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Inhaltsstoffe im Check

„Drachenblut Zahncreme“ von „Good Decision“ aus DHDL – Top oder Flop? Das sagt ein Zahnarzt

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Anna Echtermeyer
Redakteurin

8. April 2024, 18:08 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Am 8. April wurde in der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ eine Zahncreme mit „Superzutat“ vorgestellt, deren wundheilende Wirkung durch wissenschaftliche Studien untermauert sein soll. Ist dieses Produkt wirklich eine „Good Decision“ für die Zähne, wie es der Name des Start-ups nahelegt? Nein, urteilt ein Zahnarzt, dem FITBOOK die Liste der Inhaltsstoffe vorgelegt hat. Warum, lesen Sie hier.

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Das Produkt, welches das Geschwisterduo Monika und Michael Nätscher aus Steinfeld bei Würzburg bei „Die Höhle der Löwen“ vorstellten, hat seine Entstehung nicht nur einer cleveren, irdischen Business-Idee zu verdanken. Hier griff man ganz oben ins Regal und bediente sich offenbar beim Überirdischen, konkret dem Schamanismus. Die Kurzform der Hintergrundgeschichte: Monica, 2017 nach Ecuador ausgewandert, wird von einem Medizinmann in die Welt der Heilpflanzen des Amazonas eingeführt und kommt mit einer Zahncreme mit „Superzutat“ zurück. FITBOOK hat den Zahnarzt und Kieferorthopäden Dr. med. Martin Jaroch gebeten, sich die Inhaltsstoffe der „Amazonas Drachenblut Zahncreme“ aus DHDL anzusehen. Warum man sich damit nicht regelmäßig die Zähne putzen sollte, erklärt er hier.

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Die Versprechen der Macher hinter der „Amazonas Drachenblut Zahncreme“

Die Macher der „Amazonas Drachenblut Zahncreme“ bewerben die Vorzüge für die Zahngesundheit vollmundig: „Antibakteriell, unterstützt die Regeneration des Zahnfleisches“, heißt es auf der Webseite. Neben dem Drachenblut werden natürliche Inhaltsstoffe wie Natron, ätherische Öle, Tonerde und Kalziumkarbonat hervorgehoben. Doch bevor wir uns die „Superzutat“ vorknöpfen, schauen wir uns den Rest an.

Zahnarzt: „Idee von Natron in Zahnpasta ist ein alter Hut“

Bei dem enthaltenen Natron handelt es sich chemisch gesehen um Natriumbicarbonat (Backpulver). „Die Idee von Natron in Zahnpasta ist ein alter Hut“, sagt Zahnarzt Dr. Martin Jaroch zu FITBOOK. Obwohl moderne Forschungsmethoden zu Zahnpasten mit Backpulver erst in den 1970er Jahren begonnen hätten – die erste Zahnpasta mit Backpulver führte Colgate 1974 ein – hätte bereits im Jahr 1911 ein Artikel in einer führenden zahnmedizinischen Zeitschrift das „ideale Zahnpulver“ beschrieben als: „In der Lage, den Zähnen einen hohen Glanz zu verleihen, aber ohne die Gefahr, sie im Geringsten zu zerkratzen“.

Zur Wirkung sagt Jaroch, dass der Effekt grundsätzlich „von der Konzentration und der Kombination mit einem Fluorid abhängt“. Die „Drachenblut Zahnpasta“ aus DHDL enthält laut Herstellerangabe kein Fluorid.

„Daten zur Wirkung sind spärlich und unklar“

„Daten zur Unterstützung der Verwendung von Backpulver bei der Behandlung von Mundgeruch sind recht spärlich und unklar“, so Jaroch zu FITBOOK. Langzeitstudien zu signifikanten Vorteilen von Natron würden bis heute fehlen. Überdies habe das enthaltene Natriumbicarbonat das Potenzial für erhebliche Toxizität, „wenn es in übermäßigen Mengen eingenommen wird“. Das enthaltene Natron kann beim Experten nicht punkten …

Kommen wir zum nächsten beworbenen Bestandteil der „Drachenblut Zahnpasta“, den ätherischen Ölen. Auch hier spricht aus dem Mediziner eher die Ernüchterung. „Die Verwendung von ätherischen Ölen ist ebenfalls ein alter Hut“, sagt Jaroch. Belegt seien deren Vorteile vor allem bei der bereits oft untersuchten Listerine, die bereits 1879 auf den Markt kam, welche signifikant Plaque und Zahnstein reduzieren könne.

In Bezug auf den oft störenden Mundgeruch seien Zahnpasten in der Vergangenheit oft modifiziert worden, um antimikrobielle und oxidierende Wirkstoffe zu enthalten, die sich auf den Prozess der Bildung von Mundgeruch auswirken, erklärt Jaroch. Wie auch beim Natron sei der Effekt „spärlich und unklar“. Es gebe auch Studien, die zeigen konnten, dass durch den Zusatz von ätherischen Ölen Kopfschmerzen ausgelöst werden können.

