28. Oktober 2023, 16:35 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Endometriose zählt zu den am häufigsten vorkommenden Unterleibserkrankungen bei Frauen. Der Schmerz ist manchmal so schlimm, dass Frauen nicht laufen können. Andere werden begleitet von Übelkeit. Wiederum andere haben das Problem, dass sie nicht schwanger werden können. Endometriose kann im ganzen Körper starke Schmerzen verursachen.
Die Endometriose ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, bei welcher schmerzhafte Gewebewucherungen außerhalb der Gebärmutter entstehen und wachsen. Sie können sich im Beckenbereich, aber auch an unterschiedlichen Stellen des gesamten Bauchraums ansiedeln. In Ausnahmefällen kann auch die Lunge und der Darm betroffen sein. Aufgrund dessen, dass sich der Verlauf und die Symptome bei den Betroffenen unterschiedlich äußert, wird Endometriose auch als „Chamäleon im Bauch“ bezeichnet, denn die Erkrankung ist facettenreich. FITBOOK nennt Anzeichen, mögliche Folgen und Behandlungsmöglichkeiten. Außerdem gehen wir der Frage nach, wie die Diagnose erfolgt.
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Übersicht
- Was ist Endometriose?
- Wer ist betroffen?
- Ursachen der Endometriose
- Diagnose
- Was sind die Ängste und Sorgen der Patientinnen nach der Diagnose?
- Symptome, die bei Endometriose auftreten
- Eingeschränkte Fruchtbarkeit als Folge einer Endometriose
- Psychische Belastungen durch eine Endometriose
- Ist Endometriose heilbar?
- Behandlungsmöglichkeiten
- Was kommt auf die Patienten zu, wenn sie nichts tun?
- Das rät eine Expertin Frauen, die von Endometriose betroffen sind
- Quellen
- Weitere Quellen
- Quellen
Was ist Endometriose?
Die Gebärmutterschleimhaut bedeutet auf Latein übersetzt „Endometrium“. Von Endometriose spricht man, wenn krankhafte Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle entstehen. Das Gefährliche an ihnen ist, dass sie sich im Bauch- und Beckenraum, sowie Darm oder Bauchfell ansiedeln können. Sollte sich das Gewebe an den Eierstöcken bilden, könnten Schwierigkeiten für die Empfängnis der Frau die Folge sein.
Diese Ansiedelungen werden oft „Herde“ genannt und können zur Bildung von Zysten führen. Besonders problematisch wird die Erkrankung während der Menstruation. Die Zellansammlungen reagieren sozusagen wie die Schleimhaut in der Gebärmutter: Sie wachsen an und bluten dann bei Eintritt der Regelblutung (durch die Geschlechtshormone) wieder ab.
Sollte das Blut nicht abgeleitet werden, kann es zu starken Entzündungen, Vernarbungen oder Verwachsungen kommen. Im schlimmsten Fall wird der Eisprung gestört oder findet sogar gar nicht statt.
Was ist mit „Chamäleon im Bauch“ gemeint?
Der Krankheitsverlauf ist sehr individuell: Manche Betroffene haben keine Beschwerden und auch kein Handlungsbedarf; etwa die Hälfte der Betroffenen muss jedoch dauerhaft behandelt werden, weil sie unter chronischen Schmerzen und anderen Symptomen leiden.
Da eine Endometriose unterschiedliche Anzeichen haben und Verläufe nehmen kann, wird die Gewebewucherung auch „Chamäleon im Bauch“ genannt. Viele betroffene Frauen wissen nicht, dass sie an der Erkrankung leiden und erhalten die Diagnose erst nach vielen Jahren mit Beschwerden.
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Wer ist betroffen?
Schätzungen zufolge sind in Deutschland zwischen acht und 15 Prozent aller Mädchen und Frauen von Endometriose betroffen, also etwa zwei Millionen. Am größten ist die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr.1 Erste Symptome können bereits in der Pubertät während der ersten Menstruation auftreten.
Obwohl Endometriose sehr verbreitet ist und schlimme Auswirkungen haben kann, wird sie leider gesellschaftlich kaum wahrgenommen. Viele Betroffene erhalten erst nach jahrelangen Beschwerden eine entsprechende Diagnose und haben bis zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas von der Erkrankung gehört.
