2. Mai 2022, 13:42 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Menschen mit Vorerkrankungen sind während der Pandemie besonders gefährdet. Auch Diabetiker gehören zur Risikogruppe, die im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 einen schweren Krankheitsverlauf fürchten müssen. Gleichwohl sind die gesundheitlichen Folgen von Covid-19 nicht zu unterschätzen. So haben Wissenschaftler aus den USA herausgefunden, dass das Coronavirus Diabetes Typ 1 auch auslösen kann.
Wie aus der Studie hervorgeht, haben Menschen, bei denen eine Corona-Infektion diagnostiziert wurde, ein deutlich höheres Risiko, später an Diabetes Typ 1 zu erkranken. Dabei ist eine Altersgruppe besonders gefährdet: die Jüngsten.
Daten von 27 Millionen US-Amerikanern ausgewertet
Die Wissenschaftler untersuchten die Daten von mehr als 27 Millionen US-Amerikanern aus einer medizinischen Datenbank auf einen Zusammenhang zwischen Corona und Diabetes. Dabei stellten sie fest: Patienten, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, erhielten mit 42 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit eine Diabetes-Typ-1-Diagnose.1 Im Gegensatz zu Diabetes Typ 2 tritt die Typ-1-Erkrankung oftmals schon im Kindesalter auf. Sie ist unheilbar.
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Gefahr einer diabetische Ketoazidose
Die Wissenschaftler kamen außerdem zu der Erkenntnis, dass Patienten, die bereits vor einer Corona-Erkrankung an Diabetes Typ 1 litten, nach einer Infektion mit dem Virus ein höheres Risiko für eine diabetische Ketoazidose hatten. Dabei handelt es sich um eine akute Entgleisung des Stoffwechsels, die mit einer starken Überzuckerung einhergeht. Eine diabetische Ketoazidose kann auftreten, wenn im Körper (fast) kein Insulin mehr vorhanden ist und kann schlimmstenfalls zu einem lebensgefährlichen diabetischen Koma führen. Das Risiko einer diabetischen Ketoazidose ist laut der Studie bei Corona-Patienten um 126 Prozent erhöht.
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Vor allem Babys sind betroffen
Was die Studie besonders erschütternd macht: Betroffen sind vor allem die Jüngsten. Somit haben Babys unter einem Jahr, bei denen Corona festgestellt wurde, ein um 584 Prozent höheres Risiko, an Diabetes Typ 1 zu erkranken, als nicht infizierte Kinder.
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Der an der Studie beteiligte Dr. Trenton Honda, klinischer Professor und stellvertretender Dekan am Bouvé College of Health Science, äußert sich besorgt: „Besonders bei pädiatrischen Populationen ist Covid-19 normalerweise keine lebensbedrohliche, oft nicht schwerwiegende Erkrankung. Aber Typ-1-Diabetes ist eine lebenslange Krankheit, die eine dramatische Menge medizinischer Behandlung erfordert, das Sterberisiko und das Risiko einer langfristigen Komorbidität erhöht.“2
Verdacht, dass Corona Diabetes auslöst, wurde bestätigt
Die aktuelle Studie bestätigt den Verdacht, den viele Forscher bereits zu Beginn der Pandemie äußerten. Damals wurde ein Fall aus Singapur bekannt, in dem ein zuvor gesunder Mann infolge von Covid-19 Diabetes entwickelt habe. Außerdem wiesen Wissenschaftler auf eine kleine Studie hin, die sich mit der SARS-Pandemie aus den Jahren 2002/2003 beschäftigt hat. Mit folgender Beobachtung: Von 39 Patienten, die wegen SARS in einem chinesischen Krankenhaus behandelt wurden, erkrankten 20 neu an Diabetes.3
Die beiden Coronaviren SARS-CoV-1 und SARS-CoV-2 sind sehr eng miteinander verwandt. Denn beide Viren verschaffen sich über denselben Rezeptor Zutritt in menschliche Zellen, sogenannte ACE2-Rezeptoren. Die Forscher erklärten weiter, dass viele Gewebe, die besonders wichtig für den Stoffwechsel sind (darunter auch die Bauchspeicheldrüse), ACE2-Rezeptoren haben. Genau an dieser Stelle könnte der Schlüssel zur Verbindung zwischen der Stoffwechselerkrankung Diabetes und Covid-19 liegen: Die Forscher nahmen an, dass die Viren den Glukose-Stoffwechsel entscheidend beeinflussen, wenn sie sich an ACE2-Rezeptoren heften. Diese metabolischen „Verschiebungen“ könnten einerseits eine bestehende Diabetes-Erkrankung verschlimmern (was die Komplikationen erklärt), andererseits Diabetes erst auslösen.
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Neuere Forschungen haben ergeben, dass das Virus dazu in der Lage ist, Zellen der Bauchspeicheldrüse direkt zu infizieren. Diese produzieren weniger Insulin und sterben schließlich ab, was als Apoptose bezeichnet wird.4 Allerdings betonen die Wissenschaftler, dass noch weitere Untersuchungen ausstehen.
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Quellen
- 1. Qeadan, F., Tingey, B., Egbert, J. et al. (2022). The associations between COVID-19 diagnosis, type 1 diabetes, and the risk of diabetic ketoacidosis: A nationwide cohort from the US using the Cerner Real-World Data. PLOS ONE.
- 2. Northeastern University. (2022). Contracting Covid-19 might increase your risk of type-1-diabetes. (aufgerufen am 2. Mai 2022)
- 3. Rubino, F., Amiel, S.A., Zimmet, P. et al. (2020). New-Onset Diabetes in Covid-19. New England Journal of Medicine.
- 4. Wu, C.-T., Lidsky, P. V., Xiao, Y. et al. (2021). SARS-CoV-2 infects human pancreatic β cells and elicits β cell impairment. Cell Metabolism.