1. Mai 2024, 8:16 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Diabetes ist nicht gleich Diabetes. Die beiden Hauptformen, zwischen denen man unterscheidet, sind Diabetes Typ 1 und Typ 2. Davon haben die meisten Menschen schon gehört. Aber wo liegt eigentlich der konkrete Unterschied zwischen diesen beiden Diabetesformen? FITBOOK-Autorin Desirée Oostland hat einen Diabetologen befragt.
Diabetes zählt zu den häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland. Nach Zahlen des RKI ist in Deutschland bei circa 7,2 Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren ein Diabetes mellitus bekannt. Circa 90 bis 95 Prozent davon sind an Typ-2-Diabetes erkrankt. Eine Lancet-Studie vermutet, dass sich die Erkrankungszahlen weltweit für Diabetes Typ 1 bis 2040 von etwa 8,4 Millionen auf bis zu 17,4 Millionen verdoppeln könnten.1 Übersetzt bedeutet das: Diabetes betrifft ziemlich viele Menschen – auch hierzulande. Daher ist die Aufklärung und das Bewusstsein für Diabetes von großer Bedeutung. FITBOOK sprach deshalb mit Ernährungsmediziner und Diabetologen Dr. Matthias Riedl und erklärt die Unterschiede zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2.
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Übbersicht
- Der grundlegende Unterschied zwischen Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes
- Diese Faktoren führen zu Diabetes
- So unterscheiden sich die Symptome
- Welche genetischen und Umweltfaktoren spielen bei der Entstehung von Typ-1-Diabetes im Vergleich zu Typ-2-Diabetes eine Rolle?
- Wie wird Diabetes diagnostiziert?
- Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
- Der Einfluss auf die Lebensqualität und den Alltag
- Quellen
Der grundlegende Unterschied zwischen Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes
„Der grundlegendste Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 Diabetikern ist, dass Typ 1 Diabetiker einen absoluten Insulinmangel haben, weil ihre Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produzieren“, erklärt Dr. Matthias Riedl. „Bei Typ 2 Diabetikern produziert die Bauchspeicheldrüse noch Insulin. Aber die Insulinresistenz in den körpereigenen Zellen ist gesenkt, sodass die Bauchspeicheldrüse (die Beta-Zellen) vermehrt Insulin ausschütten muss, um die Glukoseaufnahme in den Zellen zu gewährleisten.“ Die Krankheitsbilder klingen zwar ähnlich, die Ursachen sind aber komplett unterschiedlich. „Der Typ 1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, wobei der Typ 2 eher auf Lifestyle und genetische Prädisposition zurückzuführen ist.“
Diese Faktoren führen zu Diabetes
Aber welche Faktoren begünstigen die beiden Hauptformen von Diabetes? „Faktoren für einen Typ 1 Diabetes sind aktuell noch nicht 100 Prozent wissenschaftlich belegt worden, weil es sich um eine Autoimmunkrankheit handelt. Das heißt, dass sich das körpereigene Immunsystem gegen die eigenen Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse wendet und diese zerstört. Ein möglicher Faktor kann hierbei eine Virusinfektion sein“, erklärt der Diabetologe. Anders sieht es jedoch bei Typ 2 Diabetes aus: „Faktoren für einen Typ 2 Diabetes können ganz unterschiedlich sein. Die größten Faktoren können ein Übergewicht oder ein Adipositasgrad darstellen. Ein Altersdiabetes, ein Schwangerschaftsdiabetes oder familieneigene Anamnese können auch Ursachen sein.“ Letzteres bedeutet, dass Typ 2 Diabetes weitervererbt werden kann.
So unterscheiden sich die Symptome
Diabetiker müssen reagieren, damit mögliche Folgeerkrankungen und Komplikationen vermieden werden. Aber wie macht sich Diabetes überhaupt bemerkbar? Auch bei den Symptomen lassen sich Unterschiede erkennen, wenn auch nicht allzu große. „Die Symptome bei Typ 1 Diabetes treten meist sehr schlagartig innerhalb von wenigen Tagen bis wenigen Wochen auf – und meist in sehr jungen Jahren. Es gibt aber auch sehr langsame Verläufe mit Antikörpernachweisen über viele Jahre, aber auch sehr späte Manifestationen im höheren Alter“, erklärt Dr. Matthias Riedl. Die Symptome äußer sich durch folgende Anzeichen:
- Sehr stark erhöhtes Durstgefühl
- Starkes Wasserlassen
- Gewichtsabnahme
- Schwächegefühl
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
- Abgeschlagenheit
„Die Symptome bei Typ 2 Diabetikern wiederum sind ähnlich, aber doch auch anders“, so der Diabetologe. Das liege daran, dass die Bauchspeicheldrüse noch Insulin produziert. „Es ist eine schleichende Erkrankung, bei der die meisten Patienten nicht viel von mitbekommen, was den Typ 2 Diabetes auch gefährlich macht.“ Durch den schleichenden Prozess kann es sogar bis zu Jahren dauern, bis man Diabetes Typ 2 erkennt.
