24. April 2025, 12:54 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Eine Studie hat untersucht, wie sich bestimmte genetische Veränderungen bei Darmkrebs je nach Alter und Herkunft der Patienten unterscheiden. Die Erkenntnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass ein Ereignis im Kindesalter den Grundstein dafür legen könnte, vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs zu erkranken. Was die Forscher genau herausgefunden haben.
Neben bestimmten Lebensstilfaktoren – darunter eine westliche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen und hoher Alkoholkonsum – kann eine genetische Veranlagung das Darmkrebsrisiko erhöhen. Klar ist: Krebs entsteht durch Veränderungen im Erbgut. Verantwortlich sind sogenannte Mutationen, welche teils zufällig entstehen und teils durch äußere Einflüsse begünstigt werden. „Nicht jeder Umweltfaktor oder jedes Verhalten, das wir untersuchen, hinterlässt Spuren in unserem Genom.“ Das erklärt Ludmil Alexandrov, Erstautor der hier vorgestellten Studie, in einer Pressemitteilung.1 Andere wiederum tun es – und zu ihnen gehört laut der Untersuchung die Exposition gegenüber einem bestimmten Bakteriengift in der Kindheit.
Übersicht
Studie findet Darmkrebs begünstigendes Ereignis in der Kindheit
Die Veröffentlichung nennt den alarmierenden Anstieg der Darmkrebsfälle. Auch FITBOOK berichtete, dass immer mehr Menschen unter 50 Jahren an einem bösartigen Tumor im Darm erkranken. Ein internationales Forscherteam unter Alexandrovs Leitung ist diesem „medizinischen Mysterium“ nun in einer groß angelegten Studie auf den Grund gegangen.2
Gegenstand der Untersuchung waren die Darmkrebsgenome, also das Erbgut der Darmkrebszellen, von 981 Patienten aus elf Ländern. Es waren Probanden mit einem frühen Erkrankungsbeginn vor dem 50. Lebensjahr darunter und solche mit einer vergleichsweise späten Diagnose (über 70 Jahre). Die Forscher untersuchten alle Zellen auf sogenannte Mutationssignaturen im Erbgut. Damit sind typische Spuren gemeint, die auf konkrete Auslöser – Umweltfaktoren oder Gifte – schließen lassen. Besonders auffällig war ein bestimmtes Muster, das sich auf das Bakteriengift Colibactin zurückführen ließ – und das bei jüngeren Betroffenen deutlich häufiger auftrat.
Ergebnisse der Untersuchung
Die Auswertung ergab, dass das von E.-coli-Bakterien (auch: Kolibakterien) produzierte Toxin Colibactin spezifische Muster von DNA-Mutationen hinterlässt. Die Forscher stellten diese Mutationsmuster bei Probanden, die vor dem 40. Lebensjahr mit Darmkrebs diagnostiziert wurden, rund 3,3-mal häufiger fest als bei Personen, die nach dem 70. Lebensjahr erkrankten. Auch traten sie besonders häufig in Ländern mit einer hohen Inzidenz von frühen Darmkrebsfällen auf.
Laut dem Abstract der Studie muss die Exposition gegenüber Colibactin in der Kindheit der Patienten stattgefunden haben. So fanden die Forscher in den Tumoren der jungen Darmkrebspatienten eine charakteristische Mutationssignatur. Anhand molekularer „Zeitstempel“ konnten sie ableiten, wann die genetischen Veränderungen wahrscheinlich entstanden sind. Dieser Zeitpunkt muss demnach viele Jahre vor der Krebsdiagnose gelegen haben, zum Teil im jungen Kindesalter.
Der Kontakt mit Colibactin erfolgt, wenn der Darm mit bestimmten Stämmen von E. coli-Bakterien besiedelt ist. Die Infektion erfolgt meist durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Darüber hinaus können die Erreger durch direkten Tierkontakt und von Mensch zu Mensch sowie über verunreinigtes Umweltwasser, z. B. nach starken Regenfällen über Abwässer in Flüssen, übertragen werden. Ein bekanntes Beispiel ist die Infektion mit E. coli-Bakterien der Triathletin Claire Michel beim Schwimmen in der Seine. Mehr Infos dazu hier.

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Bedeutung der Studie
Der Zusammenhang zwischen Colibactin und darmkrebstypischen Mutationen ist keine neue Erkenntnis. Wie Professor Ludmil Alexandrov einräumt, haben frühere Studien – auch unter seiner Beteiligung – entsprechende Veränderungen in zehn bis 15 Prozent der untersuchten Darmkrebsfälle nachgewiesen.3,4 Die aktuelle Studie sei jedoch die Erste, die eine auffällige Häufung von Colibaktin-typischen Mutationen speziell bei Darmkrebs mit frühem Beginn nachweisen konnte.
Man sollte dazu sagen, dass die Studie zunächst nur Korrelationen aufzeigt. Von einem definitiven kausalen Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit Colibactin in der Kindheit und früh auftretenden Darmkrebs kann man noch nicht sprechen. Auch stellt es eine gewisse Einschränkung dar, dass die Forscher für ihre Analyse keine neuen Daten gesammelt, sondern nur bestehende Datensätze verwendet haben. Dennoch könnten die Erkenntnisse, sprich ein Wissen um eine Colibactin-Exposition in der Kindheit, potenziell die Früherkennung und Prävention von Darmkrebs verbessern.