1. März 2021, 20:03 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Bei den meisten der bislang zugelassenen Corona-Impfstoffe sind zwei Spritzen in einem bestimmten Zeitabstand nötig, um Patienten zuverlässig vor einer Infektion schützen zu können. Für Covid-19-Genesene hingegen, die bereits Antikörper gegen das Virus gebildet haben sollten, genügt offenbar eine Impfdosis. Das hatten Forscher bereits vermutet, und nun konnte es erneut in einer Studie nachgewiesen werden.
Im Verlauf einer Corona-Infektion bilden sich Antikörper. Diese fördern die Genesung und können eine Wiederinfektion verhindern – allerdings nur zeitweise. Eine Impfung bietet längerfristigen Immunschutz. Deshalb gilt auch für Covid-19-Genesene die Empfehlung, sich impfen lassen. Ihnen genügt jedoch offenbar eine Impfdosis der bisher zugelassenen mRNA-Impfstoffe. Das belegen bereits mehrere Studien. Patienten, die noch nicht erkrankt waren, benötigen einige Wochen nach der ersten eine zweite Spritze.
Übersicht
Welche Vorteile es hätte, weniger impfen zu müssen
Wenn sich die Menge an verabreichten Impfdosen reduzieren ließe, könnte der verfügbare Impfstoff ökonomischer genutzt werden und mehr Patienten zukommen. Reicht für Covid-19-Genesene jeweils eine Impfdosis, könnte man quasi das Doppelte aus dem Bestand herausholen.
Vermeidbare Spritze – vermeidbare Nebenwirkungen?
Gleichwohl wäre es auch für die Behandelten selbst vorteilhaft, sich nicht zwei Mal spritzen lassen zu müssen. Mit jeder Impfung (nicht nur gegen das Coronavirus) besteht die Gefahr von Nebenwirkungen. Und nach einer Corona-Impfung ist die Wahrscheinlichkeit dafür offenbar besonders groß, wenn dem Körper des Patienten das Virus bereits bekannt ist.
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Laut britischer Studie brauchen Covid-19-Genesene nur eine Impfdosis
Forscher verschiedener britischer Universitäten haben in einer gemeinsamen Studie die Immunreaktion auf die jeweils erste und zweite Impfung mit dem Mittel von BioNTech und Pfizer untersucht. Dabei hatte sich gezeigt, dass eine Einzeldosis des mRNA-Impfstoffs bei Covid-19-Genesenen eine deutlich bessere Immunantwort gegen das Coronavirus bewirkt hatte als bei Probanden ohne vorangegangene Infektion.
mRNA-Impfstoff – was bedeutet das überhaupt?
Zum Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus setzen Firmen wie BioNTech/Pfizer und AstraZeneca auf mRNA-Impfstoffe. Diese funktionieren etwas anders als frühere Impfstoffe.
Für gewöhnlich wird zur Immunisierung gegen einen bestimmten Erreger ein passendes Antigen gespritzt. Mit mRNA-Impfstoffen hingegen injiziert man lediglich eine Art „Bauanleitung“. „Im Körper des Geimpften wird die enthaltene mRNA (kurz für messenger-RNA, Boten-RNA) in die Zellen aufgenommen“, heißt es zur Erklärung etwa bei „Pharmazeutische Zeitung (PZ)“. Nach jener Anweisung bilde sich ein virale Protein bilden. Für die Wirkung von mRNA-Impfstoffen sind zwei Dosen in einem gewissen Abstand nötig.
Ablauf der Untersuchung
Von den insgesamt 51 Probanden hatten 24 bereits eine Covid-19-Erkrankung hinter sich. Jene datieren die verantwortlichen Forscher auf einen frühen Zeitpunkt der Pandemie, im Frühjahr 2020. Allen Probanden wurde eine Spritze, also eine erste Impfdosis des mRNA-Impfstoffs verabreicht. Drei Wochen später ermittelten die Forscher per Blutuntersuchung die Immunreaktion bzw. die Anzahl an Antikörpern, die sich bei den jeweiligen Patienten gebildet hatten.
„Boost“-Effekt dank überstandener Erkrankung
Zwar wies auch das Blut derjenigen Probanden, die noch keine Corona-Infektion durchgemacht hatten, Antikörper auf. Allerdings maximal in einer Menge, wie sie für gewöhnlich kurz nach einer Covid-19-Erkrankung messbar ist.
