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Studie

Diese Volkskrankheit erhöht das Krebsrisiko – besonders bei Männern

Forscher haben genauer untersucht, wie genau Diabetes mit einzelnen Krebsarten in Verbindung stehen könnte
Forscher haben genauer untersucht, wie genau Diabetes mit einzelnen Krebsarten in Verbindung stehen könnte Foto: Getty Images/Science Photo Library RF

31. März 2025, 13:35 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Diabetes bedeutet, dass der Zuckerstoffwechsel nicht mehr richtig funktioniert, was unbehandelt etwa zu einem diabetischen Schock führen kann. Zudem müssen Diabetiker damit rechnen, langfristig weitere schwerwiegende Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nieren-, Augen- und Nervenleiden zu bekommen. Auch mit der Entstehung von Krebs wird Diabetes in Verbindung gebracht. Diesen Zusammenhang hat eine aktuelle Studie jetzt genauer untersucht – mit dramatischen Erkenntnissen.

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Warum man bei Diabetes von einer Volkskrankheit spricht? Aufgrund folgender Zahlen: Aktuell leben in Deutschland rund 11 Millionen Menschen mit Diabetes, darunter 8,7 Millionen mit einem diagnostizierten Typ-2-Diabetes und 372.000 mit Typ-1-Diabetes. Vermutete Dunkelziffer: Etwa zwei Millionen Menschen, die noch nichts von ihrer Erkrankung wissen. Jährlich erkranken mehr als eine halbe Million Erwachsene neu an Diabetes, was etwa 1600 Neuerkrankungen pro Tag entspricht.1 Damit gibt es also rund 13 Millionen Diabetiker hierzulande, die nicht nur wegen ihrer akuten Erkrankung in Behandlung sind oder es sein sollten, sondern auch ein hohes Risiko für weitere schwerwiegende Erkrankungen haben. Darunter fallen auch diverse Formen von Krebs – für welche und wie stark genau die Diagnose Diabetes das Risiko erhöht, hat die erwähnte Studie herausgefunden.

Übergewicht, Diabetes und Risiko für Krebs

Übergewicht, das durch falsche Ernährung entsteht, ist der größte Risikofaktor für die Entstehung von Diabetes Typ 2. Etwa 80 Prozent der Diabetiker haben ein zu hohes Körpergewicht.2 Ebenso ist wissenschaftlich belegt, dass diverse Krebserkrankungen mit Übergewicht bzw. Adipositas zusammenhängen, darunter Nierenkrebs, Darmkrebs, Leberkrebs, Speiseröhrenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs und bei Frauen noch Brustkrebs und Eierstockkrebs.3,4

Da also sowohl Diabetes als auch diverse Arten von Krebs einen Zusammenhang zu Übergewicht aufweisen, wollten Forscher aus Großbritannien nun wissen, inwieweit auch eine Verbindung zwischen neuer Diabetesdiagnose und Krebs bestehe. Dafür betrachteten sie nicht nur das Gesamtkrebsrisiko, sondern auch das Risiko für einzelne mit Übergewicht assoziierte Krebserkrankungen.

Hintergrund zur Studie

Die Studie wurde von einem Forschungsteam der Manchester University durchgeführt und wird auf dem Europäischen Adipositas-Kongress (ECO 2025), der im Mai in Spanien stattfinden, vorgestellt werden. Die Untersuchung, von der zum jetzigen Zeitpunkt nur eine Pressemitteilung der „European Association for the study of Obesity“ vorliegt, wurde noch keiner unabhängigen Peer-Review unterzogen, weshalb ihre Erkenntnisse noch mit leichter Vorsicht zu genießen sind.5 Dennoch wollen wir Ihnen die wirklich drastischen Zahlen, die die Analyse hervorbrachte, nicht vorenthalten.

Auch interessant: Häufige Mangelerscheinungen, die mit Diabetes einhergehen

So lief die Studie ab

Die britischen Forscher führten mit Daten aus der UK Biobank eine Kohortenstudie durch. Dieses Design erlaubt, mögliche Zusammenhänge zwischen einer Exposition (z. B. Diabetes) und einer Merkmalsausprägung (z. B. Brustkrebs) zu ermitteln.

