
9. April 2025, 11:16 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Fällt es Ihnen abends schwer einzuschlafen? Ihre Bildschirmzeit könnte daran nicht ganz unschuldig sein. Wer abends im Bett zum Tablet oder Smartphone greift, schläft wahrscheinlich weniger und schlechter – so das Ergebnis einer norwegischen Studie. Und die Wissenschaftler vermuten, dass Social Media einen besonders negativen Einfluss haben könnte. FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke stellt Ihnen die Forschungsergebnisse vor.
Ob Netflix, Social Media oder Gaming – viele junge Erwachsene greifen abends im Bett noch zu Smartphone und Co. Doch wie genau wirkt sich diese Angewohnheit auf den Schlaf aus – und spielt die Art der Bildschirmaktivität eine Rolle? Eine neue norwegische Studie mit über 45.000 Studierenden liefert überraschende Antworten. Das Besondere: Die Studie differenziert erstmals genau, welche Bildschirmaktivität im Bett mit welchem Einfluss auf Schlaf verbunden ist – und räumt dabei mit einigen Mythen auf.
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Übersicht
Was und warum wurde untersucht?
Zunehmender Schlafmangel unter jungen Erwachsenen stellt ein wachsendes Gesundheitsproblem dar. Zeitgleich ist die abendliche Nutzung von Bildschirmen im Bett nahezu allgegenwärtig: Einer Studie aus Kairo 2023 zufolge liegt diese Nutzungsrate unter jungen Erwachsenen bei 96,5 Prozent.1 Frühere Untersuchungen zeigten zwar einen Zusammenhang zwischen Bildschirmzeit und schlechtem Schlaf, unterschieden aber selten nach Art der Aktivität. Vor allem Social Media wird oft als besonders schädlich für die Nachtruhe eingestuft, etwa wegen der ständigen Benachrichtigungen und Erregung von Emotionen.
Ziel der aktuellen Studie war es daher, systematisch zu untersuchen, wie sich die Art der abendlichen Bildschirmaktivität im Bett – insbesondere Social Media versus andere Tätigkeiten – auf Schlafdauer und Symptome von Insomnie auswirkt. Ist speziell Social Media besonders schlecht für den Schlaf oder die Bildschirmzeit insgesamt entscheidend?2 Dr. Gunnhild Johnsen Hjetland, Hauptautorin der Studie, verriet in einer Pressemitteilung, dass das Forschungsteam vorab eine klare Tendenz hinsichtlich der Beantwortng dieser Frage hatte: „Wir erwarteten, dass die Nutzung sozialer Medien aufgrund ihres interaktiven Charakters und ihres Potenzials zur emotionalen Stimulation stärker mit schlechterem Schlaf verbunden sein könnte.“3
Wie schläft Deutschland?
Die Krankenkasse Pronova BKK hat eine repräsentative Umfrage mit 2000 Erwachsenen in Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse der Schlafstudie 2024 zeigen, dass die Deutschen durchschnittlich nur sieben Stunden pro Nacht schlafen – und das, obwohl die optimale Schlafdauer für etwa zwei Drittel der Bundesbürger bei acht Stunden und mehr liegt. Und nicht nur in puncto Dauer hinkt die Schlafqualität. Insgesamt 63 Prozent der Befragten geben an, dass sie in drei oder mehr Nächten pro Woche zwischendurch aufwachen. Zudem schaut jeder Zweite gerne Fernsehen vor dem Schlafen – schaut also auf einen Bildschirm.4
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So gingen die Wissenschaftler vor
Die Studie basiert auf der SHOT2022-Erhebung (Students’ Health and Wellbeing Study), einer landesweiten Querschnittsstudie unter Studierenden im Alter von 18 bis 28 Jahren in Norwegen. Für die Analyse wurden Daten von 45.202 Vollzeitstudenten ausgewertet. Die zentrale Fragestellung: Wie hängt die durchschnittliche nächtliche Bildschirmzeit im Bett (gemessen in Minuten pro Woche) mit Schlafdauer und Insomnie-Symptomen zusammen?
Dabei wurden die Teilnehmenden in drei Gruppen eingeteilt:
- Gruppe 1: ausschließlich Social Media-Nutzer
- Gruppe 2: Social Media plus weitere Aktivitäten (z. B. Serien, Surfen)
- Gruppe 3: Nutzer ohne Social Media
Die Daten basierten auf Selbstauskünften. Bei der statistischen Auswertung wurden die Einflüsse von Alter und Geschlecht berücksichtigt. Insomnie-Symptome wurde gemäß den DSM-5-Kriterien diagnostiziert, einem Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Probanden wiesen folglich Symptome von Schlaflosigkeit auf, wenn sie:
- in mindestens drei Nächten pro Woche Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen hatten,
- an mindestens drei Tagen pro Woche bereits frühmorgens aufwachen,
- an mindestens drei Tagen pro Woche tagsüber schläfrig oder müde waren, und
- die Schlafprobleme mindestens drei Monate lang andauerten
Eine Stunde Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen verkürzt den Schlaf um 24 Minuten
Wenig überraschend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die abendliche Bildschirmzeit im Bett und Schlafprobleme im Zusammenhang stehen. Beachtlich ist allerdings dessen Ausmaß: Pro zusätzlicher Stunde Bildschirmzeit nach dem Zu-Bett-Gehen stieg die Wahrscheinlichkeit für Insomnie um stolze 59 Prozent. Gleichzeitig reduzierte sich die durchschnittliche Schlafdauer um 24 Minuten.
