13. März 2024, 20:31 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Millionen von Menschen, meist im höheren Alter, erkranken weltweit an einer Demenz oder erleiden einen Schlaganfall. Umso wichtiger ist es, Risikofaktoren bereits im frühen Erwachsenenalter zu reduzieren. Forscher haben hierfür nun einen Test entwickelt, der zeigt, ob und wie sehr man gefährdet ist.
Herzkreislauf-Erkrankungen gehören in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen.1 Sie machen etwa ein Drittel der Sterbefälle aus. Hierzu zählt auch der Schlaganfall. Eine ebenfalls weitverbreitete und gefürchtete Erkrankung mit schleichendem tödlichen Verlauf (53.323 Sterbefälle im Jahr 2022) ist die Demenz. Hierbei sterben wichtige Nervenzellen im Gehirn ab, was zum Verlust von Erinnerungs-, Orientierungs- und Sprachvermögen führt. Demenz ist nicht heilbar – nur der Verlauf lässt sich medikamentös etwas verlangsamen. Allerdings haben Forscher in diversen Studien bereits etliche Risikofaktoren identifiziert, die sowohl das Entstehen eines Schlaganfalls als auch die Demenz begünstigen können. Nun wurde erstmals ein Test entwickelt, anhand dessen man das persönliche Risiko für das Entstehen einer Demenz oder eines Schlaganfalls berechnen kann. FITBOOK erklärt, wie der Test – auch Brain Care Score genannt – funktioniert.
Übersicht
Der „Brain Care Score“ (BCS) ermittelt die Gehirnfürsorge
Wissenschaftler vom amerikanischen „McCance Center for Brain Health“ am Massachusetts General Hospital in Boston haben den sogenannten „Brain Care Score“ (BCS) entwickelt.2 Dabei handelt es sich um einen Wert zur Bestimmung der Gehirngesundheit bzw. Gehirnfürsorge. Je höher der Wert auf einer Skala zwischen 0 und 21, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass man an einer Demenz erkrankt oder einen Schlaganfall erleidet.
Die Basis für den Test liefern die einflussreichsten Risikofaktoren, die bislang wissenschaftlich ermittelt wurden. Es sind alles Risikofaktoren, die Betroffene entweder selbst oder mithilfe eines Arztes reduzieren können. Andere Risikofaktoren, auf die man keinen Einfluss hat, wie Alter, Genetik, Ausbildung und sozioökonomischer Status, hat man nicht berücksichtigt. Interessanterweise erhöhen viele der (beeinflussbaren) Risikofaktoren sowohl die Wahrscheinlichkeit für Demenz als auch für den Schlaganfall, obwohl es sich um unterschiedliche Erkrankungen des Gehirns handelt.
Folgende Risikofaktoren wurden bestimmt:
- Bluthochdruck
- Diabetes
- hoher Cholesterinspiegel
- Übergewicht
- Rauchen
- häufiger Alkoholkonsum
- ungesunde Ernährung
- Bewegungsmangel
- Schlafstörungen
- Stress
Test für Demenz- und Schlaganfall-Risiko an ca. 399.000 Probanden überprüft
Wie zuverlässig der Test funktioniert, haben die Forscher an britischen Patientendaten der United Kingdom Biobank (UKB) überprüft. Hierzu wurden 398.990 Probanden in einem Alter von 40 und 69 Jahren ausgewählt. Ihre Daten wurden zwischen 2006 und 2010 in die Biodatenbank aufgenommen. Das Durchschnittsalter betrug 57 Jahre, der Frauenanteil lag bei 54 Prozent. Der „Brain Care Score“-Test wurde angewendet, um vorauszusagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Probanden innerhalb der folgenden Jahre eine Demenz entwickeln oder einen Schlaganfall erleiden. Im Schnitt betrug der BCS 12 von 21 möglichen Punkten.
Deutliche Risikoreduktion mit einem Brain Care Score von mindestens 17 Punkten
Während des Beobachtungszeitraums von 12,5 Jahren haben die Forscher insgesamt 5354 Fälle von Demenz und 7259 Fälle von Schlaganfällen bei den Probanden registriert. Dabei stellten sie fest, dass Probanden, die jünger als 50 waren und einen um fünf Punkte höheren BCS hatten (also 17 statt 12), ein 59 Prozent niedrigeres Risiko für das Auftreten von Demenz hatten. Probanden, die 50-59 Jahre alt waren, hatten immerhin ein um 32 Prozent geringeres Risiko. Und jenseits der 59 Jahre war das Risiko um acht Prozent niedriger.
Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Schlafanfall-Patienten. So reduzierte sich das Risiko für einen Schlaganfall im Schnitt um 48 Prozent, wenn der BCS 17 statt 12 Punkte vor dem 50. Lebensjahr betrug. Probanden, die zwischen 50 und 59 Jahren alt waren, hatten sogar ein um 52 Prozent niedrigeres Risiko für einen Schlaganfall. Und jenseits der 59 lag das Risiko immer noch um 33 Prozent niedriger im Vergleich zu Probanden mit einem gemittelten BCS von 12 Punkten.
