15. November 2022, 4:23 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Verschiedene Vorerkrankungen verschlechtern die Voraussetzungen für den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung – so auch Bluthochdruck. Das hat eine groß angelegte Untersuchung mehrerer deutscher Unikliniken, an der auch Charité-Virologe Prof. Christian Drosten beteiligt war, ergeben. Jetzt hat eine weitere Untersuchung herausgefunden, ab welchem Blutdruckwert es riskant wird.
Neben deutlich älteren Menschen zählen v. a. solche mit Vorerkrankungen zu den Risikopatienten im Fall einer Coronainfektion. Das Robert-Koch-Institut (RKI) führt hier insbesondere Diabetes, Krebs, Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Störungen der Leber- und Nierenfunktion an. Deutsche Forscher konnten zudem einen weiteren Risikofaktor für Covid-19 ausmachen: Bluthochdruck. Bisher war jedoch noch nicht klar, ab welchem Wert genau hoher Blutdruck das Risiko erhöht. Diese Lücke konnten nun Wissenschaftler aus England schließen.
Übersicht
Covid-19 verläuft bei Bluthochdruck oft schwerer
Rund viermal häufiger soll eine Covid-19-Erkrankung schwer und potenziell lebensbedrohlich verlaufen, wenn die Betroffenen an Bluthochdruck leiden. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher der Berliner Charité und der Unikliniken Leipzig und Heidelberg in einer gemeinsamen Untersuchung. Sie stellten bei einer großen Anzahl analysierter Zellen von Hypertonikern (= Bluthochdruckpatienten) Entzündungen fest – und zwar unabhängig davon, ob diese mit dem Coronavirus infiziert waren oder nicht.
Auch interessant: Entzündet Covid-19 alle Gefäße im Körper?
Konkreter Einfluss von Bluthochdruck auf Covid-19-Verlauf
Wie die Forscher in ihrer Abhandlung zu ihrer Studie aus dem Jahr 2020 erklärten, sind erhöhte Entzündungswerte immer ein Hinweis auf einen drohenden schweren Verlauf von Covid-19. Dies haben sie bei In-vitro-Experimenten (Experimente in einer kontrollierten, künstlichen Umgebung, z. B. im Reagenzglas) mit entzündeten Zellen belegen können.1
Die möglichen Folgen für den Patienten seien eine überschießende Immunantwort und daher oft ein schwerer Verlauf der tückischen, durch das Coronavirus ausgelösten Lungenentzündung (FITBOOK berichtete) und daraus resultierende Organschäden. Im Zuge einer Covid-19-Lungenentzündung sind die besonders sauerstoffempfindlichen Organe wie das Gehirn, die Nieren und Muskeln in ihrer Funktion eingeschränkt.
Studie bedeutet auch Chance für die Behandlung
Auf der positiven Seite der Erkenntnisse standen neu entdeckte Chancen für die Covid-19-Behandlung. So soll die Verabreichung von ACE-Hemmern (= gefäßerweiternde Medikamente, welche die Freisetzung blutdrucksteigernder Katecholamine hemmen sollen) die Gefahr eines gefährlichen Covid-19-Verlaufs verringern können. Konkret sollen ACE-Hemmer die kritische extreme Immunreaktion nach einer Coronavirus-Infektion verhindern.
Einschränkend muss man sagen, dass die Studie mit Zellen einer relativ überschaubaren Anzahl an Probanden durchgeführt wurde. Den Forschern lagen Zellen von 32 Coronainfizierten und 16 Kontrollpersonen vor.
Und auch ganz unabhängig von einer etwaigen Erkrankung an Covid-19 ist es wichtig: Bei Bluthochdruck muss eine medikamentöse Behandlung immer in Absprache mit Ihrem Arzt erfolgen
Auch interessant: Können Gerinnungshemmer bei Covid-19 helfen?
Ab welchem Wert kann Bluthochdruck bei Covid-19 riskant werden?
Während Forschungen der letzten Jahre vermehrt auf den Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und einem schweren Covid-19-Verlauf hinwiesen, gingen Wissenschaftler der University of Cambridge der Frage nach, welchen Wert Bluthochdruckpatienten nicht überschreiten sollten.2
Ablauf der Studie
Dafür analysierten die Wissenschaftler Daten von 16.134 Personen aus der UK Biobank. Auch sie konnten erneut bestätigen, dass Bluthochdruck mit einem höheren Risiko für Covid-19-Verlauf assoziiert war. Dieses war laut ihrer Analyse um 22 Prozent erhöht – verglichen zu dem Risiko von Menschen mit normalem Blutdruck. Bei Personen, die Blutdrucksenker nahmen erkannten die Forscher ebenfalls ein höheres Risiko für eine schwere Erkrankung nach einer Coronainfektion. Mehr noch zeigte sich auch, ab welchem Blutdruck-Wert es für potenzielle Coronakranke kritisch wird.3 „Wir fanden heraus, dass bei Personen mit diagnostiziertem Bluthochdruck das Risiko für Covid-19 signifikant anstieg, sobald der hohe Wert 150 mmHg oder der niedrige Wert 90 mmHg im Vergleich zu einem Zielblutdruck (120-129/80-89 mmHg) überschritt“, schrieb Hauptautorin Holly Pavey, Doktorandin an der Universität Cambridge, in einer E-Mail auf Nachfrage von „CNN“.4
Fazit
Die genannten Corona-Studien zeigen einmal mehr, wie wichtig es für Menschen mit Bluthochdruck ist, diesen in Schach zu halten und behandeln zu lassen. Denn ein zu hoher Blutdruck kann nicht nur langfristige gesundheitliche Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Organschäden haben, sondern im Fall einer akuten Covid-19-Erkrankung darüber entscheiden, wie schwer man erkrankt. Ein Risiko, das sich andererseits mit der Behandlung von Bluthochdruck auch leicht minimieren lässt.
Ausdauer- vs. Krafttraining Welche Trainingsart senkt hohen Blutdruck am besten?
Behandlung Blutdruck senken – Hypertonie-Therapie mit Medikamenten und natürlichen Mitteln
Japanische Studie Wie viel Kaffee bei Bluthochdruck gut ist, wie viel schlecht
Quellen
- 1. Trump, S., Lukassen, S., Anker, M.S. et al. (2020). Hypertension delays viral clearance and exacerbates airway hyperinflammation in patients with COVID-19. nature.
- 2. Ebinger, J.E., Driver, M., Joung, S. et al. (2022). Hypertension and Excess Risk for Severe COVID-19 Illness Despite Booster Vaccination. Hypertension.
- 3. Pavey, H., Kulkami, S., Wood, A. et al. (2022). Primary hypertension, anti-hypertensive medications and the risk of severe COVID-19 in UK Biobank. PLOS One.
- 4. LaMotte, S. Keeping your blood pressure below this number reduces risk of severe Covid, study finds. CNN. (aufgerufen am 14.11.2022)