11. Dezember 2024, 20:24 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Zu den bekanntesten Merkmalen von Autismus zählt eine verminderte soziale Aufmerksamkeit. Bereits im Kindesalter fallen Betroffene dadurch auf, ihr Umfeld scheinbar weniger zur Kenntnis zu nehmen. Doch was genau unterscheidet die Art, wie sie ihr Gegenüber betrachten, von der, wie man es von neurologisch normal entwickelten Kindern kennt? Hierzu haben Forscher in einer aktuellen Untersuchung womöglich wertvolle Erkenntnisse gewonnen.
Autismus (Fachbegriff: Autismus-Spektrum-Störungen, ASS) steht für eine Störung der neuronalen Entwicklung, die sich auf vielfältige Weise darstellen kann. Betroffene können unter anderem durch wiederholende Verhaltensmuster auffallen. Ebenso gilt es als typisch, dass Personen mit Autismus Probleme damit haben, persönliche Beziehungen aufzubauen oder zu pflegen. Diese Herausforderungen in zwischenmenschlichen Interaktionen beginnen bereits dabei, wie Betroffene Blickkontakt aufnehmen. Doch woran genau das liegt und wie diese Eigenart sich womöglich entwickelt – dazu waren bislang noch viele Fragen offen. Eine Studie ist ihnen nun auf den Grund gegangen.1 Und dabei kamen wertvolle Erkenntnisse über die Augenbewegungen von Kindern mit Autismus ans Licht.
etzt dem FITBOOK-Kanal bei Whatsapp folgen!
Übersicht
Autismus offenbar an Augenbewegungen erkennbar
Das Hauptziel der Studie sei es gewesen, zu verstehen, wie Kinder mit Autismus verglichen mit neurotypischen Kindern visuell auf Gesichter reagieren. Das Forscherteam wollte herausfinden, ob sich Unterschiede bei den konkreten Augenbewegungen festmachen lassen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung legen nahe, dass es ihnen an „visueller Sensibilität“ fehlt, sprich: dass von Autismus betroffene Kinder weniger Augenmerk auf die gemeinhin als wichtig betrachteten Gesichtsinformationen legen. Doch von vorn.
Details zur Untersuchung
Die Studie erfolgte unter der Leitung von Jason W. Griffin, einem renommierten Psychologieforscher im Bereich der Autismus-Spektrum-Störungen. Das Team verwendete ein spezielles mathematisches Modell, um die Augenbewegungen von 399 Kindern im Alter zwischen 6 und 11 Jahren zu analysieren. Bei 280 von ihnen lag der Befund Autismus vor, 119 der jungen Probanden wiesen keine Hinweise auf neurologische Entwicklungsstörungen auf. In insgesamt drei Tests – einmal zu Beginn der Untersuchung, dann nach sechs Wochen und ein letztes Mal nach 24 Wochen – sollten die Kinder Bilder gewöhnlicher sozialer Situationen betrachten. Dabei wurden ihre Augenbewegungen aufgezeichnet
Die Forscher ordneten die beobachteten Arten der Augenbewegungen zwei Mustern zu: einem fokussierten und einem explorativen Muster („to explore“ bedeutet übersetzt etwa „erkunden“). Das fokussierte Muster war dadurch gekennzeichnet, dass die Kinder ihre Augen speziell auf Teilbereiche von Gesichtern richteten, also etwa speziell auf den Mund. Auch blieb ihr Blick an dem fixierten Detail hängen. Das explorative Muster hingegen stand für eine großflächigere Betrachtung von Gesichtern. Hierbei wurden keine einzelnen Merkmale fixiert und der Blick wanderte zudem vermehrt auch auf andere Objekte im Hintergrund.

Entwicklungsstörung Was ist das Asperger-Syndrom?

Abgrenzung zu ADHS Methode, die Autismus bei Kindern mit 80-prozentiger Genauigkeit erkennt

Komplexe Entwicklungsstörung Formen, Ursachen, Symptome und Behandlung von Autismus
Ergebnisse und ihre Bedeutung
Griffin und sein Team beobachteten das explorative Muster deutlich häufiger bei Kindern mit Autismus als bei Kindern mit normaler neurologischer Entwicklung. Diese auffälligen Unterschiede zeigten sich in allen drei durchgeführten Tests über den gesamten Studienzeitraum hinweg. Wie die Forscher erklärten, steht die beobachtete verminderte Fähigkeit, Gesichter (schnell) zu fixieren, im Zusammenhang mit verschiedenen Verhaltensauffälligkeiten, die für Autismus typisch sind. Man weiß etwa, dass Betroffene oft Probleme mit der Deutung von Gesichtsausdrücken und somit von sozialen und emotionalen Signalen haben.
Die Erkenntnisse könnten in der Praxis verschiedene Vorteile sowohl für die Diagnostik als auch für die Therapie von Kindern mit Autismus bringen. Das Wissen um die Besonderheit der Augenbewegungen bei Betroffenen könnte zu einer schnelleren Erkennung der Störung verhelfen. Auch könnte sie als Basis für weiterreichende Forschung dienen.