So funktioniert der Selbsttest
Obwohl die Resultate eindrucksvoll sind, betonen die Forscher, dass es sich um nur eine Kohorte, also untersuchte Gruppe, handelt. Ob der Test auch für Menschen in anderen Erdteilen und in anderen Untersuchungszeiträumen genauso zuverlässige Werte liefert, muss noch weiter erforscht werden.
Dennoch kann der Test schon jetzt eine Risikoeinschätzung geben, die jeder selbst vornehmen kann. Dazu benötigt man nur ein paar gesundheitliche Werte, die idealerweise beim Arzt bestimmt werden. Andere Fragen können schnell und unkompliziert beantwortet werden.
Generell gilt: je höher der ermittelte BCS-Wert, desto besser.
Der Test-Wert sollte über dem Median von 12 liegen, um das Risiko für Demenz und Schlaganfall zu reduzieren. Am stärksten sinkt das Risiko ab einem Wert von 17 und höher.
Für offiziellen Risiko-Score Studie identifiziert 11 Risikofaktoren für Demenz
Studie aus Japan Heiße Bäder sollen sich positiv auf Diabetes auswirken
Spezielles Punktesystem Hohe Schlafqualität kann Risiko für Schlaganfall und Herzerkrankungen deutlich senken
McCance Brain Care Score
Im Folgenden finden Sie eine Übersetzung des BCS-Tests:3
Blutdruckwerte
Blutdruck im Ruhezustand über 140/90, mit oder ohne Behandlung – 0 Punkte
Blutdruck im Ruhezustand 120-139/80-89, mit oder ohne Behandlung – 2 Punkt
Blutdruck im Ruhezustand unter 120/80 – 3 Punkte
Blutzuckerwerte
Hämoglobin A1c (HBA1C) höher als 6,4 – 0 Punkte
Hämoglobin A1c (HBA1C) zwischen 5,7 und 6,4 – 1 Punkt
Hämoglobin A1c (HBA1C) niedriger als 5,7 – 2 Punkte
Cholesterinwerte
190 oder höher – 0 Punkte
Keine Behandlung erforderlich oder niedriger als 190 mg/dL – 1 Punkt
Wenn eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegt, entspricht der LDL-Wert den aktuellen ärztlichen Empfehlungen – 1 Punkt
Body Mass Index (BMI)
Niedriger als 18,5 – 1 Punkt
18,5 bis 25 – 2 Punkte
25 bis 29,9 – 1 Punkt
Höher als 30 – 0 Punkte
Gesunde Ernährungsgewohnheiten
- 4,5 Portionen Obst und Gemüse pro Tag
- 2 Portionen mageres Eiweiß pro Tag
- 3 oder mehr Portionen Vollkornprodukte pro Tag
- weniger als 1.500 mg Natrium (Salz) pro Tag
- weniger als 1 Liter zuckerhaltige Getränke (Limonade, Saft usw.) pro Woche
- Typische wöchentliche Ernährung umfasst nicht mindestens 2 der oben genannten Empfehlungen – 0 Punkte
- Typische wöchentliche Ernährung enthält 2 oder mehr der oben genannten Empfehlungen – 2 Punkte
- Typische wöchentliche Ernährung umfasst 3 oder mehr der oben genannten Empfehlungen – 3 Punkte
Alkohol
4 oder mehr alkoholische Getränke pro Woche – 0 Punkte
2 bis 3 alkoholische Getränke pro Woche – 1 Punkt
0 bis 1 alkoholisches Getränk pro Woche – 2 Punkte
Rauchen
Derzeitiger Raucher – 0 Punkte
Nie geraucht oder vor mehr als einem Jahr aufgehört – 3 Punkte
Körperliche Bewegung
Weniger als 150 Minuten mäßige oder 75 Minuten hochintensive körperliche Aktivität pro Woche – 0 Punkte
Mindestens 150 Minuten moderate körperliche Aktivität (z. B. Gehen) oder 75 Minuten intensive körperliche Aktivität pro Woche – 1 Punkt
Schlaf
Unbehandelte Schlafstörung und/oder weniger als 7 Stunden Schlaf pro Nacht – 0 Punkte
Behandelte Schlafstörung und 7 bis 8 Stunden Schlaf pro Nacht – 1 Punkt
Stress
Hoher Stresspegel, der es oft schwierig macht, zu funktionieren – 0 Punkte
Mäßiger Stresspegel, der es gelegentlich schwierig macht, zu funktionieren – 1 Punkt
Überschaubarer Stresspegel, der es selten schwierig macht, zu funktionieren – 2 Punkte
Soziale Kontakte
Ich habe außer meinem Ehepartner und meinen Kindern nur wenige oder keine engen Beziehungen – 0 Punkte
Ich habe außer meinem Ehepartner oder meinen Kindern mindestens zwei Personen, denen ich mich nahe fühle und mit denen ich über private Angelegenheiten sprechen oder die ich um Hilfe bitten kann – 1 Punkt
Lebenssinn
Ich kämpfe oft damit, einen Sinn oder ein Ziel in meinem Leben zu finden – 0 Punkte
Ich habe im Allgemeinen das Gefühl, dass mein Leben einen Sinn und/oder ein Ziel hat – 1 Punkt