
29. April 2025, 4:15 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ein Bluterguss nach dem Stolpern, ein schmerzendes Gelenk ohne Grund – manchmal steckt mehr dahinter als eine harmlose Alltagsprellung. Was viele nicht wissen: Hinter solchen Symptomen kann sich eine seltene, vererbte Erkrankung verbergen, die unbehandelt zu schweren inneren Schäden führt. Doch wer ist gefährdet? Und woran erkennt man die Warnzeichen frühzeitig?
Hämophilie ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die überwiegend Männer betrifft. Sie führt zu einer gestörten Blutgerinnung – mit teils lebensbedrohlichen Folgen. Frühzeitige Diagnose und individuelle Therapien sind entscheidend.
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Übersicht
Was genau hinter der Bluterkrankung steckt
Hämophilie, umgangssprachlich auch „Bluterkrankung“ genannt, ist eine Erbkrankheit, die zu einer Störung der Blutgerinnung führt. Die Krankheit tritt hauptsächlich bei Männern auf und führt dazu, dass das Blut betroffener Patienten nicht oder nur langsam gerinnt. Dabei kann die Wundheilung verzögert sein, Blutungen dauern länger, blaue Flecken werden größer und zahlreicher. Grundsätzlich gibt es milde, mittelschwere und schwere Verlaufsformen. Letztere können zu spontanen Blutungen ohne sichtbare Wunden, zu dauerhaften Einblutungen z. B. im Bereich der Gelenke, aber auch zu lebensbedrohlichen Auswirkungen führen.
Zudem gibt es verschiedene Formen der Hämophilie. Am bekanntesten für die Bluterkrankung sind Hämophilie A und B. Die Häufigkeit von Hämophilie A wird bei Männern auf etwa eine von 5.000 Personen geschätzt, von Hämophilie B sind etwa ein Mann von 25.000 bis 30.000 Männern betroffen.1
In der Regel sorgt ein komplexes Zusammenspiel von Gerinnungsfaktoren im Blut dafür, dass Verletzungen gestoppt werden. Fehlen diese Eiweiße – etwa durch eine genetische Störung – kann selbst ein kleiner Schnitt problematisch werden.
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Spontane Blutungen und große Hämatome
„Wenn blaue Flecken unverhältnismäßig groß werden oder spontane Blutungen in Gelenken auftreten, sollte man aufmerksam werden“, warnt der Hämatologe Prof. Johannes Oldenburg vom Universitätsklinikum Bonn.
Wenn das Blut schlecht gerinnt, kann es auch im Körper Blutungen geben. Innere Blutungen können durch einen Sturz oder eine Quetschung ausgelöst werden, aber auch ohne erkennbare Ursache auftreten. Sie können Organe, Muskeln und Gelenke schädigen.
Die drei Schweregrade: Von unauffällig bis bedrohlich
Leichte Hämophilie
Liegt eine leichte Hämophilie vor, haben Menschen im Alltag häufig kaum Beschwerden: oft fällt die Bluterkrankung erst in der Jugend oder im Erwachsenenalter auf, wenn eine Blutung nach einer Operation oder Verletzung länger anhält als bei anderen.
Mittelschwere Hämophilie
Bei einer mittelschweren Hämophilie kommt es gelegentlich zu lang anhaltenden Blutungen – meist nach Verletzungen oder operativen Eingriffen. Spontanblutungen treten nur selten auf.
