21. September 2024, 17:21 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Cranberrys gelten als wirksam zur Vorbeugung von Blasenentzündungen. Die Wirkstoffe der Beerenfrüchte sind in Kapsel-, Tablettenform und als Granulat erhältlich, doch auch dem einfachen Trinken von Cranberrysaft wird ein Effekt zugesprochen. Was ist dran? FITBOOK-Autorin Laura Pomer hat bei einem Experten nachgefragt und die Studienlage zum Thema geprüft.
Die sogenannte Blasenentzündung (medizinisch: Zystitis) ist der umgangssprachlich gängige Begriff für eine Entzündung der Harnwege. Sie beschreibt somit eine Form der Harnwegsinfektion; der Begriff wird mitunter synonym verwendet. Zu den Symptomen zählen Unterleibs- und Rückenschmerzen, ein häufiger Harndrang und oft eine dunkle Verfärbung des Urins, manchmal ist Blut enthalten. Genaueres darüber hat der Urologe Dr. med. Christoph Pies FITBOOK in einem allgemeinen Beitrag zum Thema Blasenentzündung erklärt. Dass Frauen häufiger betroffen sind, hat einfache anatomische Gründe: Unter anderem ist bei ihnen die Harnröhre kürzer, was es Keimen erleichtert, zur Harnblase vorzudringen. Männer erkranken deutlich seltener, wobei die Inzidenz ab etwa dem 50. Lebensjahr etwas zunimmt, und dies hängt dann gemeinhin mit einer Vergrößerung der Prostata zusammen.1 Ein effektives Mittel zur Behandlung sind auf die bakteriellen Erreger ausgerichtete Antibiotika. Doch womöglich muss es nicht immer gleich die Chemiekeule sein – es sollen schließlich auch Cranberrys bei Blasenentzündung helfen können.
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Übersicht
- „Superfood“ Cranberry
- Wie Cranberrysaft Blasenentzündungen vorbeugen können soll
- Studienlage zu Cranberrysaft gegen Blasenentzündung
- Günstiger Effekt bei immer wieder betroffenen Frauen, Kindern und Vorbelasteten
- Experte hält Cranberrys für sinnvollen „Behandlungsbaustein“ zur Vorbeugung
- Wann es doch ein Antibiotikum sein muss
- Quellen
„Superfood“ Cranberry
Cranberrys sind in Nordamerika heimisch, das deutsche Wort für sie ist Moosbeeren. Aus den kleinen, tiefroten Früchten wird auch bei uns in Deutschland beispielsweise Cranberrysaft hergestellt, und im Fall der Marke Rabenhorst „ohne Zusatz von Zucker“. Die Frucht enthalte von Natur aus eigenen Zucker, kann man da nachlesen, doch offenbar in verhältnismäßig überschaubaren Mengen. Dies zeigen die Nährwertangaben des Rabenhorst-Getränks. Auf 100 Milliliter kommt der Saft auf rund 21 Kalorien (davon 4,8 Gramm Kohlenhydrate aus Zucker). Einige andere Hersteller setzen auf zusätzliche Süße, meist durch den Einsatz von Apfelkonzentrat.
Schmecken dürfte die ungesüßte Variante nach Einschätzung des Ernährungswissenschaftlers Uwe Knop vor allem „Hardcore-Fans“ von Herb-Säuerlichem. Cranberrys haben einen sehr speziellen und auch recht bitteren Geschmack – „sie sind in der Regel nicht für den direkten Verzehr geeignet“, so Knop. Das dürfte der Grund dafür sein, dass neben dem (oft mit Wasser verdünnten und als Schorlen konsumierten) Saft Cranberrys in zusätzlich gesüßter Form im Handel zu finden sind, etwa als Trockenfrüchte.
Viele setzen aber ohnehin nicht aufgrund ihres Geschmacks, sondern wegen ihres gesunden Rufs auf Cranberrys. So sollen sie hohe Mengen an unter anderem den Vitaminen A und C und Polyphenolen enthalten, die bekanntlich als Antioxidantien gelten. Mit ihrer Inhaltsstoff-Power sollen Cranberrys Alterungs- und Zellschädigungsprozesse stoppen, was Studien bereits belegt haben – und so womöglich gar vor Demenz schützen können.2,3 Längst gibt es die Cranberry-Inhaltsstoffe auch als Granulate und Kapseln.
Aber was hat das Ganze mit Blasenentzündungen zu tun? FITBOOK hat hierzu wieder den Blasen-Experten Dr. med. Christoph Pies gefragt.
