10. August 2023, 4:04 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Fast ein Drittel der Deutschen hat Bluthochdruck und damit ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deswegen nehmen Millionen von Menschen täglich sogenannte Blutdrucksenker. Doch schon bald könnten diese durch eine Spritze abgelöst werden, wie eine Studie zeigt. Das Tolle: Damit wäre auch die tägliche Einnahme von Medikamenten passé.
Bluthochdruck ist ein Massenphänomen. Allein in Deutschland haben 20 bis 30 Millionen Bundesbürger eine sogenannte Hypertonie.1 In der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen haben sogar drei von vier Erwachsenen Bluthochdruck, wie das Robert Koch-Institut berichtet.2 Dabei gilt Bluthochdruck als größter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die wiederum für die meisten Todesfälle verantwortlich sind. Kein Wunder also, dass Millionen von Deutschen täglich Blutdrucksenker einnehmen im Rahmen einer Bluthochdruck-Therapie. Doch in Zukunft könnte eine neue Therapiemöglichkeit dafür sorgen, dass Betroffene nur zweimal jährlich eine Spritze bekommen.
Übersicht
Blutdrucksenker müssen täglich eingenommen werden
Es müssen nicht gleich Medikamente eingenommen werden, um Bluthochdruck zu senken. Vor allem Personen mit hochnormalen Werten (130-139 zu 85-89 mmHg) sollten zunächst ohne Medikamente ihren Lebensstil anpassen. Denn oft reicht eine Lebensumstellung hin zu gesunder Ernährung, mehr Bewegung, weniger Alkohol und Salz sowie der Verzicht aufs Rauchen, um die Werte zu senken. Doch in vielen Fällen bestimmen genetische Faktoren, ob man eine Hypertonie aufweist oder nicht. Liegen die Werte konstant bei mindestens 140 zu 90 mmHg, wird zu einer medikamentösen Bluthochdruck-Therapie geraten.3 Dabei gibt es eine Reihe von sogenannten Blutdrucksenkern, die auf verschiedene Wirkstoffe setzen. Allen gemein ist die tägliche Einnahme.
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Forscher untersuchen Langzeit-Spritze als Therapie gegen Bluthochdruck
US-Forscher am „Brigham and Women’s Hospital“ in Boston haben nun in einer Studie die Wirkung einer Langzeit-Spritze untersucht. Die Ergebnisse der Phase-1-Studie wurden im „New England Journal of Medicine“ vorgestellt.4 Dabei wurde der Wirkstoff Zilebesiran untersucht, der bislang nicht bei der Therapie von Bluthochdruck zum Einsatz kommt. In dem Wirkstoff sind kurze künstliche RNA-Sequenzen enthalten, welche die Produktion bestimmter Proteine (wie das für die Blutdruckregulation verantwortliche Angiotensinogen) im Körper blockieren können. Man spricht hier von einer RNA-Interferenz (RNAi), weil der Wirkstoff die RNA-Teile der körpereigenen Proteinproduktion unterbrechen kann. Die Herausforderung ist es, ein Medikament zu entwickeln, das diesen Prozess über einen langen Zeitraum aufrechterhält. Genau diese Langzeitwirkung erhoffen sich Forscher von dem Wirkstoff Zilebesiran in Form einer Spritze, um Bluthochdruck behandeln zu können.
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So lief die Studie ab
In der klinischen Studie wurden 107 Probanden in verschiedene Gruppen aufgeteilt und beobachtet. Sie waren zwischen 18 und 65 Jahren alt. 84 von ihnen hatten Bluthochdruck und erhielten nach dem Zufallsprinzip entweder eine Spritze mit dem getesteten Wirkstoff oder ein Placebo. Dabei wurde der Wirkstoff Zilebesiran in verschiedenen Dosen verabreicht (10, 25, 50, 100, 200, 400 oder 800 Milligramm). Anschließend wurden alle Probanden über einen Zeitraum von 24 Wochen beobachtet.
Bei einigen Patienten wurde zusätzlich untersucht, wie sich eine salzarme (0,23 g pro Tag) und eine salzreiche (5,75 g pro Tag) Ernährung auswirken, wenn die Wirkstoffdosis jeweils 800 Milligramm beträgt. Anderen Probanden wurde bei der gleichen Dosis noch der Blutdrucksenker Irbesartan verabreicht.
