7. November 2024, 13:36 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Verlockende Aromen, kein unangenehmer Geruch und obendrein die vermeintlich „gesündere“ Alternative zu Zigaretten: E-Zigaretten verbuchen für sich ein ziemlich unriskantes Image, was sie für viele Menschen attraktiv macht – insbesondere für Jugendliche. Doch die Risiken des Vapens, insbesondere für die Lunge, dürfen nicht unterschätzt werden. Wie groß die Gesundheitsrisiken eines E-Zigaretten-Aromas sind, das insbesondere bei jungen Nutzern beliebt ist, zeigt eine Studie aus Kanada.
E-Zigaretten gibt es in einer riesigen Vielfalt an Geschmacksrichtungen. Viele, wie Beeren, Vanille, Schokolade oder Cola erinnern an Kindheitsgeschmäcker und geliebte Süßigkeiten. Das macht sie besonders für Kinder und Jugendliche interessant: Die Aromen fühlen sich vertraut, einladend und unbedenklich an – ganz anders als der typische Tabakgeschmack, der oft als „erwachsen“ oder sogar unangenehm empfunden wird. Doch der Konsum von E-Zigaretten und explizit auch von E-Zigaretten-Aromen birgt massive Gefahren für die Gesundheit: Vapen spült schädliche Chemikalien in den Körper, die die Lunge, das Herz-Kreislauf-System und andere Organe schädigen können. Partikel im Dampf können entzündliche Prozesse in der Lunge hervorrufen – ganz zu schweigen von der Abhängigkeit, die im Gehirn erzeugt wird. Wie gefährlich eine besonders bei jungen Nutzern beliebtes E-Zigaretten-Aroma ist, fanden kanadische Forscher heraus.
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Übersicht
- Dieses süße E-Zigaretten-Aroma untersuchten die Forscher
- Das enthüllte die eingesetzte Bildgebungstechnik
- Immunzellen in den Lungen regelrecht „gelähmt“
- Immunabwehr beeinträchtigt in Reaktion auf Infektionen
- 3 von 4 Beerendampf-Mäuse starben an Lungenentzündung, wenn sie mit Keim infiziert wurden
- Ein süßlicher Zug mit schwerwiegenden Konsequenzen – wie viel riskieren wir für einen beerigen Geschmack?
- Lungenärzte fordern Verbot von Aromen in E-Zigaretten schon länger
- Quellen
Dieses süße E-Zigaretten-Aroma untersuchten die Forscher
Ein Team um Amelia Kulle von der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie der McGill University Montréal uns Ajitha Thanabalasuriar, Assistenzprofessorin in der Abteilung für Pharmakologie und Therapeutik, setzte Mäuse neun Tage lang aromatisiertem – sowie nicht aromatisiertem – E-Zigarettendampf aus. Bei der Wahl des Aromas entschieden sich die Forscherinnen für ein Beerenaroma, weil fruchtige Geschmacksrichtungen bei jüngeren Nutzern besonders beliebt sind. Als Kontrollgruppe diente ein geschmacksneutrales Liquid, das keinerlei Aromastoffe enthielt. Beide Liquids hatten einen Nikotingehalt von 20 Milligramm pro Milliliter (mg/ml). Das aromatisierte Liquid hatte ein Mischungsverhältnis aus 70 Prozent Vegetable Glycerin und 30 Prozent Propylenglykol: Diese sogenannte „70/30-Base“ erzeugt mehr Dampf und soll dadurch besonders Geschmacksintensiv sein.
Gleichzeitig, also in Echtzeit, untersuchten sie die Veränderung der Immunzellen der Lunge der Mäuse mit Hilfe einer Live-Bildgebungstechnik. Die Fachzeitschrift „Pnas“ veröffentlichte die Studie Ende September. 1
Das enthüllte die eingesetzte Bildgebungstechnik
Die Bilder zeigten, wie sich die Alveolarmakrophagen in den Lungen der Mäuse verhielten. Die Alveolarmakrophagen (AMs) sind spezielle Immunzellen, die auf der Oberfläche der Lungenbläschen (Alveolen) vorkommen. Normalerweise bewegen sie sich dort kontinuierlich umher, um die unteren Atemwege zu überwachen und Krankheitserreger zu entfernen. Sie sind eigentlich so flexibel, dass sie sich regelrecht zum Ort einer Infektion hindurch „quetschen“ können. Und genau das taten sie in den Lungen der Mäuse nicht, wenn diese dem Beerendampf-Aroma ausgesetzt waren!