Wie Cranberrysaft Blasenentzündungen vorbeugen können soll
Der Konsum von Cranberrys in den verschiedenen Darreichungsformen soll verhindern, dass sich Bakterien an der Blasenwand anhaften können, so Dr. Pies. Konkret sei hierfür der in Cranberrys vorkommende Wirkstoff Proanthocyanidin (PAC) verantwortlich – er „blockiert die Bindungsstellen der Escherichia-coli-Bakterien (auch als Kolibakterien bekannt, Anm. d. Red.), die für 80 Prozent aller Harnwegsinfektionen verantwortlich sind“, weiß der Arzt.
Oft bekomme man Cranberry-Granulate oder -Kapseln als Kombinationsprodukt mit der sogenannten D-Mannose. Hierbei handele es sich um ein aus Glukose gewonnenes Monosaccharid, sprich einen Einfachzucker. Und der vermag es laut Dr. Pies auch allein, Bakterien am Anheften an der Blasenschleimhaut zu hindern und sie auszuschwemmen. Falls der Begriff „-zucker“ bei Ihnen noch nachklingt: Laut dem Arzt sei die Angst vor einer Gewichtszunahme oder anderen nachteiligen Folgen, wie sie durch einen vermehrten Zuckerkonsum drohen, in dem Fall unbegründet. Denn diese spezielle Art von Zucker werde kaum verstoffwechselt.
Studienlage zu Cranberrysaft gegen Blasenentzündung
Bei der Online-Bibliothek des Forschungsnetzwerks Cochrane findet man eine Veröffentlichung zu einer wissenschaftlichen Auswertung verschiedener Studien zum Einsatz von Cranberrys gegen Blasenentzündung.4 Die Arbeit selbst ist erst im April 2023 und dann noch einmal im darauffolgenden November aktualisiert worden.5 „In den früheren Versionen dieser Übersichtsarbeit gab es nicht genügend Evidenz, um die Wirksamkeit zu bestimmen“, erklärte einer der Seniorautoren in einer Pressemitteilung.6 Doch nun flossen die Ergebnisse weiterer jüngerer 26 Studien in die Beurteilung mit hinein, die sich somit auf Daten von insgesamt rund 9000 Probandendaten stützt. „Die überwiegende Mehrheit (der Studien, Anm. der. Red.) verglich Cranberry-Produkte mit einem Placebo oder keiner Behandlung von Harnwegsinfektionen“, heißt es in dem Beitrag.
Günstiger Effekt bei immer wieder betroffenen Frauen, Kindern und Vorbelasteten
Es konnte festgestellt werden, dass das Trinken von Cranberrysaft oder die Einnahme von Cranberry-Kapseln vor allem bei Personen einen günstigen Effekt hat, die generell anfällig für die Entwicklung einer Blasenentzündung sind. Dies sind laut der Untersuchungszusammenfassung Frauen „mit rezidivierenden Fällen“ – solche also, bei denen Blasenentzündungen immer wiederkehren –, daneben Kinder sowie Personen, die nach bestimmten medizinischen Eingriffen (z. B. Strahlentherapie der Blase) empfänglicher für den Befund sind.
Verschiedene Faktoren können die Entstehung einer Blasenentzündung begünstigen, sodass manche Frauen öfter betroffen sein können als andere. Häufige sexuelle Aktivität etwa. Beim Geschlechtsverkehr werden die körpereigenen Bakterien beider Beteiligten in den weiblichen Harnröhrenbereich sozusagen einmassiert. Frauen, die nach dem Sex auf einen Toilettengang (zum Ausspülen der Keime) verzichten, erhöhen ihr Erkrankungsrisiko. Auch kann die Verwendung bestimmter Verhütungsmittel (z. B. spermienabtötende Gele, Diaphragmen) die Wahrscheinlichkeit einer Blasenentzündungen erhöhen. Weitere begünstigende Faktoren sind eine unzureichende und auf der anderen Seite übertriebene Intimhygiene sowie eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr im Tagesverlauf. Tipps zur Vermeidung einer Blasenentzündung finden Sie im allgemeinen FITBOOK-Beitrag zum Thema.