Welche genetischen und Umweltfaktoren spielen bei der Entstehung von Typ-1-Diabetes im Vergleich zu Typ-2-Diabetes eine Rolle?
Auch die Genetik kann eine Rolle spielen: „Genetische Faktoren bei einem Typ 1 Diabetiker könnten ein geringer prozentualer Anteil über die Weitervererbung der Eltern sein. Beim Typ 2 Diabetiker ist dieses Risiko viel höher.“
Sogar Umweltfaktoren können mit Diabetes im Zusammenhangs stehen. „Umwelttechnische Faktoren könnten zum Beispiel die Luftqualität sein, was man in manchen Ländern teilweise im Zusammenhang mit Diabetes beobachtet hat, aber eher als zweitrangig angesehen wird.“ Doch es gibt noch weitere mögliche Auslöser für Diabetes. „Als weiteren Auslöser von Typ 1 Diabetes wird außerdem eine Viruserkrankung in Erwägung gezogen. Ebenso eine zu kurze bis gar keine Stillzeit. Weizen und Gluten gelten als möglichen Auslöser.“ Bei Typ 2 Diabetes spielt die genetische Disposition und die Weitervererbung eine viel größere Rolle. Besonders interessant: „Wenn beide Elternteile bereits einen Typ 2 Diabetes haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind auch einen Diabetes entwickelt, viel höher, als bei einem Typ 1 Diabetes.“
Wie wird Diabetes diagnostiziert?
Um Diabetes zu diagnostizieren, gibt es unterschiedliche Ansätze. „Beim Typ 1 Diabetes wird über einen Blutzuckertest mittels eines Blutzuckermessgerätes der Blutzuckerspiegel im Blut nachgewiesen. Dieser ist aussagekräftig und kann direkt diagnostiziert werden.“ Beim Typ 2 verhalten sich die Symptome allerdings schleichend und sind oft erst mal nicht deutlich identifizierbar. „Hier wird Diabetes mittels eines Blutzuckertestes, einer Urinprobe oder einer Messung des HBA1c (Blutzuckerlangzeitgedächtnis) festgestellt. Aussagekräftiger ist hierbei das Blutzuckerlangzeitgedächtnis!“, so der Diabetologe.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
„Die einzige Behandlungsmöglichkeit bei Personen mit einem Typ 1 Diabetes ist die Insulintherapie. Diese muss man sich eigenständig mit Spritzen injizieren oder via einer sogenannten Insulinpumpe verabreicht bekommen.“ Durch eine gesunde und ausgewogene Ernährung in Kombination mit sportlicher Aktivität könne man die Insulinmenge senken, erklärt Dr. Riedl. „Da es aktuell noch keine andere Therapie gibt, sind Typ 1 Diabetiker jedoch ein lebenslang insulinpflichtig.“
Anders bei Typ 2 Diabetes, hier gibt es mehr Spielraum, um dem Spritzen von Insulin zu entgehen. „Als ersten Schritt wird eine Ernährungs- und Sporttherapie angesetzt, um Gewicht zu reduzieren und um die Insulinresistenz herabzusetzen. Als nächsten Schritt in der Therapie wäre dann die orale Therapie (Medikamente in Tablettenform), welche die körpereigene Insulinausschüttung fördert. Der letzte Schritt in der Typ 2 Diabetes Therapie ist dann die Verabreichung von Insulin. Dies sollte man aber um alle Umstände vermeiden.
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Der Einfluss auf die Lebensqualität und den Alltag
Menschen mit Diabetes müssen ihren Blutzucker im Auge behalten. Aber welchen direkten Einfluss hat die Diagnose der Erkrankung auf die Lebensqualität – besonders im Alltag? „Ein gut eingestellter Typ 1 Diabetiker kann die volle Lebensmittelauswahl genießen“, sagt Dr. Matthias Riedl. Betroffene müssen nur die jeweilige Insulinmenge an die Ernährung anpassen, können oder müssen lebensmitteltechnisch jedoch auf nichts verzichten. Dennoch empfiehlt der Ernährungsmediziner, gesunde Lebensmittel zu bevorzugen, um die sogenannten Blutzuckerspitzen gering zu halten. Zum Hintergrund: Blutzuckerspitzen treten auf, wenn der Blutzuckerspiegel im Körper stark ansteigt. Oft passiert das nach dem Verzehr von kohlenhydratreichen Lebensmitteln oder Getränke.
Bei Typ 2 Diabetikern kann durch eine gesunde Ernährungsweise und sportlicher Aktivität das Gesundheitsbild verbessert werden und eine Insulinpflicht vorgebeugt werden. „Im Allgemeinen kann man sagen, dass wenn man eine gesunde Ernährung und sportliche Aktivität in seinen täglichen Plan einbaut und seine Blutzuckerwerte gut unter Kontrolle hat, keine großen Einschränkungen in seiner Lebensqualität hat und ähnlich wie ein gesunder Mensch seinen Alltag gestalten kann.“