Eingeschlossen wurden Daten von 23.750 Personen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM). Für jede dieser Personen wurden drei Vergleichspersonen (insgesamt 71.123 Probanden bildeten die Kontrollgruppe) ausgewählt, die keinen Diabetes hatten, aber in Alter, Geschlecht und Body-Mass-Index (BMI) übereinstimmten. Im Fokus stand das Auftreten von 14 definierten Übergewichts-assoziierten Krebserkrankungen. Die Krebsrisiken wurden für Männer und Frauen getrennt analysiert. Statistische Modelle kamen zum Einsatz, um mögliche Einflussfaktoren wie Alkoholkonsum, Rauchen und erhöhte ärztliche Aufmerksamkeit unmittelbar nach der Diabetesdiagnose zu berücksichtigen.

Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit lag bei fünf Jahren. Während dieses Zeitraums wurde dokumentiert, ob bei den Teilnehmern eine neue Krebserkrankung auftrat. So sollte ermittelt werden, ob Menschen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes häufiger an bestimmten Krebsarten erkranken als vergleichbare Personen ohne Diabetes.

Die 14 betrachteten Arten von Krebs:

  • Leberkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Darmkrebs
  • postmenopausaler Brustkrebs
  • Gebärmutterkrebs
  • Nierenkrebs
  • Speiseröhrenkrebs
  • Magenkrebs
  • Multiples Myelom (Tumore von Knochen und Knochenmark)
  • Gallenblasenkrebs
  • Schilddrüsenkrebs
  • Meningeom (von Hirnhäuten ausgehende Tumore)
  • Eierstockkrebs

Diabetes bei Männern mit 48 Prozent erhöhtem Risiko für Krebs verbunden

Während der Nachbeobachtung wurden 2431 neue Krebsfälle in der Gruppe mit Typ-2-Diabetes festgestellt – verglichen mit 5184 Krebsfällen bei den Kontrollpersonen. Die Daten zeigten, dass ein neu diagnostizierter Typ-2-Diabetes mit einem um 48 Prozent erhöhten Risiko für Übergewichts-assoziierte Krebsarten bei Männern und 24 Prozent bei Frauen verbunden ist – unabhängig vom BMI.

Auch interessant: Warum Übergewicht für Männer schädlicher ist als für Frauen 

Risiko nicht für alle Krebsarten gleich hoch

Doch nicht alle Krebsarten waren betroffen. Kein signifikanter Zusammenhang wurde z. B. bei Brustkrebs nach der Menopause und Gebärmutterkrebs festgestellt.

Stark erhöhte Risiken zeigten sich hingegen bei folgenden Krebsarten:

  • Leberkrebs: Risiko nahezu vierfach erhöht bei Männern, fast fünffach bei Frauen.
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs: Risiko um 74 Prozent erhöht bei Männern, fast verdoppelt bei Frauen.
  • Darmkrebs: Risiko um 27 Prozent erhöht bei Männern, 34 Prozent bei Frauen.

„Nach Berücksichtigung der wichtigsten Verzerrungen, die in früheren Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet festgestellt wurden, und der Störfaktoren (durch Bereinigung um BMI, Rauchen, Alkohol und Erkennungszeitpunkt) deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass ein neu aufgetretener T2DM mit einigen, aber nicht allen ortsspezifischen, durch Fettleibigkeit bedingten Krebsarten assoziiert ist. Die Wege, über die T2DM die mit Fettleibigkeit zusammenhängenden Krebserkrankungen beeinflussen kann, müssen weiter untersucht werden“, bewerten die Studienautoren die Ergebnisse laut Pressemitteilung.

Bedeutung der Studienergebnisse

Die detaillierten Erkenntnisse der aktuellen Untersuchung könnten große Bedeutung für die medizinische Praxis und die Prävention haben. Denn sie zeigen, dass eine neue Diagnose von Typ-2-Diabetes nicht nur eine Stoffwechselerkrankung signalisiert, sondern auch ein Warnzeichen für spätere mögliche Krebserkrankungen darstellt. Mit dem Augenblick der Diabeteserkrankung scheint sich das Risiko für Bauchspeichel-, Leber- und Darmkrebs deutlich zu erhöhen – und zwar unabhängig vom Körpergewicht.

Für Menschen mit Typ-2-Diabetes könnten diese Erkenntnisse helfen, individuelle Vorsorge- und Früherkennungsstrategien anzupassen, insbesondere für die genannten Krebsarten, auf die Diabetes laut der aktuellen Studie einen besonders hohen Einfluss zu nehmen scheint.