Immunzellen in den Lungen regelrecht „gelähmt“
Beim Einatmen von Beerendampf-Aroma verloren die Alveolarmakrophagen regelrecht ihr Quetsch-Verhalten, schreiben die Forscher. Die AMs dehnten sich zwar aus, hätten sich jedoch nicht mehr effektiv fortbewegt. Es ist von einer regelrechten „Lähmung“ der Alveolarmakrophagen die Rede.
Diese beschriebene Lähmung reduzierte überdies die Fähigkeit der AMs, Bakterien aus der Lunge zu entfernen, was das Überleben der Bakterien und infolgedessen die Gesundheitsrisiken für die Atemwege erhöhte. Insbesondere wurden bestimmte Proteine, die mit der Zellbewegung in Zusammenhang stehen, wie z. B. CDC42, herunterreguliert, was die Fähigkeit der AMs beeinträchtigte, sich zu bewegen und effektiv auf Infektionen zu reagieren. Das Protein CDC42 steuert unter anderem die Beweglichkeit von Zellen.
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Immunabwehr beeinträchtigt in Reaktion auf Infektionen
Nach mehreren Tagen waren weitere Schäden am Immunsystem der Beerendampf-Mäuse zu beobachten: An den Makrophagen in den AMs – Makrophagen sind Fresszellen, zuständig für die Immunantwort des Organismus – hatten sich Lipide (Fette) angesammelt. Dadurch war ihre Aufgabe, die Lunge zu reinigen, beeinträchtigt. Im Blutstrom spielen solche aufgeschwemmten Fresszellen übrigens eine Rolle bei der Entstehung der Arteriosklerose.
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3 von 4 Beerendampf-Mäuse starben an Lungenentzündung, wenn sie mit Keim infiziert wurden
Beide Ereignisse, also die Lähmung der AMs und das angesammelte Lipid in ihren Fresszellen, sorgte dafür, dass das Immunsystem der Mäuse geschwächt wurde und sich in der Lunge in Folge mehr Bakterien ansammelten. Nicht ohne Folgen für die Gesundheit: Die Mäuse, die dem E-Zigarrenaroma mit Beerengeschmack ausgesetzt waren, hatten ein höheres Risiko für Infektionen! Die Forscher fanden das heraus, indem sie die Mäuse mit einem Erreger infizierten, der weltweit zu den häufigsten Ursachen von Lungenentzündungen zählt: Pseudomonas aeruginosa kann bei immungeschwächten Personen zu schweren Erkrankungen, Atemnot und Tod führen.
Bei den Mäusen, die nicht aromatisiertem Dampf ausgesetzt waren, bewältigte die Immunabwehr das Bakterium. Alle Tiere erholten sich. Bei den Mäusen, die E-Zigarettendampf mit Beerengeschmack ausgesetzt waren, vermehrte sich das Bakterium rasch. Weitere sieben Tage nach der Infektion mit dem Erreger stand es um diese Mäuse nicht gut: Drei von vier starben.
Ein süßlicher Zug mit schwerwiegenden Konsequenzen – wie viel riskieren wir für einen beerigen Geschmack?
Vor dem Hintergrund der Gefahr, die speziell für Kinder und Jugendliche vermarktete, süße Vape-Aromen darstellen, ist diese vorliegende Studie mit Beerengeschmack äußerst relevant. „Wir müssen vorsichtig sein, welche Aromen wir in diese Produkte einbauen“ – so äußert sich Studienautorin Thanabalasuriar.2 Laut Statista lagen 2020 süße Aromen bei den Nutzern von E-Zigaretten auf Platz 3 – eine Auswertung des Blogs „Dampfstart“, für die eine Reihe an Online-Shops nach Bestsellern oder Beliebtheit kategorisiert wurde, zeigt, dass fruchtige Geschmacksrichtungen die Nase vorn haben.3
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Einstiegsdroge Drogenbeauftragter fordert Verbot von Vape-Aromen
Lungenärzte fordern Verbot von Aromen in E-Zigaretten schon länger
Aromastoffe in E-Zigaretten sind schon lange hochumstritten, Experten fordern ein Verbot, FITBOOK berichtete. Lautstark in diese Richtung äußern sich auch Lungenärzte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP): Bereits in der Vergangenheit hätte Studiendaten nahegelegt, dass Aromastoffe in E-Zigaretten so schädlich sind, dass sie „schnellstmöglich verboten“ werden müssten, hießt es dort. Im Kindes- und Jugendalter sei die E-Zigarette mittlerweile das am häufigsten konsumierte nikotinhaltige Produkt, noch vor der Tabakzigarette und der Wasserpfeife, so Professor Wolfram Windisch, Präsident der DGP.4