17. April 2020, 15:54 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Könnte man nach einer harmlosen Erkältung bereits immun gegen das Coronavirus sein? Diese Möglichkeit – Wissenschaftler sprechen von „Hintergrundimmunität“ – legt nun der bekannte Virologe Prof. Dr. Christian Drosten nahe. FITBOOK erklärt, was es damit auf sich hat.
Kann es sein, dass viele Menschen bereits durch eine harmlose Erkältung immun gegen Corona geworden sind? Diese Theorie stellt unter anderem Virologe Prof. Dr. Christian Drosten im Corona-Podcast des NDR in den Raum. Grund dafür soll eine sogenannte „Hintergrundimmunität“ sein.
„Hintergrundimmunität“: Erkältung könnte immun gegen Corona machen
Der Virologe der Berliner Charité erklärt, es sei denkbar, dass es aufgrund von Erkältungs-Coronaviren innerhalb der Bevölkerung schon eine unbemerkte Teil-Immunisierung gegen SARS-CoV-2-Viren geben könnte. Dieses Phänomen bezeichnet er als Hintergrundimmunität „Damit rechnen auch epidemiologische Modellierer schon“, so Drosten. Zum Verständnis: Unter epidemiologischer Modellierung versteht man die Darstellung einer Infektionskrankheit in einem mathematischen Modell, um so ihr Verbreitungsverhalten untersuchen und prognostizieren zu können. Erkältungsauslösende Coronaviren seien auf eine gewisse Art und Weise mit dem SARS-CoV-2-Virus verwandt, erläutert der Virologe weiter. Daher könnte es laut Drosten sein, dass gewisse Personen, die in den letzten ein bis zwei Jahren eine solche „Corona-Erkältung“ hatten, gegen Covid-19 geschützt sind.
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15 Prozent aller Erkältungen werden durch Coronaviren hervorgerufen
Bereits in einer vorherigen Podcast-Folge hatte Drosten erklärt, dass 15 Prozent aller üblichen Erkältungen durch altbekannte Coronaviren hervorgerufen werden. Diese ähneln dem neuartigen Coronavirus teils so sehr, dass dadurch auch schon Tests fälschlicherweise positiv ausgefallen sind.
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Neue Studie aus China zu Infizierungen im Haushalt
Seine Gedankenspiele bezüglich einer bisher kaum berücksichtigten Immunisierung gegen das Coronavirus stützt Drosten unter anderem auf eine neue Studie aus China. Diese habe ergeben, dass in Situationen, in denen es im eigenen Haushalt einen Corona-Infizierten gibt, die sogenannte sekundäre Attack-Rate (also die Rate an Infizierten, die sich durch den ersten Patienten ebenfalls anstecken), verhältnismäßig niedrig sei. Er spricht dabei von Zahlen im Bereich von 12 bis 17 Prozent. „Aber sie liegt nicht bei 50 bis 60 Prozent oder höher, wo man dann sagen würde, das sind wahrscheinlich einfach Zufallseffekte. Derjenige, der sich nicht infiziert hat, war in der infektiösen Zeit nicht zu Hause oder so“, erklärt Drosten die Erkenntnisse. Hier stelle sich nun die Frage, wie es sein könne, dass sich so viele im Haushalt nicht infizieren, die mit einem Erkrankten doch zusammen leben. Dies spräche nach Drostens Aussage für die Möglichkeit einer Hintergrundimmunität gegen das Coronavirus.
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Virologe Drosten hält die Maßnahmen weiterhin für notwendig
Woran Drosten dennoch weiterhin festhält, ist die Richtigkeit der bisher getroffenen Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung des Virus. Denn was laut ihm letztlich immer übrig bleibe, sei eine Restunsicherheit. Und das Risiko, das medizinische System durch eine ungenügend abgebremste Corona-Krise zu überlasten. „Darum ist es sicherlich im Moment richtig, diese Maßnahmen gemacht zu haben“, resümiert Drosten.
Jetzt sei vor allem wichtig, mit intensiver Forschungsarbeit die verschiedenen offene Fragen um mögliche (Teil-)Immunisierungen zu klären.