6. August 2018, 15:58 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In Filmen wie „Anaconda“ oder „Der Krieger und die Kaiserin“ kommt er immer wieder vor: der vermeintlich lebensrettende Luftröhrenschnitt. Doch wie realistisch ist es, dass eine solche Maßnahme jemanden vor dem Erstickungstod bewahrt? FITBOOK sprach mit Experten.
Übersicht
Wie funktioniert ein Luftröhrenschnitt?
Es gibt verschiedene Situationen, in denen ein Luftröhrenschnitt sinnvoll wäre. Wenn ein Patient keine Luft bekommt, soll er mittels Tracheostoma – so der Fachgriff für den Luftröhrenschnitt – beatmet werden können. Der Behandelnde setzt dabei einen Querschnitt im oberen Bereich der Luftröhre, um sie chirurgisch zu öffnen, wobei auch ein Teil des Knorpelgewebes entfernt werden muss. Im Anschluss wird eine Kanüle – in Filmen auch gern mal Kugelschreiberhüllen oder Strohhalme – gelegt, an der entsprechenden Stelle fixiert und zur Beatmung genutzt.
Im Kino und TV sind meist „dilatative“ Luftröhrenschnitte zu sehen. Dabei wird der Hals des Patienten mit einem spitzen Instrument aufgestochen und die Haut durch den Sanitäter quasi aufgedrückt, bis er die Luftröhre erreicht. Mit einem Draht ebnet er dort den Weg für einen Dilatator, also ein spezielles medizinisches Instrument zum Erweitern von Körpergewebe.
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Risiken eines Luftröhrenschnitts
Es versteht sich von selbst, dass die Patientenhaut desinfiziert und das genutzte Werkzeug steril sein muss, um Infektionen zu vermeiden. Die Wunde kann sich entzünden, die Kanüle falsch gesetzt werden oder verrutschen, auch sind Verletzungen der Speiseröhre, ein Luftröhrenverschluss oder Herzstillstand und verschiedene weitere, womöglich fatale Folgen denkbar. Dass auch, wenn alles gut läuft, eine Narbe verbleiben und an die Tracheostoma erinnern wird – ein geringes Übel.
Dennoch. Auf Leinwand oder TV-Bildschirm wird man oft glauben gemacht, dass ein Luftröhrenschnitt die Express-Möglichkeit ist, einen Todesfall zu verhindern – und zudem erstaunlich einfach. Erstmals in der Fernsehserie „MacGyver“ (1985–1992) sah man einen erfolgreichen Luftröhrenschnitt mittels Schweizer Taschenmesser und Kugelschreiber. In der jüngsten Ausstrahlung der ARD-Senderreihe „Tatort“ wurde der Eingriff ähnlich unkompliziert gezeigt. Es wäre kein Wunder, wenn Zuschauer dies so interpretieren, dass auch Laien Hand (und Messer) anlegen sollten, bevor sie einen Menschen sterben lassen.
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Arzt: »Luftröhrenschnitt nur unter sterilen Bedingungen
FITBOOK sprach mit Professor Leo Latasch, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Frankfurt am Main. Seiner Meinung nach solle man es bloß nicht ernst nehmen, wenn Luftröhrenschnitte in der Fiktion als eine einfache Ersthelfermaßnahme dargestellt werden. In Wahrheit handele es sich um einen Eingriff, der im Krankenhaus unter sterilen und stationären Bedingungen durchgeführt werden müsse. Und: „Ein Luftröhrenschnitt kann nur helfen, wenn eine mechanische Verlegung im Kehlkopf vorliegt“, erklärt uns der Arzt – „also nicht, wenn jemand beispielsweise vergiftet wurde.“
Tracheotomie und Koniotomie werden oft verwechselt
Befindet sich ein Patient tatsächlich in einer lebensbedrohlichen Situation, in der keine Beatmung über Mund und Nase möglich ist, müsse nicht ein Luftröhrenschnitt (Tracheotomie), sondern eine Luftröhrenpunktion (Koniotomie) durchgeführt werden. Hierfür gebe es seit einigen Jahren ein Notfallset mit Stechkanülen. Sie müssen (fachmännisch!) in eine bestimmte weiche Stelle zwischen die Knorpelstränge des Kehlkopfs geschoben werden, um eine schnelle Beatmung zu ermöglichen. Wie Professor Latasch erklärt, sind die Nadelspitzen der besagten Instrumente speziell geschliffen, um ein Verletzungsrisiko zu minimieren. Das bedeute aber nicht, dass sie durch Laien verwendet werden dürften! „Nur Ärzte auf Notfalleinsatzwägen und Intensivmediziner können und dürfen mit diesen Sets arbeiten“, so Latasch.
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In welchen Fällen ein Luftröhrenschnitt sinnvoll wäre
Der Frankfurter Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. med. Roman Roitman ist seinerseits oft mit dem professionellen Setzen eines Luftröhrenschnitts betraut. Er bestätigt, dass diese Maßnahme im Notfall seltener genutzt wird als beispielsweise, wenn eine Beatmung von längerer Dauer nötig ist. Dabei besteht ein geringeres Verletzungsrisiko für Kehlkof, Stimmbänder und Naseninnenraum als beispielsweise bei der Intubation. Der entsprechende Beatmungsschlauch führe zudem zu einem Fremdkörpergefühl in Mund oder Nase. Ein weiterer Indikationsbereich: wenn ein Gegenstand oder Lebensmittelteil in die falsche Röhre gelangt ist. „Notfalls müsste man ihn über einen Luftröhrenschnitt entfernen“, weiß Dr. Roitman aus Erfahrung.