Entwarnung für Social-Media-Nutzer
Der Zusammenhang galt unabhängig davon, welche Art von Bildschirmaktivität ausgeübt wurde – ob Social Media, Serien oder andere Tätigkeiten. Interessanterweise zeigte sich jedoch ein Unterschied zwischen den Nutzergruppen: Personen, die ausschließlich Social Media nutzten, berichteten seltener von Insomnie (niedrigste Rate unter allen Gruppen) und schliefen im Durchschnitt länger. Im Gegensatz dazu hatten jene, die keine Social-Media-Aktivitäten angaben, die höchsten Insomnie-Raten und die kürzeste Schlafdauer. Die Gruppe, die Social Media mit anderen Aktivitäten kombinierte, lag zwischen diesen beiden Extremen. Auch im Vergleich zu Studierenden, die gar keine Bildschirme im Bett nutzten, zeigte sich ein um 24 Prozent geringeres Insomnie-Risiko – allerdings kein signifikanter Unterschied bei der Schlafdauer.
Dr. Johnsen Hjetland resümiert: „Wir konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen sozialen Medien und anderen Bildschirmaktivitäten feststellen. Dies deutet darauf hin, dass die Bildschirmnutzung selbst der Hauptfaktor für Schlafstörungen ist – wahrscheinlich aufgrund der Zeitverschiebung, die den Schlaf verzögert, da sie Zeit in Anspruch nimmt, die sonst zum Ausruhen genutzt würde.“
Bedeutung der Ergebnisse
Die Studie zeigt, dass es ist weniger entscheidend ist, was man am Bildschirm macht, sondern, wie lange man es macht. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Schlafprobleme durch die Bildschirmzeit selbst verursacht werden, etwa durch das Hinauszögern der Schlafenszeit („displacement“), und weniger durch den konkreten Inhalt oder Erregen von Emotionen. Die Hypothese, dass Social Media besonders schädlich für den Schlaf sei, konnte in dieser Form nicht bestätigt werden. Stattdessen scheint der exklusive Social Media-Konsum im Bett sogar mit besseren Schlafwerten einherzugehen. Die Autoren nennen als mögliche Erklärung dass die ausschließliche Nutzung sozialer Medien eine Vorliebe für soziale Kontakte signalisiert, was die Zugehörigkeit zu einem sozialen Netz widerspiegeln könnte, was wiederum vor schlechtem Schlaf schützen könne.
Wichtig zu betonen ist, dass die Studie keine Aussagen zur Kausalität erlaubt. Es könnte also auch sein, dass schlechter Schlaf zur verstärkten Bildschirmnutzung führt – nicht umgekehrt. Dennoch liefern die Befunde wichtige Hinweise für zukünftige Empfehlungen im Bereich Schlafhygiene und Mediennutzung.
Einordnung der Studie
Die Studie gehört mit ihrer hohen Teilnehmeranzahl zu den bislang größten Untersuchungen zum Thema „Bildschirmnutzung und Schlaf“ in der Altersgruppe junger Erwachsener. Eine Besonderheit ist die differenzierte Analyse nach Aktivitätstyp – bislang wurden meist nur Gesamtnutzungszeiten untersucht. Die Fokussierung auf Studierende ist ebenfalls relevant, da diese Gruppe besonders häufig unter Schlafproblemen leidet.
Allerdings handelt es sich bei der Erhebung um eine Querschnittsstudie: Da alle Daten zu einem einzigen Zeitpunkt erhoben wurden, lässt sich keine Ursache-Wirkung-Beziehung feststellen. Zudem stützen die Daten sich auf Selbstauskünfte, welche fehleranfällig sind. Zumal keine zusätzlichen objektive Messmethoden wie Aktigraphie oder Schlaftagebücher herangezogen wurden. Auch die Kategorisierung der Bildschirmaktivitäten war relativ grob – etwa wurde nicht zwischen verschiedenen Social Media-Plattformen oder Inhalten unterschieden.

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Fazit
Mehr Bildschirmzeit im Bett ist mit kürzerem Schlaf und einem erhöhten Risiko für Insomnie verbunden – unabhängig davon, ob man Social Media nutzt oder andere digitale Inhalte konsumiert. Entgegen gängiger Annahmen war Social Media dabei nicht schädlicher als andere Bildschirmaktivitäten. Im Gegenteil: Studierende, die ausschließlich Social Media verwendeten, berichteten von weniger Schlafproblemen. Für bessere Schlafhygiene erscheint daher die Reduktion der Gesamtbildschirmzeit im Bett sinnvoller als die Vermeidung einzelner Inhalte.
Dr. Hjetland empfiehlt: „Wenn Sie Schlafprobleme haben und vermuten, dass die Bildschirmzeit ein Faktor sein könnte, versuchen Sie, die Bildschirmnutzung im Bett zu reduzieren, idealerweise mindestens 30 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen. Wenn Sie Bildschirme nutzen, sollten Sie Benachrichtigungen deaktivieren, um Störungen während der Nacht zu minimieren.“