Aus wissenschaftlicher Sicht unterstreichen die Resultate die Notwendigkeit, die biologischen Mechanismen hinter diesem Zusammenhang weiterzuerforschen. Besonders der Einfluss von Hyperinsulinämie – also dauerhaft erhöhtem Insulinspiegel – gilt als vielversprechende Erklärung. Insulin kann Zellwachstum und Zellteilung fördern und damit möglicherweise das Krebsrisiko erhöhen. Auch chronische Entzündungen und erhöhter Blutzucker (Hyperglykämie) werden als Faktoren diskutiert. Ob und inwieweit sich diese Effekte bei Männern und Frauen unterschiedlich ausprägen, bleibt eine offene Frage, die künftige Forschung klären muss. Das betonen auch die Studienverantwortlichen selbst: „Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir uns nicht sicher, ob diese Unterschiede bei Männern und Frauen auf einen geschlechtsabhängigen biologischen Weg zurückzuführen sind, wie z. B. Hormonspiegel, Insulinsensitivität oder Körperfettzusammensetzung, oder ob es sich einfach um einen zufälligen Unterschied in der Anzahl der Krebserkrankungen handelt, die bei Männern und Frauen in der UK Biobank gefunden wurden.“

Einordnung der Studienerkenntnisse

Die große Stärke der Studie ist das Design: Sie berücksichtigt viele bisherige Schwächen früherer Untersuchungen, etwa durch die getrennte Erfassung von neu diagnostiziertem Diabetes, die sorgfältige Auswahl von Kontrollpersonen und die Anpassung an wichtige Störfaktoren wie BMI, Rauchen oder Alkoholkonsum. Die Nutzung der UK Biobank-Daten bietet eine solide Basis, da es sich um eine große und gut dokumentierte Kohorte handelt.

Dennoch gibt es Einschränkungen: Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit von fünf Jahren ist relativ kurz, wenn man bedenkt, dass viele Krebsarten eine lange Entwicklungszeit haben. Es bleibt unklar, wie sich die Risiken über längere Zeiträume entwickeln.
Außerdem beruhen die Daten auf der britischen Bevölkerung, was die Übertragbarkeit auf andere Länder und Ethnien begrenzt.

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Frühere Studie zeigte bereits Zusammenhang zwischen Diabetes und Darmkrebs

Speziell mit einer möglichen Erhöhung des Darmkrebsrisikos durch Diabetes hatte sich bereits eine 2023 veröffentlichte Studie beschäftigt. In ihr waren Datensätze von rund 86.000 Probanden aus der Southern Community Cohort Study (SCCS) analysiert worden, welche die Beziehung zwischen Krebs- und anderen verbreiteten Erkrankungen erforscht.6

Das Ergebnis: Diabetes erhöhte das Risiko für Darmkrebs um 47 Prozent. Besonders gefährdet waren Menschen mit einer neuen Diabetesdiagnose und solche, die keine regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen wie z. B. eine Darmspiegelung vornehmen ließen.

Da allerdings 66 Prozent der Probanden, deren Daten analysiert worden waren, Afroamerikaner und 53 Prozent einkommensschwach waren, war zweifelhaft, inwieweit sich die Erkenntnisse auf andere Diabetiker übertragen ließen.

Die aktuelle Studie aus Großbritannien kann nun aber generell untermauern, dass eine starke Assoziation zwischen Diabetes und dem Risiko, an verschiedenen Arten von Krebs zu erkranken, besteht. Im Fall von Darmkrebs kann sie ebenfalls bestätigen, dass eine Diabeteserkrankung das Krebserkrankungsrisiko deutlich steigert.

Themen Darmkrebs Diabetes Diabetes mellitus Typ 2

Quellen

  1. Deutsche Diabeteshilfe. Diabetes in Zahlen (aufgerufen am 31.3.2025) ↩︎
  2. Barnes AS. (2011). The epidemic of obesity and diabetes: trends and treatments. Tex Heart Inst J. ↩︎
  3. CDC. Obesity and Cancer (aufgerufen am 31.3.2025) ↩︎
  4. National Cancer Institute. Obesity and Cancer (aufgerufen am 31.3.2025) ↩︎
  5. European Association for the study of Obesity. Study of UK biobank reveals link between new-onset type 2 diabetes and some but not all obesity-related cancers. EurekAlert! (aufgerufen am 31.3.2025) ↩︎
  6. Lawler, T., Walts, Z.L., Steinwandel, M. et al. (2023). Type 2 Diabetes and Colorectal Cancer Risk. JAMA Netw Open. ↩︎

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