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Bei anderen Probandengruppen zeigte sich nur eine schwache Evidenz. Bei Schwangeren etwa brachten Cranberrys keinen Nutzen zur Vorbeugung von Blasenentzündung. Gleiches gilt für ältere Behandelte sowie Betroffene von verschiedenen Blasenfunktionsstörungen. Bei ihnen sprächen die Daten nicht für eine Anwendung. Auch fügen die Autoren einschränkend hinzu, dass die ihnen vorliegenden Informationen nicht ausgereicht hätten, um zu ermitteln, wie wirksam Cranberry-Produkte zur Vorbeugung im Vergleich mit z. B. Antibiotika seien.
Zusammenfassend kommen sie dennoch zu dem Schluss, dass bei den oben genannten Gruppen der Einsatz von Cranberrysaft, -kapseln und Co. zur Verringerung des Risikos durchaus beitragen kann. Dass nur wenige der Studienteilnehmer über Nebenwirkungen berichteten – und wenn, dann allenfalls über Magenschmerzen –, unterstütze diese Ansicht.
Experte hält Cranberrys für sinnvollen „Behandlungsbaustein“ zur Vorbeugung
Auch Facharzt Dr. Pies hält den Einsatz von Cranberrys gegen Blasenentzündungen für einen „sinnvollen Baustein sowohl in der Akuttherapie als auch der Langzeit-Prophylaxe“. Zumal man zumindest bei leichten und mittleren Beschwerden eine (womöglich unnötige) Antibiotika-Einnahme – und so eine potenzielle Resistenzentwicklungen – vermeiden will.
Empfehlungen für die Einnahme
Pies‘ praktischer Erfahrung nach ist die Wirkung bei Frauen im mittleren Alter (zwischen 35 und 55 Jahren) am besten. Immerhin zwei Drittel aller Harnwegsinfekte klängen mithilfe des Cranberry-Wirkstoffs innerhalb einer Woche ab. „Die empfohlene Trinkmenge des Safts beträgt mindestens 300 Milliliter täglich“, erklärt er, „was 36 Milligramm des Wirkstoffs PAC entspricht.“ Bei den alternativen Cranberry-Zubereitungarten entnehmen Sie die Dosieranleitung der Packungsbeilage.
Frauen merken es gemeinhin schnell, wenn sich eine Blasenentzündung ankündigt. Und dann spricht laut Dr. Pies nichts dagegen, zur Flasche zu greifen. „Insbesondere falls die Symptome nachts, am Wochenende oder im Urlaub auftreten, kann man mit der bewährten Therapie beginnen und muss nicht erst auf einen Arzttermin warten“, befindet er. Zusätzlich können hochwertige und geprüfte Nieren- und Blasentees aus der Apotheke gegen die Beschwerden helfen. Diese enthalten z. B. Birken- und Brennnesselblätter, Goldrutenkraut, Orthosiphonblätter und Ähnliches.
Worauf Anwender achten sollten
Cranberrys könnten die Wirkung von bestimmten Medikamenten verstärken, warnt Dr. Pies. Hierzu zählten solche aus den Kategorien Blutverdünner, Cholesterinsenker und Blutdruckmittel. Nehmen Sie solche Arzneien ein, empfiehlt sich die Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt, wenn Sie langfristig mit Cranberrys gegen wiederkehrende Blasenentzündungen vorgehen wollen. Bei den gesüßten Cranberrysäften oder -produkten kann es von Bedeutung sein, den Blutzuckerspiegel zu überwachen.
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Wann es doch ein Antibiotikum sein muss
Grundsätzlich entscheidet das Maß der Beschwerden bzw. die Schwere der Entzündung und zuletzt der Wunsch des Patienten darüber, ob ein Antibiotikum eingesetzt wird. Bei „komplizierten“ Blasenentzündungen/Harnwegsinfekten dagegen gelte, dass man auf jeden Fall ein Antibiotikum einnehmen solle, mahnt der Urologe. Ein solcher sei an verschiedenen, über die klassischen des Infekts hinaus gehenden Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerzen zu erkennen. Bei diesen Beschwerden sei der Besuch beim Facharzt (Gynäkologe oder Urologe) angeraten.
Von komplizierten Blasenentzündungen seien vor allem Menschen mit Funktionsstörungen im Bereich des Harntrakts betroffen. Auch Patienten mit Vorerkrankungen wie einer Nierenfunktionsstörung, Immunschwäche oder Zuckerkrankheit sind laut Dr. Pies besonders gefährdet. Unbehandelt können sich schwere Blasenentzündungen zu Nierenbeckenentzündungen entwickeln, und diese schlimmstenfalls schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Mehr darüber erfahren Sie hier.