15. September 2023, 13:51 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
„Setzen Sie sich, legen Sie ihren Arm leicht gebeugt entspannt auf die Lehne.“ So oder so ähnlich lauten häufig die Anweisungen in der Arztpraxis vor dem Blutdruckmessen. Warum diese Methode laut einer neuen Studie womöglich nicht die optimale bzw. lückenhaft ist, erklärt FITBOOK-Medizin-Redakteurin Melanie Hoffmann.
Bluthochdruck zeigt kaum bzw. nur diffuse Symptome, weshalb er lange unentdeckt bleiben kann. Dabei ist Hypertonie der größte Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei ärztlichen Check-ups gehört das Blutdruckmessen deshalb zum Standard. Doch statt wie üblich im Sitzen könnte es eine gute Idee sein, den Blutdruck künftig zusätzlich im Liegen zu messen. Der Grund: ein Phänomen namens supine Hypertonie.1 Mit diesem haben sich nun Forscher der Harvard Medical School in Boston (USA) genauer beschäftigt, mit der Erkenntnis, dass auch dieses das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.
Übersicht
Was haben die Wissenschaftler untersucht?
In ihrer Studie werteten die Forscher Daten aus der Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) Study aus. In dieser wurde bei Probanden der Blutdruck im Sitzen und im Liegen (in Rückenlage) gemessen. Die erste Messung fand zwischen 1987 und 1989 statt, die Nachbeobachtungszeit betrug 25 bis 28 Jahre. Insgesamt standen den Wissenschaftlern für ihre aktuelle Analyse Daten von 11.369 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (56 Prozent weiblich, 25 Prozent schwarz, Durchschnittsalter 54 Jahre) zur Verfügung.
Die Informationen werteten sie mit Blick auf die Fragen aus: Wie viele Personen litten an Bluthochdruck und wie viele Menschen wiesen supine Hypertonie auf? Anschließend analysierten sie, wie sich erhöhte Blutdruckwerte im Liegen auf die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Sterblichkeit auswirkte.
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Auch Bluthochdruck im Liegen ist gefährlich
Nicht erstaunlich war, dass ein großer Teil der Personen (74 Prozent), die im Sitzen erhöhte Blutdruckwerte aufwiesen, dies auch in der Rückenlage taten. Doch auch 16 Prozent der Probanden, die im Sitzen einen normalen bzw. als gesund geltenden Blutdruck aufwiesen, hatten im Liegen erhöhte Werte.
In der Nachbeobachtungszeit von mindestens 25 Jahren war Bluthochdruck mit dem Auftreten von Herzerkrankungen, Herzinsuffizienz, Schlaganfall sowie Todesfällen aufgrund von Herzerkrankungen verbunden. Außerdem hatte Hypertonie eine Auswirkung auf die Gesamtmortalität (also Sterblichkeit nicht nur aufgrund von Herzerkrankungen). Dabei zeigte sich, dass das Risiko für Menschen mit supiner Hypertonie genauso hoch war wie für Personen, bei denen nicht nur im Liegen, sondern auch im Sitzen erhöhter Blutdruck gemessen worden war.
Auffällig war, dass die Probanden mit supiner Hypertonie ein höheres Risiko für Herzerkrankungen mit ungünstigem Ausgang hatten.
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Sollte man die Methode des Blutdruckmessens anpassen?
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass bei ihnen – aufgrund des Standards, Blutdruck im Sitzen zu messen – der Bluthochdruck eher unerkannt und unbehandelt bleibt, sodass der Entwicklung von Herzerkrankungen weniger effektiv vorgebeugt wird. Die Schlussfolgerung: Statt nur im Sitzen sollte der Blutdruck auch im Liegen gemessen werden.
Dies als neuen Standard bei medizinischen Untersuchungen zu etablieren, klingt jedoch einfacher, als es in der Realität ist. Denn die Abläufe in vielen Kliniken und Praxen ist auf den Ablauf sitzenden Messens abgestimmt, das Personal entsprechend geschult. Blutdruck im Liegen zu messen, würde einen zusätzlichen Schritt bedeuten, die Untersuchung also verlängern und zudem weitere Blutdruckwerte liefern, die nicht alle medizinischen Fachkräfte richtig zu analysieren und beurteilen wüssten.
Bevor man darüber nachdenkt, die Messmethode zu ändern bzw. standardmäßig zu ergänzen, sei weitere Forschung notwendig. Zu diesem Schluss kommen die Forscher in der aktuellen Studie.
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Quellen
- 1. Berg, D. Blutdruckregulationsstörungen bei Patienten mit idiopathischen und atypischen Parkinsonsyndromen. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. (aufgerufen am 15.9.2023)
- 2. Giao,D.M., Boston, Col, H., Kwapong, F.L. et al. (2023). Seated And Supine Blood Pressure And Risk Of Cardiovascular Disease And Mortality From The Atherosclerosis Risk In Communities Study. American Heart Association.