Ursachen der Endometriose
Für gewöhnlich baut sich in jedem Menstruationszyklus die Schleimhaut in der Gebärmutter neu auf und löst sich wieder ab, wenn es zu keiner Befruchtung kommt. In diesem Fall setzt die Regelblutung ein. Die Endometriose-Herde verhalten sich ähnlich: Sie wachsen in der ersten Hälfte des Monatszyklus heran und werden dann in der zweiten Hälfte wieder abgestoßen.
Doch das abgelöste Endometriose-Gewebe kann (anders als bei der Gebärmutter) nicht über die Scheide abfließen. Folglich kann es zu Entzündungen, Verklebung und der Entstehung von mehr Zysten kommen. Je nachdem wo sich das Gewebe gebildet hat, sind die Schmerzen unterschiedlich stark.
Weshalb ursprünglich eine Endometriose entsteht, ist bis heute leider ungeklärt. Es wird vermutet, dass das Immunsystem, die Hormone und eine familiäre Veranlagung bei der Erkrankung von Endometriose eine Rolle spielen. Allgemein ist die körpereigene Abwehr dafür zuständig, zu verhindern, dass sich Organgewebe nicht in anderen Bereichen des Körpers festsetzt. Bei der Endometriose ist dieser Vorgang allerdings gestört.
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Diagnose
Abtasten
Damit sich eine Diagnose stellen lässt, ist ein ausführliches Gespräch (Anamnese) mit einer Gynäkologin oder einem Gynäkologen nötig. Zunächst wird erfragt, wo genau die Schmerzen auftreten, ehe eine Tast- und Sichtuntersuchung durchgeführt wird. So kann festgestellt werden, ob leichtes Bewegen und Druck auf unterschiedliche Bereiche schmerzhaft sind.
Ultraschalluntersuchung
Mit ihr lassen sich große Endometriose-Herde und -Zysten feststellen. Der Ultraschall kann jedoch keine kleinen Verwachsungen oder Ansiedlungen wahrnehmen. Jedoch lassen sich damit Zysten an den Eierstöcken, im Bauch oder am Darm feststellen.
Bauchspiegelung (Laparoskopie)
Sie stellt die zuverlässigste Methode bei der Diagnose einer Endometriose dar. Der Eingriff erfolgt unter Vollnarkose: Mit einer kleinen Kamera werden Bilder von den Organen und dem Bauchraum gemacht, wodurch Verwachsungen und Zysten schnell entdeckt, Proben entnommen und kleine Endometriose-Herde entfernt werden können.
Was sind die Ängste und Sorgen der Patientinnen nach der Diagnose?
Anja Moritz hat als Geschäftsführerin der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. tagtäglich mit Endometriose-Patientinnen zu tun. Sie weiß genau, was die Diagnose für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet:
„Die Diagnose Endometriose bedeutet zum einen für Patientinnen das Ende einer oft langen Phase der Unsicherheit und des Zweifels und geht dadurch mit einer ‚Erleichterung‘ einher, endlich zu wissen, woher die Beschwerden rühren, zum andere kommt aber mehr oder weniger zeitgleich die Ernüchterung oder der Schock mit der Erkenntnis an einer chronischen und unheilbaren Erkrankung zu leiden. Danach setzten bei den Patienten Phasen ein, in welchen die Krankheit emotional bewältigt werden muss. Dem Schock folgen teilweise Aggressionen und Fragen wie ‚Warum gerade ich? Wut kann sich breit machen. Vor allem Angehörige können dies sehr zu spüren kommen. Im Weiteren schlagen die Gefühle um und Niedergeschlagenheit kann sich breit machen. Das kann sich negativ auf das Selbstwertgefühl auswirken. Die Aussicht auf einen möglicherweise unerfüllbaren Kinderwunsch belastet die Partnerschaften. In der folgenden Verhandlungsphase versuchen viele Betroffene verschiedenste Therapiemethoden aus, die ihnen eine Aussicht auf ein ’normales Leben‘ zu bieten scheinen. Erst mit der Phase der Akzeptanz haben die Betroffenen die Krankheit in ihr Leben integriert, betrachten sie als einen Bestandteil ihrer selbst.“
Anja Moritz, Geschäftsführerin der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. zu FITBOOK
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Symptome, die bei Endometriose auftreten
Das Tückische an der Endometriose ist, dass die Symptome sehr vielseitig auftreten können – wie die Farben eines Chamäleons. „Allen voran stehen die extremen Unterleibsschmerzen, die zunächst zyklisch, später auch azyklisch auftreten können. Schmerzen beim Stuhlgang, Wasserlassen und beim Geschlechtsverkehr gehören ebenfalls zu den häufigsten Symptomen“, sagt Anja Moritz zu FITBOOK. Auch starke Blutungen können Begleiterscheinungen sein, gepaart mit anderen Beschwerden wie Verdauungsproblemen, Unverträglichkeiten und Schmerzen in weiteren Körperregionen.
