5. November 2024, 13:12 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Fehlstellungen, Verletzungen – es gibt die verschiedensten Gründe, warum man Physiotherapie braucht. Der Weg führt zunächst zu einem Hausarzt oder Orthopäden, der die Therapie verschreibt. Genau hier gibt es eine Änderung, die am 1. November 2024 in Kraft getreten ist. FITBOOK-Redaktionsleiterin Melanie Hoffmann erklärt, was diese für Ärzte, Physiotherapeuten und Patienten bedeutet.
Physiotherapie unterstützt dabei, Schmerzen zu lindern, beweglicher zu machen und die Muskulatur zu stärken. Sie kommt bei den unterschiedlichsten Beschwerden zum Einsatz. In vielen Kliniken findet Physiotherapie im Rahmen eines Behandlungsplans direkt vor Ort statt. Über die Behandlung in ambulanten Physiotherapie-Praxen entscheidet im ersten Schritt ein Arzt, der dann an einen Physiotherapeuten überweist – mit Angaben zur Diagnose und der verschriebenen Therapie sowie der Dauer.1 Etwa 32 Millionen Verordnungen stellen Ärzte pro Jahr aus.2 Hier kommt nun eine Änderung ins Spiel, die Angesichts der Fülle an Überweisungen große Auswirkungen haben kann: In bestimmten Fällen können Ärzte jetzt Blankoüberweisungen für die Physiotherapie ausstellen.
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Übersicht
Der übliche Weg zur Physiotherapie
Wer Beschwerden hat, geht meistens zunächst zum Hausarzt. Dieser stellt die Diagnose und entscheidet über die beste Behandlungsoption. Wenn Physiotherapie ein Teil davon sein soll, stellt der Arzt eine Überweisung aus. Dabei legt er auf Basis seiner Diagnose die Art der Therapie fest – im Rezept zu finden unter „Heilmittel nach Maßnahme des Kataloges“. So ist dort in den meisten Fällen entweder das Kürzel KG (Krankengymnastik) oder MT (Manuelle Therapie) zu finden. Auch die Diagnose wird auf dem Rezept vermerkt, und zwar unter dem Feld ICD-10 – Code.3 Außerdem legt der Arzt im Rahmen der Überweisung den Umfang der Physiotherapie fest. In der Regel ist eine Überweisung für sechs Behandlungssitzungen gültig. Sind sich Physiotherapeut und Patient einig, dass die Behandlung besser noch weitergehen sollte, wird eine neue Überweisung vom Arzt notwendig.
Änderung: Blankoüberweisungen für Physiotherapie
Am 1. November ist jetzt die neue Blankoverordnung gestartet. Dabei handelt es sich um eine Änderung in der Physiotherapie, die viele in dem Bereich Tätige begrüßen dürften. In bestimmten Fällen können Ärzte jetzt Blankoüberweisungen statt der klassischen Überweisungen ausstellen. Doch was sind Blankoüberweisungen eigentlich? Kurz zusammengefasst: Im Unterschied zum klassischen Weg präsentieren Ärzte dem Physiotherapeuten in der Blanko-Version keine Diagnose und legen auch nicht Art der Therapie und Dauer fest.
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Was bedeutet die Änderung für Physiotherapeuten?
Sowohl die Diagnosestellung als auch die Entscheidung über die optimale Behandlung liegt bei Blankoüberweisungen also beim Physiotherapeuten. Das macht Behandlungen flexibler, denn es ermöglicht den Therapeuten, sie individuell anzupassen, falls die gewählte Option nicht oder zu langsam zum gewünschten Ziel führt.
Welche Vorteile haben Patienten?
Genau diese flexiblere Behandlung ist ein Vorteil, den Patienten von der Blankoverordnung haben. Ein extra Gang zum Arzt, um diesen von einer anderen Behandlung zu überzeugen und eine erneute Überweisung zu erwirken, fällt weg. Auch Folgeüberweisungen, falls eine Therapie mehr als die ursprünglich bewilligte Anzahl von Sitzungen benötigt, sind damit für bestimmte Physiotherapie-Fälle Geschichte. Das reduziert Wartezeiten – zunächst beim Arzt und danach für neue Physiotherapie-Termine – und damit Therapie-Pausen, was zum einen für bessere Planbarkeit bei Patienten und Therapeuten sorgt und zum anderen einen schnelleren Therapieerfolg begünstigen dürfte.
Wie bei allen Physiotherapien müssen Patienten auch im Fall von Blankoüberweisungen 10 Euro pro Rezept sowie 10 Prozent der Therapiekosten selbst bezahlen. Ein Nachteil der Blankoüberweisung: Patienten wissen vorher nicht, welchen Umfang und welche Dauer diese Behandlung haben wird, die Kosten stehen also nicht schon bei Ausstellung einer Überweisung fest.
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Wann Blankoverordnungen gültig sind und wie der Arzt sie ausstellt
Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung bekannt gab, sind die Blankoüberweisungen bei Erkrankungen im Schulterbereich möglich. Dazu zählen u. a.:4
- Luxationen
- Frakturen
- Läsionen der Rotatorenmanschette
- starke Verbrennungen
Für die Ärzte ändert sich im Ablauf nicht viel. Sie stellen weiterhin eine Diagnose und entscheiden, ob eine Physiotherapie angebracht ist. In ihre Software geben sie dann wie gewohnt den passenden ICD-10-Kode und die Diagnosegruppe „EX“, die im Heilmittel-Katalog für Erkrankungen der Extremitäten vorgesehen ist, ein.
Anhand der Kombination aus ICD-10-Kode und Diagnosegruppe zeigt die Software an, ob eine Blankoverordnung greift. Der Arzt muss diese Option dann anklicken, um sich für eine Blankoüberweisung zu entscheiden. Falls aus medizinischer Sicht etwas dagegen spricht, kann er sich auch gegen die Blanko-Option entscheiden und ein klassisches Rezept ausstellen. Wählt der Arzt die Blankoüberweisung aus, gibt er damit die Verantwortung für Diagnose, Auswahl der Therapie sowie Entscheidung über die Dauer an den behandelnden Physiotherapeuten ab.