2. Dezember 2019, 18:09 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein Professor für Biowissenschaft behauptet, dass bestimmtes Starkbier gut für den Darm ist – und seine toll klingende Behauptung wird von vielen Medien eifrig aufgegriffen. Doch Biertrinken und seiner Gesundheit damit noch was Gutes tun, klingt das nicht irgendwie zu schön, um wahr zu sein? FITBOOK hat bei zwei Experten nachgefragt.
Professor Dr. Eric Claassen, der an der Freien Universität Amsterdam zum Thema Biowissenschaften forscht, hat vor Kurzem bei einem Vortrag etwas wahrlich Berauschendes zum Besten gegeben, das vor allem von der englischen Presselandschaft begeistert aufgegriffen wurde: Belgisches Starkbier sei aufgrund seiner zahlreichen darmfreundlichen Bakterien „sehr gesund“.
Die angepriesenen Biersorten, zu denen unter anderem Hoegaarden, Westmalle Tripel und Echt Kriekenbie zählen, seien reich an probiotischen Mikroben. Dies sei darauf zurückzuführen, dass sie im Gegensatz zu herkömmlichem Bier zweifach fermentiert werden. Dabei entstehe nicht nur der markante Geschmack und erhöhte Alkoholgrad, sondern es komme außerdem eine Bierhefe-Sorte zum Einsatz, die ungesunde Darmbakterien abtöten können soll. Dieselbe Wirkung kenne man auch von Kimchi, Kefir und bestimmten Joghurt-Drinks.
„Sie bekommen ein stärkeres Bier, das sehr, sehr gesund ist“, wird Claassen unter anderem in der britischen Tageszeitung „The Independent“ zitiert. Und weiter: „In hohen Konzentrationen ist Alkohol schlecht für Ihren Darm, aber wenn Sie von diesen Bieren nur eins pro Tag trinken, ist das sehr gut für Sie.“
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Das sagt der Ernährungswissenschaftler
Wow. Bier trinken soll der (Darm-)Gesundheit guttun. Klingt für Liebhaber des Getränks fabelhaft. Darum wollte FITBOOK von einem unabhängigen Experten wissen, was an der Meldung – und den angeblichen Starkbier-Stärken – dran ist.
Der renommierte Ernährungswissenschaftler und Diplom-Ökotrophologe Prof. Dr. Worm hat uns dann (leider) schnell ernüchtert: Die Zugabe von Bakterien (Probiotika) sei generell nichts Neues. Und ja, neue Bakterien hätten auch immer vorübergehend einen Einfluss auf den Rest der Darmbakterien (Mikrobiom). „Aber ob man damit gesünder wird oder einen Tag länger gesund lebt, ist völlig unklar. Wenn Herr Claassen nicht eine placebokontrollierte Studie zu einem vorher definierten Krankheitsbild durchführt und ein statistisch signifikanter Effekt nachweisbar ist, weiß man gar nichts in Bezug auf gesundheitliche Wirkung!“, stellt Prof. Worm gegenüber FITBOOK klar.
Von einer zugrundeliegenden Studie, die den gesundheitsfördernden Einfluss von belgischem Starkbier untermauert, ist nichts bekannt. Auf FITBOOK-Nachfrage reagierte Prof. Claassen bisher nicht.
Dann wollten wir noch von Prof. Worm wissen, ob man zumindest sagen könne, dass belgisches Starkbier – basierend auf den postulierten probiotischen Eigenschaften – gesünder sei als herkömmliches Bier? Seine Antwort: „Nein, natürlich nicht. Wie misst man ‚Gesundheit‘? Sicherlich nicht an irgendwelchen Inhaltsstoffen, die man in 1000 anderen Nahrungsmitteln/Getränken ebenfalls erhält.“
Das sagt der Internist
Auch Dr. med. Matthias Riedl, Ernährungsmediziner und Internist, zeigt sich wenig beeindruckt von Claassens Argumenten: Zwar seien dem Experten zufolge fermentierte Nahrungsmittel immer eine Empfehlung für die Darmflora. So seien fermentierte Milchprodukte gesünder als unfermentierte. Das doppelt fermentierte Bier habe aber einen großen Nachteil, wie Dr. Riedl FITBOOK erklärt: „Schon ab dem ersten Tropfen Alkohol steigt das Risiko für Krebsförderung und Herzrhythmusstörungen. Das ist ärgerlich. Deshalb meine Empfehlung: Wenn es nicht unbedingt Alkohol sein muss, dann alkoholfreies Bier.“
Eine kleine gute Nachricht hat Dr. Riedl dann doch für Fans von belgischem Starkbier: „Wenn es aber doch Bier mit Alkohol sein soll, dann doppelt fermentiertes Bier.“ Aber auch hier stecke der Teufel im Detail, denn: „In höherer Dosierung schädigt Alkohol die gesunde Darmflora!“
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Fazit
Zu behaupten, so wie es Prof. Claassen tat, dass Starkbier à la Hoegaarden oder Westmalle Tripel „sehr gesund“ sei, geht aus Sicht zweier Ernährungsexperten definitiv zu weit. Allenfalls könne man sich damit trösten, beim Griff zum Bier aus Belgien das kleinere Übel gewählt zu haben.