13. Dezember 2018, 18:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Viele Keime sind gegen Antibiotika resistent, neue Wirkstoffe müssen also her. Im Gift von Wespen haben Forscher jetzt vielleicht die Lösung gefunden.
Das Jahr 2018 war geprägt von Wespen, sehr vielen Wespen, über die wir uns alle sehr aufgeregt haben. Was wir wahrscheinlich nicht wussten: Im gefürchteten Wespengift stecken sehr viele gute – weil antibakterielle – Stoffe. Für die Wissenschaft ist der letzte Punkt freilich keine Neuheit. Neuer ist, dass man aus Wespengift auch Stoffe gewinnen kann, die ihre Wirkung erzielen, ohne für den Menschen (zu) toxisch zu sein.
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In einer Studie, erschienen in der Fachpublikation Nature Communications Biology, hat ein internationales Wissenschaftlerteam eine chemische Verbindung in Wespen entdeckt, die einen genauso verbreiteten wie gefährlichen Krankenhauskeim in Mäusen abtöten konnte, ohne den Mäusen dabei zu schaden.
So war die Studie aufgebaut
Im Rahmen einer gesunden Immunabwehr können viele Organismen, darunter auch der Mensch, sogenannte Peptide bilden, die Bakterien töten können. Um den Vormarsch antibiotikaresistenter Bakterien zu bekämpfen, versucht die Forschungswelt, diese Peptide aus Wespengift herauszufiltern, um sie anschließend in Aufbau und Wirkungsweise abzuändern und – im besten Fall – eines Tages zu wirksamen Medikamenten zu machen. Was uns wieder zu den Wespen zurückbringt.
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Wann sind Peptide?
„Peptide sind organisch-chemische Verbindungen, die so heißen, weil sie Peptidbindungen zwischen Aminosäuren enthalten. Vereinfach gesagt handelt es sich dabei um kleine Proteine, also Eiweiße. “–
Wissenschaftler der MIT haben sich mit den antibakteriellen Eigenschaften des Giftstoffs einer südamerikanischen Wespe beschäftigt, der Polybia paulista. Dabei haben sich die Forscher auf ein ganz bestimmtes Peptid konzentriert, das sie aus der Wespe isolieren konnte, wie man auf MIT News nachlesen kann.
Dessen Aufbau ist durch eine sogenannte α-Helix-Struktur geprägt, die mit Zellmembranen in Wechselwirkung tritt. Das ist deswegen relevant, weil Peptide Bakterien wohl dadurch töten, dass sie ihre Zellmembran zerstören.
In seiner Grundform ist das aus der Polybia paulista gewonnene Peptid zu schädlich für den Menschen. Darum haben die Forscher in einem zweiten Schritt angefangen, das Peptid strukturell zu verändern und die dabei entstandenen Varianten gegen sieben Bakterienstämme und zwei Pilze zu testen. Infolgedessen haben die Wissenschaftler Struktur und Wirkung miteinander in Verbindung gesetzt und eine Vorauswahl an besonders hochwirksamen Peptiden getroffen.
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Jetzt kam der zweite und entscheidende Schritt: Das Forscherteam hat sich angeschaut, wie es um ihre Verträglichkeit für den Menschen bestellt ist. Dafür haben sie die Peptide auf menschliche embryonale Nierenzellen „losgelassen“, die in einer Petrischale gezüchtet worden sind – mit Erfolg.
Einer der Hauptautoren der Studie, Cesar de la Fuente-Nunez vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), fasst das Ergebnis wie folgt zusammen: „Uns ist es gelungen, ein giftiges Molekül in ein leistungsfähiges Molekül zu verwandeln, mit dem man Infektionen behandeln kann.“
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Dieser Krankenhauskeim konnte abgetötet werden
Zu den sieben Bakterienstämmen, mit denen die Mäuse infiziert waren, gehörte auch das Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Dieses Bakterium ist ein Krankenhauskeim, der Mehrfachresistenzen gegenüber Antibiotika aufweist. So gehen Schätzungen davon aus, dass rund 10 Prozent aller Krankenhausinfektionen in Deutschland auf das Pseudomonas aeruginosa zurückgehen.
Und mit dem Bakterium ist nicht zu scherzen, denn das Spektrum an Krankheiten, das Bakterien dieser Art auslösen können, ist breit. Am häufigsten kommt es – neben Harnwegsinfekten – zu Lungenentzündungen, die gerade im Kontext von Krankenhäusern bei häufig eh schon geschwächten Patienten lebensgefährlich sein können. Vor allem dann, wenn Antibiotika nicht mehr anschlagen.
Und genau dieses Bakterium konnte – wenn auch nur in hoher Dosierung – durch eines der getesteten Peptide vollständig eliminiert werden.
Cesar de la Fuente-Nunez erklärt dazu: „Nach vier Tagen hat die Verbindung die Infektion vollständig besiegen können, was ziemlich überraschend und auch aufregend war. Denn bei anderen zuvor getesteten experimentellen Antibiotika hatten wir das nicht.“
Die Forscher haben indes begonnen, andere Varianten zu untersuchen, die auch niedriger dosiert Infektionen besiegen können. Wollen wir für sie – und die Menschheit – hoffen, dass sie möglichst schnell weitere Erfolge verbuchen können.