Beschwerden oder Symptome, die bei einer Endometriose (neben den Menstruationsschmerzen) auftreten, sind:
- Schmerzen im Unterbauch (unabhängig von der Periode)
- Zwischenblutungen und starke Menstruation
- Rücken- und Bauchschmerzen
- Schmerzen bei oder nach dem Geschlechtsverkehr
- Durchfall, Blähungen, Verstopfungen
- Schmerzen bei gynäkologischen Untersuchungen
- Übelkeit
- Zyklische Blutungen (aus Darm oder Blase)
- Müdigkeit, Erschöpfung
- Auftreten von Autoimmunerkrankungen oder Allergien
- Unerfüllter Kinderwunsch
- Infektanfälligkeit
Sollten die genannten Symptome oder Beschwerden auftreten, ist eine Therapie zur Behandlung notwendig. Jedoch gibt es auch Frauen, die zwar von Endometriose betroffen sind, aber keine Beschwerden beziehungsweise Einschränkungen erleben. Bei ihnen besteht dementsprechend auch kein Behandlungsbedarf.
Eingeschränkte Fruchtbarkeit als Folge einer Endometriose
Die häufigste verbreitete Folge der Endometriose ist ein unerfüllter Kinderwunsch, beziehungsweise eine eingeschränkte Fruchtbarkeit der Frau. Bei fast 50 Prozent der Frauen, die keine Kinder bekommen können, ist Endometriose die Ursache.2 Viele Betroffene erfahren deshalb erst von ihrer Diagnose, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt.
„Betroffene erleben es oft als unsensibel, wenn ihnen Ärzte in Verbindung mit der Diagnose zu einer baldigen Schwangerschaft raten“, sagt Anja Moritz zu FITBOOK. Es sei ein Mythos, dass eine Schwangerschaft die Symptome beseitige oder dass nach einer Schwangerschaft die Beschwerden vorbei wären. Kein Mythos sei jedoch, dass u.a. zunehmender Organbefall die Fruchtbarkeit einschränken und Operationen an den Eierstöcken zur Entfernung von Endometriose-Zysten die Eizellreserven schädigen könne.
Zudem nimmt die Eizellenreserve im Laufe der Jahre ab. „Je früher also eine Schwangerschaft geplant ist, umso größer sind die Chancen, dass diese auf natürlichem Weg eintritt. Bei der medikamentösen und operativen Behandlung sollte immer berücksichtigt werden, ob ein Kinderwunsch besteht oder nicht. Jedoch – auch wenn Betroffene alles tun, um den Kinderwunsch zu erfüllen, bleibt dieser bei vielen von ihnen unerfüllt“, berichtet Moritz aus ihrer Erfahrung.
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Psychische Belastungen durch eine Endometriose
Die lang anhaltenden Schmerzen, die durch die Endometriose verursacht werden, führen oft zu einer Beeinträchtigung in vielen Lebensbereichen der Betroffenen. Sie können körperliche Beschwerden, wie beispielsweise Entzündungen und Vernarbungen sowie psychische Folgen, wie Angst und Stress, verursachen.
Studien zeigen, dass Menschen, die von der Endometriose betroffen sind, unter leichten Depressions- und Angstsymptomen leiden.3 Ebenso verbreitet sind die psychosozialen Auswirkungen auf das Privatleben: Aufgrund mangelnder Belastbarkeit und chronischen Schmerzen, ziehen sich die Betroffenen häufig zurück und vertrauen sich niemanden an. Es kann zu Problemen im sozialen Umfeld und auch in der Partnerschaft kommen. Zusätzlich steigt das Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln.
Ist Endometriose heilbar?
Endometriose ist nicht heilbar. In vielen Fällen verläuft eine Endometriose rezidiv. Das heißt, dass die Beschwerden auch nach einer Operation wieder kommen können. Medikamente haben häufig negative Begleiterscheinungen oder können teilweise nur zeitlich begrenzt eingenommen werden. Die Betroffenen richten häufig einen großen Teil ihres Lebens, ihre Ernährungs- und Bewegungsweise auf die Erkrankung aus, um ihren – oft individuellen – Weg mit der Endometriose zu finden.
