4. Oktober 2023, 13:24 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Eine Erkrankung an Diabetes Typ 2 ist natürlich zu keinem Zeitpunkt günstig. Doch vor Erreichen des 30. Lebensjahres scheinen die Folgen des Befunds für die Lebenserwartung besonders gravierend zu sein. Das zeigt eine aktuelle Studie der Uni Cambridge. Lesen Sie mehr dazu bei FITBOOK.
Neben einer entsprechenden Veranlagung können vor allem Bewegungsmangel und eine unausgewogene, zuckerreiche Ernährung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Der Befund geht mit verschiedenen gesundheitlichen Folgen einher – oft auf Kosten der Lebenswartung. Dies gilt laut aktuellen Forschungserkenntnissen besonders, wenn man bereits in jungen Jahren die Diagnose erhält. Vor dem Hintergrund ist es fatal, dass viele Erwachsene es mit einem Liebesbeweis verwechseln, wenn sie Kinder mit unbegrenztem Zugang zu Süßigkeit „verwöhnen“.
Übersicht
Immer mehr junge Menschen erkranken an Diabetes
Früher hat man zu Diabetes Typ 2 häufig Altersdiabetes gesagt. Denn, wie bereits erwähnt, ist zumeist die Lebensführung dafür mitverantwortlich, wenn man sich die Stoffwechselkrankheit mit den Jahren „heranzüchtet“. Doch seit einiger Zeit erkranken „auch junge Erwachsene, sogar Jugendliche daran“.1 Darauf weist das Bundesministerium für Gesundheit schon länger hin.
Es ist eine Entwicklung, die Forscher auf der ganzen Welt mit Schrecken beobachten, so auch Mitarbeiter der Universität von Cambridge. Sie erklären sich den weltweiten Anstieg der Fälle damit, dass immer mehr Menschen sich schlecht ernähren und vordergründig sitzenden Tätigkeiten nachgehen. Im Kindesalter wird der Grundstein für die spätere Gesundheit gelegt; bei ihnen ist eine entsprechende Lebensführung besonders folgenschwer. In ihrer Studie beleuchteten die Forscher nun genauer, wie Diabetes Typ 2 sich auf die Lebenserwartung jung Erkrankter auswirkt – mit erschreckenden Ergebnissen.
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Erkrankung verkürzt die Lebenserwartung
Es war schon vorher kein Geheimnis, dass Diabetes die Lebenserwartung verkürzen kann.3 Denn die Krankheit erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei un- oder schlecht behandelten Patienten droht zudem neben Durchblutungsstörungen ein potenziell tödliches Nierenversagen. Man ging gemeinhin von einer Lebenszeitverkürzung um bis zu rund acht Jahre aus. Doch bisherige Untersuchungen hatten sich auf Patienten höheren Alters konzentriert und außerdem nicht zwischen Frauen und Männern unterschieden.
Die aktuelle Studie der Uni zeigt, wie dramatischer die Folgen einer Diabetes-Erkrankung für jüngere Menschen sein können. Demnach haben männliche Patienten, die vor dem 30. Lebensjahr erkranken, eine um rund 14 Jahre kürzere Lebenserwartung als der Durchschnitt der Bevölkerung. Frauen wurden gesondert betrachtet (mit sogar noch alarmierenderen Erkenntnissen).
Details zur Untersuchung
Die Forscher haben rund 1,5 Millionen Patientendaten aus der UK Biobank sowie Ergebnisse aus der Emerging Risk Factors Collaboration ausgewertet. Bei Letzterem handelt es sich um eine umfassende Analyse der Korrelationen zwischen u. a. Lipid- und Entzündungsmarkern und Herz-Kreislauf-Erkrankungen von mehr als 1,1 Millionen Teilnehmern aus insgesamt 104 Studien.
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Die Datenlage soll deutlich gezeigt haben, dass die Lebenserwartung umso drastischer sinkt, je früher Typ-2-Diabetes festgestellt wurde. Im Alter von 30 Jahren führte die Diagnose zu einer im Schnitt um 14 Jahre verkürzten Lebenszeit. Mit 40 waren es immer noch 10 eingebüßte Lebensjahre. Ab dem 50. Lebensjahr lebten die Betroffenen im Schnitt um 6 Jahre kürzer als Personen ohne Diabetes.
Dabei sollen die Folgen für erkrankte Frauen noch gravierender sein. Bei ihnen verkürzte sich den Daten zufolge die Lebenswartung um sogar 16 Jahre, wenn sie vor dem 30. Lebensjahr erkrankten. Mit 40 waren es bei ihnen rund 11 und ab dem 50. Lebensjahr im Schnitt 7 Jahre.
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Dringende Mahnung an die Bevölkerung
„In Anbetracht der Auswirkungen, die Typ-2-Diabetes auf die Lebenserwartung der Menschen haben wird, sollte die Verhinderung der Krankheit – oder zumindest die Verzögerung ihres Ausbruchs – eine dringende Priorität sein.“ So äußert sich Dr. Stephen Kaptoge, Studienautor und Statistiker an der Uni Cambridge, aktuell in einer Universitätsmitteilung.4
Veranlagte Personen sollten demnach identifiziert und unterstützt werden, „sei es durch Verhaltensänderungen oder durch die Einnahme von Medikamenten zur Senkung ihres Risikos“, so der Forscher. Daneben fordere er strukturelle Veränderungen durch die Gesellschaft in Bezug auf die Herstellung von Lebensmitteln, und weiterhin Maßnahmen für mehr körperliche Aktivität.
Experte bestätigt den Ernst der Lage
FITBOOK hat sich dazu auch mit Dr. med. Matthias Riedl ausgetauscht. Der Ernährungsmediziner und Diabetologe mahnt von jeher zu gesünderen Lebensgewohnheiten. „Kinder sind besonders vulnerabel für Schäden durch das metabolische Syndrom“, so der Experte. „Bei ihnen kommen die Folgeschäden nicht nur um Jahre früher, sondern auch noch umso schwerer.“
Was wir eingangs zur Verantwortung von Eltern und Fürsorgern anführten, kann Dr. Riedl bestätigen. Die Dauer bis zur Erkrankung hänge von der Schwere der Fehler ab, die bei der Ernährung und Bewegungsförderung von Kindern begangen werden. Ein Prozent der stark übergewichtigen Kinder leiden bereits an Diabetes. „Die Erkrankung hat in diesem Alter eine Steigerungsrate von fünf Prozent pro Jahr“, betont der Arzt. Wenn nicht bald etwas passiert, sieht er eine Lawine an Krankheitslast auf uns zukommen, die nicht mehr zu bewältigen sein wird.

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Quellen
- 1. Bundesministerium für Gesundheit: „Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2“ (aufgerufen am 04.10.2023)
- 2. Kaptoge, S. Seshasai, S. Sun, L. et al. (2023). Life expectancy associated with different ages at diagnosis of type 2 diabetes in high-income countries: 23 million person-years of observation. The Lancet Diabetes & Endocrinology.
- 3. Heald, A., Stedman, M. Davies, M. et al. (2020). Estimating life years lost to diabetes: outcomes from analysis of National Diabetes Audit and Office of National Statistics data. Cardiovascular Endocrinology & Metabolism.
- 4. University of Cambridge. Type 2 diabetes diagnosis at age 30 can reduce life expectancy by up to 14 years“.(aufgerufen am 04.10.2023)