Fällen noch unklar.
Laut der Deutschen Hirnstiftung kommt es fünf bis zehnmal pro einer Million Menschen zu einer Autoimmunenzephalitits. Bei einigen Patienten sei eine Krebserkrankung die Ursache. Die häufigste Form der Autoimmunenzephalitis sei die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. Andere Formen sind durch Antikörper gegen LGI1, Caspr2, GABA(A)- oder GABA(B)-Rezeptoren, AMPA-Rezeptoren, mGluR5, GFAP oder IgLON5 charakterisiert.4 Die Erkrankung kann auch nach Virusinfektionen wie Grippe oder Pfeifferschem Drüsenfieber auftreten.
Symptome – woran kann man eine Enzephalitis erkennen?
Das Spektrum der Symptome bei einer Enzephalitis ist breit. „Liegt zum Beispiel eine Entzündung im Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte vor, hat man Sprachstörungen“, erläutert Erbguth. Ist das motorische Zentrum in der rechten Gehirnhälfte betroffen, könne es zu Lähmungen im linken Bein kommen.
Ein Alarmsignal für eine Enzephalitis sind dem Experten zufolge Wesensänderungen: Betroffene seien innerhalb kürzester Zeit in sich gekehrt. Psychische Veränderungen sind demnach bei relativ vielen Patienten zu beobachten: Manche sind depressiv, andere hören Stimmen oder halluzinieren. Auch Sprachveränderungen sind häufig ein Anzeichen für eine Enzephalitits. Betroffenen fallen die Worte nicht ein.
Je mehr die Entzündung nach innen in die Tiefe dringt, desto stärker ist das Gehirn betroffen. Anders als bei der Hirnhautentzündung (Meningitis) haben Betroffene bei einer Enzephalitis Ausfallserscheinungen der Hirnfunktionen, erklärt Neurologe Prof. Frank Erbguth.
Mögliche Anzeichen einer Enzephalitis im Überblick:
- Verwirrtheit
- Sprachstörungen
- Wesensveränderungen
- Halluzinationen
- Lichtempfindlichkeit
- Lähmungserscheinungen
- Kopfschmerzen (auch Meningitis)
- Fieber (auch Meningitis)
- Nackensteife (auch Meningitis)
Wichtig zur Unterscheidung: Bei einer Meningitis treten keine Beeinträchtigungen von Hirnfunktionen auf.
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Wer ist betroffen und wann sollte man zum Arzt?
Neben schweren Virusentzündungen und Krebserkrankungen scheinen saisonale und genetische Faktoren eine Rolle zu spielen. Vermeidbare Risikofaktoren, wie ein Zusammenhang mit Ernährung oder körperlicher Aktivität, sind laut der Deutschen Hirnstiftung bisher nicht bekannt.1
Eine Enzephalitis kann jeden treffen. Man kann nicht vorbeugen, sondern nur schnell reagieren. Bei psychischen Veränderungen oder Lähmungserscheinungen in Kombination mit Fieber sollte man sich sofort an einen Arzt wenden.
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Therapie
Ob man eine Enzephalitis, die durch externe Auslöser auftritt, behandeln könne, hängt laut dem Neurologen Frank Erbguth stark vom Erreger ab. Er erklärt es an zwei Beispielen: „Ist es ein Herpesvirus, dann kann man nicht vorbeugen, aber das Virus effektiv behandeln.“ Umgekehrt sei der Fall bei FMSE: Hier kann man das Virus nicht direkt bekämpfen, sondern nur die Symptome mildern. Dafür gibt es gegen FSME eine Impfung.
Handelt es sich hingegen um eine Autoimmunenzephalitis, versucht man, die Antikörper im Blut zu entfernen und die Produktion neuer Antikörper durch die Gabe von Medikamenten zu verhindern. In jedem Fall sollte man schnell reagieren: Laut der Deutschen Hirnstiftung kann eine früh eingeleitete Therapie in zahlreichen Fällen eine Ausheilung begünstigen. Leichte Störungen von Gedächtnis, Konzentration oder Impulskontrolle können jedoch zurückbleiben.