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Spritze als Bluthochdruck-Therapie hält bis zu 24 Wochen an
Die Auswertung der Daten ergab, dass Zilebesiran in Dosen ab 100 Milligramm zu einer Senkung des Angiotensinogen-Spiegels um mehr als 90 Prozent führt. Diese Wirkung hielt drei bis zwölf Wochen an, je nach Dosisgröße. Probanden, die 800 Milligramm des Wirkstoffs verabreicht bekamen, hatten selbst nach 24 Wochen noch 90 Prozent weniger Angiotensinogen im Blut. Zudem zeigte die Analyse, dass der bei einigen Patienten zusätzlich verabreichte Blutdrucksenker Irbesartan keinen zusätzlichen Nutzen brachte.
Die hohe Wirkung der verabreichten Spritze auf den Angiotensinogen-Spiegel führte zu einem niedrigeren Blutdruck bei den Probanden.
- Spritzen mit 200 Milligramm Zilebesiran und mehr: Ein im Schnitt um 10 mmHG geringerer systolischer Blutdruck und ein um 5 mmHG geringerer diastolischer Blutdruck – gemessen in der achten Woche nach Verabreichung.
- Spritzen mit 800 Milligramm Zilebesiran: Ein im Schnitt um 22,5 mmHG geringerer systolischer Blutdruck und ein um 10,8 mmHG geringerer diastolischer Blutdruck – gemessen in der 24. Woche nach Verabreichung.
Wichtig: Laut den Forschern verstärkte eine salzarme Ernährung den positiven Effekt auf den Bluthochdruck zusätzlich.
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Was Hypertoniker beim Krafttraining beachten sollten
Nein, Bluthochdruck-Patienten müssen nicht grundsätzlich auf das Krafttraining verzichten. Aber sie sollten auch keinesfalls einfach so drauflos pumpen. So raten wir Hypertonikern vor Beginn des Kraftsports eine sportmedizinische Untersuchung vornehmen zu lassen, die im Idealfall auch eine fachkundige Anleitung beinhaltet. Sportwissenschaftler Prof. Dr. Stephan Geisler verriet uns in einem früheren FITBOOK-Beitrag einige wichtige Tipps, damit das Krafttraining bei Bluthochdruck tatsächlich nur positive Effekte mit sich bringt. So sollte man bestimmte Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, schließlich können für Menschen mit Bluthochdruck „die forcierten Drucke beim Krafttraining gefährlich werden“, warnt der Fitnessprofessor. Dazu gehört einerseits, vor jeder Trainingseinheit den Blutdruck zu messen. „Wenn er gerade sehr hoch ist, bitte lieber eine Trainingspause einlegen“, rät der Fachmann. Außerdem sei bei der Ausführung dringend darauf zu achten, dass es nicht zu einer Pressatmung kommt. Welche Details beim Training selbst noch wichtig sind, erfahren Sie hier.
Weitere Studien sollen folgen
Obwohl die Teilnehmerzahl in dieser Studie relativ gering war, soll das Medikament möglichst zeitnah auf den Markt kommen. Das berichtet das Pharmaunternehmen Roche in einer Pressemitteilung.5 Deswegen sollen jetzt weitere Studien folgen. Denn laut dem Pharma-Konzern hat der neue Wirkstoff Zilebesiran ein hohes Potenzial bei der Behandlung von Bluthochdruck-Patienten. Zudem könnte eine halbjährliche Verabreichung per Spritze die Therapietreue verbessern, im Gegensatz zu einer täglichen Medikamenteneinnahme. Und das bedeutet auch eine Erleichterung für die Patienten, nicht jeden Tag an ihre Blutdrucksenker denken zu müssen.
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Quellen
- 1. Deutsche Hochdruckliga e.V.: Bluthochdruck in Zahlen (aufgerufen am 9.8.2023)
- 2. Robert Koch-Institut: Blutdruck in Deutschland – Daten und Fakten (PDF – aufgerufen am 9.8.2023)
- 3. Deutsche Herzstiftung: Blutdruck senken – Welche Blutdrucksenker gibt es? (aufgerufen am 9.8.2023)
- 4. Desai A.S., Webb D.J., Taubel J., et. al. (2023). Zilebesiran, an RNA Interference Therapeutic Agent for Hypertension. New England Journal of Medicine.
- 5. Roche: Roche enters partnership with Alnylam to co-develop and co-commercialise RNAi therapeutic zilebesiran to treat hypertension in patients with high cardiovascular risk (aufgerufen am 9.8.2023).