Schwere Hämophilie
Bei einer schweren Hämophilie treten häufig auch innere Blutungen auf, die schmerzhaft sein können. Typischerweise entstehen sie ohne ersichtlichen Auslöser – besonders in Gelenken wie Schulter, Hand, Hüfte, Knie, Sprunggelenk oder Ellbogen. Auch Arm- und Beinmuskeln sind oft betroffen. Gefährlich wird es auch, wenn Blutungen im Gehirn, Bauch- oder Rachenraum auftreten. Erste Anzeichen zeigen sich größtenteils schon im Säuglingsalter: Bereits kleine Stöße führen bei betroffenen Kindern zu auffälligen Hämatomen. Mit den ersten Schritten kommt es häufig zu Blutungen in belasteten Gelenken und Muskeln.2
Fakt 1: Warum fast nur Männer betroffen sind
Hämophilie ist eine X-chromosomal vererbte Krankheit – deshalb sind Männer deutlich häufiger betroffen als Frauen. „Diese Gene liegen auf dem X-Chromosom“, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI). „Männer haben nur eines davon. Heißt: Liegt also ein solcher Gen-Fehler vor, macht er sich bemerkbar.“
Der Grund dafür: Während Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, tragen Männer nur eines. Ist bei einer Frau eines der beiden Gene defekt, kann das gesunde zweite Gen den Fehler in der Regel ausgleichen – daher erkranken Frauen selten. Fehlt dieses Backup bei Männern, wie es bei einem defekten X-Chromosom der Fall ist, wirkt sich die Genveränderung direkt aus – sie entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hämophilie.
Fakt 2: Gelenkblutungen mit Langzeitfolgen
Blutungen in Muskeln oder Gelenken treten besonders bei schweren Formen auf. „Auf Dauer nehmen die betroffenen Gelenke Schaden“, so die DGTI, „sie verformen sich und werden steif.“
Gelenkblutungen sind meist sehr schmerzhaft: Die betroffenen Stellen schwellen an, entzünden sich häufig und schränken die Beweglichkeit ein. Besonders problematisch ist, dass einmal betroffene Gelenke anfälliger für erneute Blutungen bleiben. Wiederholte Einblutungen führen zur sogenannten Hämarthrose. Hierbei handelt es sich um eine fortschreitende Gelenkschädigung, bei der sich das Gelenk dauerhaft verformt, versteift und im schlimmsten Fall zerstört. In fortgeschrittenen Fällen benötigen Betroffene oft Gehhilfen oder einen Rollstuhl.
Auch größere Blutungen in die Muskulatur sind nicht ungefährlich. Sie erhöhen den Druck auf umliegendes Gewebe, Blutgefäße und Nerven – was zu Nervenschäden führen kann. Selten, aber besonders bedrohlich, sind innere Blutungen im Gehirn: Sie können das Denkvermögen, die Konzentration und den Gleichgewichtssinn beeinträchtigen oder sogar lebensgefährlich sein. Gleiches gilt für Blutungen in Organen, der Bauchhöhle oder im Mund-Rachen-Raum – sie können die Atmung behindern, großen Blutverlust verursachen und lebenswichtige Organe schädigen.3

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Fakt 3: Gute Behandlungsmöglichkeiten – wenn die Diagnose früh steht
Dank moderner Therapien können viele Menschen mit Hämophilie heute ein nahezu normales Leben führen – vorausgesetzt, die Bluterkrankung wird frühzeitig diagnostiziert. Die DGTI weist darauf hin: „Das gilt zumindest dann, wenn sie rechtzeitig erkannt wird.“
Die Standardtherapie basiert auf dem Ersatz des fehlenden Gerinnungsfaktors. Ärzte injizieren den Gerinnungsfaktor direkt in die Vene – bei leichten Formen nur bei Bedarf, etwa vor einem medizinischen Eingriff oder bei akuten Blutungen, bei schweren Formen hingegen in regelmäßigen Abständen.
„Wer eine schwere Form hat, erhält den Gerinnungsfaktor vorbeugend alle paar Tage. Nach einer entsprechenden Schulung können sich Betroffene den Wirkstoff selbst spritzen“, heißt es auf „gesund.bund.de“.
Darüber hinaus stehen heute auch neue Therapieoptionen zur Verfügung: „Seit einigen Jahren gibt es laut DGTI auch die Möglichkeit, Hämophilie mit Antikörper- und Gentherapien zu behandeln.“ Welche Methode im individuellen Fall geeignet ist, sollte gemeinsam mit einem erfahrenen Arzt oder einer Ärztin entschieden werden.
*Mit Material von dpa