15. November 2024, 10:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Bis zum Jahr 2050 werden weltweit mehr als 1,3 Milliarden Menschen an einer bestimmten Volkskrankheit leiden – so lautet die erschreckende, auf Basis einer aktuellen Untersuchung aufgestellte Prognose eines internationalen Forscherteams. Damit hätte sich bis dahin die Zahl der Erkrankungsfälle gegenüber 2021 verdoppelt. Wie die verantwortlichen Experten sich diese verheerende Entwicklung erklären und welche Konsequenzen sie aus ihrer Studie fordern, erklärt FITBOOK-Autorin Laura Pomer.
Diabetes mellitus ist längst zu einer weltweiten Volkskrankheit geworden, wobei Typ-2-Diabetes die meisten Fälle ausmacht. Diese Form der Stoffwechselstörung wird – neben genetischen Veranlagungen – vor allem durch Lebensstilfaktoren begünstigt. Hauptursachen sind eine zuckerreiche Ernährung in Kombination mit Bewegungsmangel und starkem Übergewicht. Obwohl diese Zusammenhänge bekannt sind, schaffen es weltweit viele Menschen nicht, ihre ungesunden Gewohnheiten abzulegen. Weit mehr als das: Forscher erkennen gar eine stark steigende Tendenz. Und diese könnte sich bald in einem massiven Anstieg der weltweiten Fälle von Diabetes niederschlagen.
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Übersicht
Studie prognostiziert dramatischen Anstieg weltweiter Diabetesfälle
Ein internationales Forscherteam hat am Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der Universität Washington die globale Datenlage zum Thema analysiert. Die Studie erschien kürzlich in der Fachpresse.1 Die darin verwendeten Informationen zu u. a. Häufigkeit, Behandlungen und Sterblichkeit von Diabeteserkrankungen stammten aus der Global Burden of Disease (GBD)-Studie. Es handelt sich hierbei um eine weltweite und von einem globalen Forschernetzwerk unterstützte Untersuchung zu den Auswirkungen verschiedener Risikofaktoren (z. B. Krankheiten, Verletzungen) auf die Gesundheit der Menschheit. Für die aktuelle Arbeit konzentrierten die Forscher sich auf Daten aus dem 30-jährigen Zeitraum zwischen 1990 und 2021 aus nahezu allen Ländern der Welt. Diese stammten aus 1108 für die Bevölkerung repräsentativen Studien. Insgesamt umfassten sie rund 141 Millionen Teilnehmer ab dem Alter von 18 Jahren.
Wie die Auswertung zeigte, ist die Diabetesrate innerhalb des beobachteten Zeitraums von rund 7 auf 14 Prozent angestiegen – sie hat sich somit verdoppelt. Die meisten Neuerkrankungen zählten dabei Länder mit niedrigem bis mittleren Einkommen. Dazu später mehr.
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Vorgehen bei der Untersuchung
Wie würde sich die Situation in der Zukunft darstellen? Um das herauszufinden – sprich: um die Diabetes-Prävalenz und -behandlungsmuster in den bevorstehenden Jahren einzuschätzen –, nutzten die Studienverantwortlichen ein Bayessches hierarchisches Meta-Regressionsmodell. Dieses ist eine häufig zur Analyse von Studiendaten verwendete statistische Methode, die unter Nutzung von Wahrscheinlichkeiten aus verschiedenen Quellen stammende Daten kombiniert. Das Forscherteam rechnete dabei die bekannten Risikofaktoren (Adipositas, Ernährung und Bewegungsmangel) für die Entstehung einer Diabetes-Typ-2-Erkrankung mit ein. Ebenso soziale Ungleichheiten und weitere Faktoren, die Einfluss auf den Zugang zu medizinischer Behandlung haben können, wurden berücksichtigt.
Erkenntnisse
Auf Basis der Daten gehen die Forscher davon aus, dass bis 2050 rund 1,3 Milliarden Menschen von Diabetes betroffen sein könnten. Diesen Anstieg könne man demnach ohne zielorientierte Präventions- und Behandlungsmaßnahmen kaum abwenden. Bereits jetzt habe die Gesamtzahl der Erwachsenen mit Diabetes 800 Millionen überschritten – das sei „mehr als das Vierfache der Gesamtzahl im Jahr 1990“, steht dazu in einer aktuellen Pressemitteilung zur Studie.2 In diesem Zusammenhang stellten die Forscher weiterhin fest, dass sich mehr als die Hälfte der Erkrankten nicht in medizinischer Behandlung befindet.
Hier sehen wir einen der Kernpunkte der Studie: den großen Unterschied in der Diabetesbehandlung zwischen Gebieten mit hohem und niedrigem Einkommen. So habe sich die Situation in Nordamerika, Australien und Asien sowie in Mittel- und Westeuropa zwar deutlich verbessert, auch in Teilen Lateinamerikas sei die Behandlungsrate zuletzt gestiegen. An der weltweiten Ungleichheit ändere dies aber nichts.
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Bedeutung der Studie
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit entschlossener politischer Maßnahmen“, erklärt eine der Studienautorinnen, Dr. Ranjit Mohan Anjana, in der Veröffentlichung. Der Handlungsbedarf bestehe insbesondere in einkommensschwächeren Regionen der Welt. Dort müsse man unter anderem ungesunde Lebensmittel einschränken und dagegen gesunde erschwinglich machen. Weiterhin sollten Möglichkeiten zur körperlichen Betätigung gefördert werden. Gebietsweise würde dies auch die Schaffung sicherer Orte, z. B. zum Spazierengehen, erfordern.
Zuletzt sei ein wesentliches anzustrebendes Ziel die Verbesserung der Diabeteserkennung. Dies zeige die große Zahl an unbehandelten Betroffenen, führt Co-Autor Jean Claude Mbanya von der Kameruner University of Yaoundé aus. Diese Menschen seien potenziell schwerwiegenden gesundheitlichen Komplikationen ausgesetzt. Der Professor weiter: „Eine bessere Diabetesdiagnose erfordert Innovationen wie Screening-Programme am Arbeitsplatz (…), verlängerte oder flexible Öffnungszeiten der Gesundheitsdienste, damit die Menschen auch außerhalb der normalen Arbeitszeiten zum Arzt gehen können.“
Die Mahnungen sind nachvollziehbar, zumal man weiß, dass eine Erkrankung an Diabetes oft noch verhindert werden kann, selbst wenn bereits Vorstufen der Stoffwechselstörung vorliegen – durch eine konsequente Umstellung des Lebensstils. Um den eigenen Zustand jedoch einschätzen zu können, ist ein bewusster Umgang mit der Gesundheit wichtig, und dazu können regelmäßige Arztbesuche beitragen. Mehr zur Entstehung, den möglichen Folgen und zur Vorbeugung von Diabetes mellitus Typ 2 erfahren Sie hier.