Seit 2023 fördert der Bund endlich mit einer separaten Richtlinie die Erforschung der Endometriose – dafür hat sich auch Anja Moritz von der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. stark eingesetzt.
Behandlungsmöglichkeiten
Verschiedene Therapieansätze können die Beschwerden so lindern, dass sich die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Die Therapie hängt sehr von der individuellen Situation ab: Sind Schmerzen und Krämpfe das Problem, lässt sich eine hormonelle Behandlung durchführen. Besteht ein Kinderwunsch, sind hormonelle Mittel ungeeignet.
Schmerzmittel
Damit man die Beschwerden lindern kann, werden oft Schmerzmittel aus der Gruppe der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) eingenommen, etwa Ibuprofen. Regelschmerzen müssten sich damit wirksam lindern lassen, allerdings können Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und Übelkeit auftreten.
Hormonelle Behandlungen
Mithilfe von Hormonen kann die körpereigene Produktion von Hormonen in den Eierstöcken gehemmt werden. Somit kann der Eisprung und die Monatsblutung unterdrückt werden. Hormone, die dafür infrage kommen, sind die Antibabypille, GnRH-Analoga und Gestagene.
Operation
Ist die Endometriose eher schwach ausgeprägt, lässt sie sich bei einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) entfernen. Des Weiteren kommt ein Bauchschnitt (Laparotomie) infrage. Beide Eingriffe werden unter Vollnarkose durchgeführt: Die Endometriose-Herde werden mittels Skalpell, elektrischer Diathermie (Hitze einer elektrisch aufgewärmten Sonde) oder Laserverfahren entfernt.
Die chirurgische Entfernung der Endometriose-Herde und Zysten kann die Schmerzen lindern – wenn es sich um eine Endometriose handelt, die leicht bis mittelschwer ausgeprägt ist. Allerdings ist es unklar, ob der Eingriff etwas an der Fruchtbarkeit einer Frau verbessern kann.
Laut Anja Moritz ist es wichtig, dass die Betroffenen selbstbestimmt entscheiden, ob und welche Behandlungsmethode sie zu welchem Zeitpunkt wählen. Dafür sei eine ausführliche Aufklärung über Vor- und Nachteile einer Behandlung seitens des behandelnden Arztes essenziell.
Was kommt auf die Patienten zu, wenn sie nichts tun?
Eine nicht behandelte Endometriose führt in der Regel zu sich stetig verstärkenden Beschwerden. Anja Moritz zu FITBOOK: „Die Endometriose-Herde, die grundsätzlich im gesamten Körper wachsen können und zu Zysten und Entzündungen führen, können die Organe nachhaltig schädigen, was weitere Beschwerden nach sich ziehen kann. Verwachsungen am Darm können zu lebensbedrohlichen Darmverschlüssen führen, Wucherungen im Bereich von Nerven können diese schädigen und zu Bewegungseinschränkungen führen.“
Das rät eine Expertin Frauen, die von Endometriose betroffen sind
„Ein Rat, den wir in unserer Endometriose-Beratungsstelle sehr häufig geben, ist, sich nicht abwimmeln zu lassen. So schwer es fällt, Betroffene müssen ihre Behandlung einfordern und sollten im Zweifel immer eine weitere Meinung einholen. Außerdem ist es gut, sich mit der eigenen Erkrankung auseinanderzusetzen, viel Wissen anzueignen und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.“
Anja Moritz, Geschäftsführerin der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.
Quellen
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Erfahrungsbericht FITBOOK-Redakteurin: „Ich wurde oft nicht ernst genommen auf meinem Weg zur Endometriose-Diagnose“
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Weitere Quellen
- Gesundheit.GV.AT. Endometriose: Diagnose. (aufgerufen am 04.10.2023)
- Endometriose-Vereinigung Deutschland E.V. Endometriose und Psyche. (aufgerufen am 04.10.2023)
- USZ. Endometriose. (aufgerufen am 04.10.2023)
- Frauenärzte im Netz. Endometriose. (aufgerufen am 04.10.2023)
- Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Endometriose und Schmerz. (aufgerufen am 04.10.2023)
- Gesundheitsinformation.de. Endometriose. (aufgerufen am 04.10.2023)