Bei den Covid-19-Genesenen hingegen, die eine erste Impfdosis erhalten hatten, stellten die Forscher eine weitaus deutlichere Immunreaktion fest. Sie sprechen von einer Art „Boost“-Effekt (to boost = verstärken, ankurbeln). Demnach hatte sich die Zahl der Antikörper, die sie im Zuge ihrer Corona-Infektion gebildet hatten, auf das 140-fache gesteigert.
Einschränkungen der Studie
Ihre Erkenntnisse, die laut den Studienautoren stark für die „Langlebigkeit des Immungedächtnisses für diese Infektion“ sprechen, haben sie aktuell im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlicht. Sie betonen jedoch, keine Aussagen über andere Impfstoffe neben dem von BioNTech/Pfizer treffen zu können.
Zudem beziehen sich die Ergebnisse auf eine relativ kleine Gruppe von Probanden, von denen eine gewisse Anzahl zwar mit dem Coronavirus infiziert gewesen sein soll. Über Details der jeweiligen Erkrankung (Höhe der Viruslast, Schwere des Verlauf, etc.) war jedoch nichts bekannt. Zudem hat die Untersuchung allgemeine Gesundheits- und Eckdaten (Alter, Geschlecht, etc.) der Studienteilnehmer nicht berücksichtigt.
US-Studie kommt zu ähnlichem Ergebnis
Auch Forscher am New Yorker Mount Sinai Hospital haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt, in gleich mehreren Studien.
Zunächst: Fokus auf Verträglichkeit der Impfung
In einer ersten Untersuchung ging es ihnen darum, ob und inwieweit sich Nebenwirkungen reduzieren lassen, wenn man eine Impfdosis einspart. Eine der Studienverantwortlichen – Mikrobiologin Shannon Romano – sei erstmals im März 2020 an Covid-19 erkrankt – und zwar schwer, wie sie der „New York Times“ berichtet. „Ich konnte nicht schlafen. Ich konnte mich nicht bewegen. Jedes einzelne Gelenk in meinem Körper hat wehgetan.“
Zwei Tage, nachdem sie ihre erste Impfdosis erhalten hatte, setzten ungewünschte Nebenwirkungen ein. Und diese hätten auffällige Ähnlichkeit mit ihren Covid-19-Symptomen aus dem vergangenen Jahr gehabt.
Verträglichkeit unterscheidet sich je nach Patient und Mittel
Was die Nebenwirkungen betrifft, ist das Ergebnis der US-Studie offenbar gesondert zu bewerten. Immerhin wollen Untersuchungen von Pfizer und Moderna, an denen jeweils mehr als 30.000 Probanden teilgenommen hatten, zwar gezeigt haben, dass es nach der zweiten Impfdosis besonders häufig zu Nebenwirkungen kam. Jedoch sollen den Moderna-Impfstoff vor allem Covid-19-Genesene gut vertragen und deutlich weniger Nebenwirkungen gezeigt haben, als Patienten, die zuvor nicht erkrankt waren.
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Antikörperbildung bereits nach einer Spritze ausreichend
In puncto Antikörper-Vorkommen sind die britischen sowie die US-amerikanischen Forscher wieder auf einem Nenner. So sollen auch die Blutuntersuchungen am Mount Sinai Hospital bei den Covid-19-Genesenen bereits nach der ersten Spritze eine beachtliche Immunreaktion gezeigt haben. Die Forscher sind daher optimistisch, dass für Covid-19-Genesene eine Impfdosis des Corona-Impfstoffs reicht.
Follow-up stützt das Ergebnis
Um ihre Ansicht zu untermauern, schlossen sie Folgeuntersuchungen weiterer Covid-19-Genesener an. Es waren 59 Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen; 42 von ihnen hatten eine Corona-Infektion durchgemacht, nicht alle von ihnen mit Symptomen.
Auch diese ist keine repräsentative Untersuchung
Es handelt sich um Vorab-Publikationen (nachzulesen auf dem Preprint-Server „medRxiv“), die noch nicht von unbeteiligten Wissenschaftlern gesichtet wurden. Dass die Veröffentlichung in einer unabhängigen Fachzeitschrift noch aussteht, schränkt die Belatsbarkeit der Ergebnisse etwas ein.
Und auch wurde mit relativ wenigen Probanden gearbeitet. Die Ergebnisse lassen sich daher nicht unbedingt übertragen. Möglich, dass bei anderen Covid-19-Genesenen das Antikörpervorkommen geringer ist, vielleicht da sie auf einen milderen Krankheitsverlauf zurückblicken. Ebenso, dass die Immunreaktion auf den Impfstoff weniger stark ausfällt. Daher kann man noch nicht mit Sicherheit sagen, dass Covid-19-Genesene nur eine Impfdosis brauchen.