Auch Tonerde und das Kalziumcarbonat können beim Experten nicht punkten

Zwei weitere von den Gründern beworbene Bestandteile der „Drachenblut Zahnpasta“ sind Kalziumcarbonat sowie Tonerde. „Bereits u.a. 2005 wurde gezeigt, dass Kalciumcarbonat-Partikel von Plaque zurückgehalten werden und dies auch Karies beeinflussen kann, indem sie schädliche Plaque-Säuren neutralisieren und gleichzeitig Calcium freisetzen“, zitiert Jaroch die Ergebnisse der entsprechenden Studie.1 Bei Tonerde handele es sich um einen Abrasionskörper, der im Zuge der veganen Ernährung immer beliebter geworden sei bei Zahnpasten, so Jaroch. Unter Abrasion versteht man in der Zahnmedizin das Abnutzen der Zahnsubstanz. Eine neue Studie zeige, dass „das Zähneputzen mit Zahnpasten, die mit verschiedenen Arten von Mineralton angereichert waren, keinen signifikanten Einfluss auf die Politur und Glätte des Zahnschmelzes hatte“, weiß Jaroch. Die Studie, auf die er sich bezieht, erschien erst kürzlich in der Fachzeitschrift „Journal of Esthetic and Restorative Dentistry“.2

Auch interessant: Parodontitis-Spezialist verrät, wie man seine Mundflora verbessern kann

Und was ist mit der „Superzutat“, dem Drachenblut?

Bis hierhin klingt das sehr ernüchternd. Bleibt noch die experimentelle „Superzutat“ der „Amazonas Drachenblut Zahncreme“: Das Drachenblut, eine tiefburgunderfarbene Harzsubstanz des Regenwaldbaums Croton lechleri aus der Familie der Wolfsmilchgewächse. Das flüssige Harz gewinnt man durch Anritzen der Rinde. Der Prozess ist nachhaltig und gefährdet nicht das Leben des Baumes. Die traditionelle Bevölkerung des Waldes verwendet das Drachenblut hauptsächlich zur Wundversorgung bei Schnitten und Hautabschürfungen. Das Harz trocknet schnell und verschließt die Wunden wie eine zweite Haut. Aufgrund der entzündungshemmenden Eigenschaften des Alkaloids Taspin, das insbesondere im Harz enthalten ist, heilen die Wunden schnell und werden desinfiziert.

Aber was bringt es, sich mit dieser Substanz regelmäßig die Zähne zu putzen? Schließlich bewerben die Gründer die Wirkung von Drachenblut („beugt Zahnfleischentzündungen und Parodontitis vor“, „schützt Zähne und Zahnfleisch“) als wissenschaftlich belegt. Auch mit dieser Behauptung hat der Zahnarzt ein Problem: Weder gebe es Untersuchungen zu den langfristigen Folgen noch solche, die sich auf eine bestimmte Konzentration bezögen.

»Tägliche Applikation von Tapsin kann Risiko für die Mundgesundheit darstellen

Nun zur Wirkung: Bei Taspin handele es sich um einen natürlichen Hemmstoff des sogenannten P2X4-Rezeptors der Makrophagen. Makrophagen sind eine Art von weißen Blutkörperchen, deren Aufgabe darin besteht, in den Körper eingedrungene Erreger wie Bakterien, Viren oder Toxine zu vernichten. Laut Jaroch kann die gezielte Beeinflussung von Makrophagen zwar eine praktikable Strategie zur Behandlung von Patienten mit Parodontitis darstellen – „der Schlüssel zur parodontalen Gesundheit ist Taspin aber nicht“, lautet sein Urteil. In Sachen Regulation der Makrophagen-Antwort sei unterm Strich noch vieles unklar. „Daher kann eine dauerhafte Hemmung durch tägliche Applikation von Tapsin ein Risiko für die Mundgesundheit darstellen“, sagt Jaroch bezugnehmend auf eine Studie aus dem Jahr 2022, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Japanese Dental Science Review“.3

Experte: „Der am besten untersuchte Kariesschutz fehlt“

Überdies fehlen der „Amazonas Drachenblut Zahncreme“ Fluoride – und damit der aus heutiger Sicht wissenschaftlich am besten untersuchte Kariesschutz. Jaroch: „Die Abwesenheit von Fluoriden in Zahnpasta ist ein Kariesrisiko.“

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Fazit – „Drachenblut Zahncreme“ aus DHDL ist keine gute Entscheidung

Der Name „Good Decision“ implementiert, dass man mit dem Produkt die richtige Entscheidung für seine Zahngesundheit trifft. Dies stützt sich aber nicht auf die aktuelle Datenlage zum neuen Bestandteil – dem Extrakt des Drachenblutbaumes – bzw. existiert hierzu gar keine Datenlage. „Das Problem mit Zahnpasta und Mundspülung ist, dass es in Deutschland kein Medizinprodukt ist und somit als Kosmetikum läuft“, weiß Jaroch. Er kritisiert, dass Zahnpflege nicht konsequent als prophylaktischer medizinischer Eingriff gesehen wird – „sollte es aber aus meiner Sicht, denn die Verschreibung der richtigen Zahnpasta und Spülung durch den Zahnarzt hätte sicherlich sehr positive Auswirkungen auf die Mundgesundheit“, schließt der Experte.

Die komplette Folge von „Die Höhle der Löwen“ können Sie im Stream auf RTL+ anschauen.

Quellen

Quellen

  1. Pickles M.J., Evans M., Philpotts C.J. et al. (2005). In vitro efficacy of a whitening toothpastecontaining calcium carbonate and perlite. International Dental Journal. ↩︎
  2. Goncalves I.M., da Silva J.A., Baggio Aguiar F.H. et al. (2024). Development of toothpaste formulations containing mineral clays as abrasive agents and their effects on the physical properties of dental enamel. Journal of Esthetic and Restorative Dentistry. ↩︎
  3. Yin L., Li X., Hou J. (2022). Macrophages in periodontitis: A dynamic shift between tissue destruction and repair. Japanese Dental Science Review. ↩︎
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